Interview: Jawattdenn.de sprach mit Betreuer Marcel
Müller
Schon mit 24 Monaten wurde Marcel Müller von
seinem Vater mit in die Westkurve genommen. 28 Jahre
später hat er seinen Tribüneplatz nunmehr
gegen einen am Spielfeldrand eingetauscht. Der mit
30 Jahren wahrscheinlich jüngste Betreuer der
2. Bundesliga beantwortete Jawattdenn.de in der Woche
vor dem Pokalspiel Cottbus-Spiel einige Fragen zu
seiner Person und seinen Job an der Hafenstraße.
Jawattdenn.de:
Wie bist Du eigentlich zu deiner Tätigkeit als
Betreuer zu RWE gekommen?
Marcel Müller:
An den Job bin ich eher durch Zufall geraten. Ich
war zwei Jahre lang E-Jugend-Trainer beim Verein.
Als Hans Görtz, mein Vorgänger - der jetzt
im Ticketing arbeitet - wegen einer Krankheit vertreten
werden musste, hat Jürgen Grundheber mich als
Vertretung vorgeschlagen. Ich bin seit meiner Kindheit
ein Roter. Es war daher für mich eine Ehre, zum
Einen einspringen zu dürfen und schlussendlich
auch als Betreuer weiterzuarbeiten. Der Job, den ich
in den Wochen als Vertretung gemacht habe, schien
den Verantwortlichen gefallen zu haben. Sie haben
mich später gefragt, ob ich dauerhaft in diesem
Bereich weiterarbeiten möchte.
Jawattdenn.de:
Welche Aufgaben gibt es für Dich als Betreuer
denn zu erfüllen?
Marcel Müller:
Mein Arbeitstag beginnt ungefähr um acht Uhr,
zwei Stunden vor Trainingsbeginn.
Ich bereite die Fächer der Spieler mit der Trainingskleidung
vor und bringe Dinge wie Hütchen, Bälle
usw. auf den Trainingsplatz. Halt die Dinge, die bei
jeder Einheit bereitstehen müssen. Dazu gehören
auch Getränke und für die Spieler gibt es
auch noch ein paar Früchte. Ich achte darauf,
dass auch Dinge wie Kaffee usw. immer da vorhanden
sind. Am Tag nach Spielen haben wir immer ein gemeinsames
Frühstück mit der gesamten Mannschaft, dem
Trainerstab, um noch mal ein Gemeinschaftserlebnis
rein zu bringen. und den Teamgeist noch weiter zu
stärken. Dafür müssen dann auch schon
mal ein paar Brötchen gekauft werden.
Unter der Woche trudeln die Spieler so ab neun Uhr
ein. Wenn um zehn das Training losgeht, habe ich eigentlich
90 Minuten Pause. Oft fallen in dieser Zeit aber auch
ein paar Arbeiten an. In letzter Zeit habe ich während
des Trainings öfters T-Shirts oder Trikots beflockt.
Natürlich kommen die Spieler auch mit allerlei
Anliegen zu mir und ich versuche ihnen dann zu helfen.
Vor allem die Spieler, die neu nach Essen kommen,
haben viele Fragen: wo man abends Essen gehen kann
oder woher sie Winterreifen für ihr Auto bekommen
können. Eigentlich bin ich eh Mädchen
für alles. Die Schuhe putzen die Spieler
in Essen allerdings noch selbst.
Jawattdenn.de:
Wie sieht die Arbeit am Spieltag aus?
Marcel Müller:
Ich bin meist etwa vier Stunden vor Anpfiff im Stadion.
An Spieltagen bin ich wie unter der Woche auch dafür
zuständig, dass die Spieler mit Früchten,
Elektrolytgetränken usw. versorgt werden und
die Trikots in der Kabine bereitliegen. Oft bin ich
der Erste, der den Rasen betritt, um den Spielern
bei der Stollenwahl zu helfen. Ich bin auch dafür
verantwortlich, die Stollen aufzuschrauben. Problematisch
wird es, wenn sich das Wetter während eines Spiels
ändert. Dann müssen wir - wie in der letzten
Saison beim Heimspiel gegen Erfurt - in einer Viertelstunde
auf zehn paar Schuhe neue Stollen schrauben. Das ist
ziemlich knapp.
Jawattdenn.de:
Du bist also vor den Spielen in der Kabine? Gibt es
da bestimmte Rituale, wie z.B. bei der Nationalmannschaft,
die vor den WM-Spielen Xavier Naidoo hörten?
Marcel Müller:
Nein, an sich nicht. Bei uns läuft meistens EinsLive
in der Kabine. Wenn aber der Trainer in die Kabine
kommt, wird die Musik ausgemacht, denn dann hat er
das Wort. Bei den Mannschaftsbesprechungen bin ich
dann auch nicht mit dabei. Bei so was hat kein Betreuer
etwas verloren.
Jawattdenn.de:
Macht es für Dich denn einen Unterschied, ob
wir auswärts oder an der Hafenstraße antreten?
Marcel Müller:
Ja, einen ziemlich großen sogar, aber egal wo
wir spielen: an Spieltagen wird immer besonders akribisch
gearbeitet, da soll nichts schief gehen. Zuhause ist
es für mich aber sehr viel angenehmer. Auswärts
bin ich immer etwas angespannt. Bei Heimspielen kann
ich schon einen Tag vorher mit den Vorbereitungen
beginnen und die Kabine einräumen. Auswärts
kommt man immer in eine ungewohnte Umgebung. Wenn
man in die Kabine kommt und die Kisten aufmacht, hofft
man natürlich, dass alles da ist und man nichts
in Essen vergessen hat.
Jawattdenn.de:
Du selbst bezeichnest dich ja als Betreuer, nicht
als Zeugwart?
Marcel Müller:
Ich bezeichne mich selbst einfach als Mannschaftsbetreuer.
Zeugwart hört sich ein wenig antiquiert an. Außerdem
klingt es, als würde man nur den Spielern die
Schuhe putzen und hinstellen. Meine Aufgaben sind
aber relativ vielfältig, und ich finde, dem wird
die Bezeichnung Zeugwart auch nicht ganz gerecht.
Jawattdenn.de:
Wenn man dich am Spielfeldrand sieht, merkt man, dass
Du dich mit den meisten Spielern duzt. Wie ist denn
das generelle Verhältnis zwischen Dir und der
Mannschaft?
Marcel Müller:
Ich habe zu den Spielern ein gutes Verhältnis.
Ich führe offene Gespräche mit den Spielern
und ich versuche ihnen bei ihren Problemen zu helfen.
Ich bekomme auch mal mit, wenn ein Spieler unzufrieden
ist. Ich versuche aber immer gute Laune zu verbreiten,
und ich denke, dass kommt auch in der Mannschaft gut
an. Das Wichtigste aber ist, dass die Spieler das
Gefühl haben, dass man als Betreuer genauso alles
gibt, so wie es von ihnen auf dem Rasen auch erwartet
wird.
Jawattdenn.de:
Merkt du denn einen Unterschied zwischen der Arbeit
in der Regionalliga und der zweiten Bundesliga? Letztes
Jahr spielte RWE teilweise noch in der Fußballprovinz,
dieses Jahr ging es gleich zu Beginn auf den Betzenberg!
Marcel Müller:
Das ist ein tolles Stadion und die Stimmung war super.
Es war ein schönes Erlebnis, dort zu spielen.
Auch weil man sieht, wie professionell die Betreuer
bei Vereinen wie dem FCK arbeiten. Da will RWE natürlich
auch hin, aber das geht nur Schritt für Schritt.
Jawattdenn.de:
Du hast die Stimmung auf dem Betzenberg angesprochen.
Man bekommt auf dem Rasen also etwas davon mit, was
sich auf den Rängen tut.
Marcel Müller:
Ja, auf jeden Fall, und ich denke, die Stimmung ist
im Moment sehr gut. Viel besser als in der Hinrunde
der letzten Saison. Man merkt, dass die Zuschauer
derzeit richtig Bock auf RWE haben.
Jawattdenn.de:
Hatte die schlechte Stimmung in der Regionalliga-Hinrunde
denn Auswirkungen auf die Spieler? Oder lässt
so etwas einen Profi völlig kalt?
Marcel Müller:
Nein, natürlich nicht. Das sind ja auch nur Menschen.
Und wenn die Fans ihre eigenen Spieler angehen, geht
denen das auch nahe. Viele Zuschauer hatten anscheinend
nicht verstanden, dass das alles neue Spieler waren,
die mit dem Abstieg überhaupt nichts zu tun hatten.
Jawattdenn.de:
In letzter Zeit gab es in Fankreisen auch wieder Diskussionen
um Probleme mit rechtsradikalen Fans. Bekommt man
an der Seitenlinie etwas von fremdenfeindlichen Äußerungen
mit?
Marcel Müller:
Nein, was man hört, sind natürlich Sachen
wie das Rot-Weiss-Essen,
aber Fanäußerungen im Einzelnen überhaupt
nicht. In St. Pauli musste ich einmal unserem Torwart
eine Getränkeflasche bringen und musste dabei
an den St. Pauli-Fans vorbei und habe mir einige Sprüche
anhören dürfen. Die gingen zwar teilweise
unter die Gürtellinie, waren im Großen
und Ganzen aber schon richtig gut.
Jawattdenn.de:
Am Samstag (das Interview wurde vor dem Pokalspiel
gegen Cottbus geführt; Anm. d. Red.) spielt RWE
gegen Energie Cottbus mit Sidney und Francis Kioyo.
Sind da irgendwelche besonderen Gefühle im Spiel?
Marcel Müller:
Als die beiden bei RWE spielten, war ich ja noch kein
Betreuer und ich kenne sie eigentlich auch größtenteils
nur von der Tribüne aus. Zu der Zeit war ich
ja noch E-Jugend-Trainer. Wenn
Francis auf den Platz kam, war er eigentlich immer
sehr nett und ist sehr gut mit den Kindern umgegangen.
Samstag ist es auch nicht wichtig, ob Kioyo mitspielt
und ob er ein Tor schießt, sondern dass RWE
weiterkommt. Und dann wäre es natürlich
ein Traum, Schalke zugelost zu bekommen. Am besten
in einem Auswärtsspiel in der Arena.
Jawattdenn.de:
Das wäre sicherlich für jeden Rot-Weissen
eine sensationelle Sache. Was war denn allgemein Dein
bisher schönstes Erlebnis mit RWE?
Marcel Müller:
Der 4:3-Sieg in Hamburg. Aus so einem tollen Stadion,
auch wenn natürlich eigentlich zu wenige Zuschauer
für die AOL-Arena da waren, nach 0:2-Rückstand
noch mit den drei Punkten im Gepäck die 300km
nach Hause zu fahren, war super. Als Betreuer so nah
beim Aufstieg mit dabei sein zu können, war auch
eine sehr schöne Sache für mich. Das Spiel
in St. Pauli war auch ein tolles Erlebnis, auch wenn
das Ergebnis natürlich nicht so optimal war.
Die Atmosphäre dort ist genial. Da steht man
in den Kabinen, in denen sich auch die Bayern umgezogen
haben, und im Gegensatz dazu sind selbst die auch
schon etwas älteren Kabinen bei RWE noch richtig
nobel. In dieser Saison freue ich mich noch auf die
Spiele in Köln und in München. Vor ein paar
Wochen waren da noch WM-Spiele und jetzt kann ich
dort selber hautnah dabei sein.
Jawattdenn.de:
Wie wird denn die übrige Saison für RWE
nach dem ordentlichen Start wohl verlaufen?
Marcel Müller:
In den Katakomben wird das Wort Abstieg
überhaupt nicht benutzt. Das ist auch kein Thema
für mich. Die sportliche Leitung hat eine Mannschaft
auf die Beine gestellt, die das Potential hat, die
Klasse zu halten. Ich bin mir auch sicher, dass sie
das tun wird.
Jawattdenn.de:
Möchtest Du zum Abschluss noch ein paar Worte
an die Fans richten?
Marcel Müller:
Die Fans sollten einfach nur genau wie die Spieler
auf dem Rasen Vollgas geben. Dann sollte diese Saison
nicht viel schief gehen!
Jawattdenn.de:
Vielen Dank, dass du dir für uns Zeit genommen
hast!
Das Interview führten Henrik
Holländer und Tim
Zähringer vor dem Pokalspiel gegen Energie
Cottbus
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