Vorschau: 19. Spieltag | Rot-Weiss Essen - Rot-Weiß
Erfurt
"Glaube nicht an Spuk und Geister, RWE wird
Deutscher Meister!"
Das war im Jahre 1955 die Aufforderung der aufgeklärten
Essener Bürger an die Romantiker, den größten
Coup der Vereinsgeschichte von RWE nicht für
Trugschluss, sondern für bare Münze zu nehmen.
Die größten Helden, die Rot-Weiss-Essen
jemals hervorgebracht hat, sorgten dann am 26. Juni
1955 im Niedersachsenstadion von Hannover für
den (bislang) einzigen deutschen Meister-Titel der
Essener.
Das wissen wohl nahezu alle Essener, weitaus weniger
bekannt hingegen dürfte sein, dass sich der heutige
Namensvetter Rot-Weiß Erfurt im selben Jahr
die Meisterehren in der damaligen DDR sicherte, wobei
er seinen bereits im Vorjahr errungenen Titel erfolgreich
verteidigte. Allerdings hätte nicht derselbe
Spruch aufs Banner gepasst, den Ost-RWE agierte damals
noch unter seinem "Künstlernamen" BSG
(Betriebssportgemeinschaft) Turbine Erfurt. Nicht
böse sein, liebe Erfurter, dass wir dabei heute
eher an Frauenfußball und Turbine Potsdam denken
müssen. Zuvor gab es für die Erfurter, die
deren Gründungsjahr das Jahr 1895 ist, aufgrund
der politischen Lage einige Änderungen. Auf Beschluss
der sowjetischen Militäradministration wurden
nach Ende des 2. Weltkrieges im Sommer 1946 alle bürgerlichen
Sportvereine aufgelöst, quasi verboten, und deren
Vermögen beschlagnahmt. Ein neues Kapitel in
der Erfurter Fußballgeschichte begann, welches
wie oben erwähnt sogar zwei Meisterschaften beinhaltete.
Im Sommer 1946 wurde auch der Sportbetrieb in der
sowjetischen Besatzungszone, zunächst nur auf
Kreisebene wieder aufgenommen. In der Stadt Erfurt
wurden 5 Sportgemeinschaften gegründet - Erfurt
-Nord,- West,- Mitte,- Süd und Ost, wobei die
SG Erfurt -West auf dem Gelände des SC Erfurt
1895 der Cyriaksburg spielte und hauptsächlich
aus Spielern des ehemaligen Sportclubs und des VfB
Erfurt bestand.
RW Erfurt in seiner heutigen Form wurde dabei am 26.01.
1966 aus der Taufe gehoben und wurde nach einer wechselvollen
Vergangenheit, die auch Ausdruck deutscher Geschichte
ist, endlich zu einem reinen Fußballclub. Das
Markenzeichen RW Erfurt blieb aber vor allem im Fußballwesten
eher eine Anekdote und hinter Größen wie
Dynamo Dresden oder Carl-Zeiss Jena eher unbekannt.
Die Stadt Erfurt mit ihrem Dom und der mittelalterlichen
Altstadt, welche zum Welt-Kulturerbe der Unesco zählen,
bieten da weit mehr Aufmerksamkeit als der einheimische
Fußballclub.
Nachhaltig auf sich aufmerksam machte RW Erfurt jedoch
in der Saison 1991/92. Nachdem auch im deutschen Fußball
die Wiedervereinigung vollzogen wurde, spielten die
Erfurter in der damaligen zweiten Liga Süd, da
aufgrund der Vielzahl neuer Vereine die Profiligen
zunächst aufgestockt wurden, um später wieder
auf Normalmaß zurückgestutzt zu werden.
Im Ligabetrieb gab es für RWE wenig zu lachen
und am Ende sprang der Abstieg ins Amateurlager dabei
heraus. Dennoch ereignete sich in diesem Jahr ein
Kuriosum, Erfurt hatte sich in der letzten Saison
der DDR-Oberliga die Teilnahmeberechtigung an internationalen
Spielen erworben. Als "amtierender" Letzter
der zweiten Liga Süd sorgte RWE für eine
faustdicke Überraschung und beförderte den
niederländischen Ehrendivisionär FC Groningen
mit zwei 1:0 Erfolgen raus aus dem Cupgeschehen. Die
Belohnung dafür war ein Treffen mit dem legendären
Klub von Ajax Amsterdam, der zwar Endstation für
RWE war, aber zweimal gefordert wurde. Erwähnenswert
dabei war, dass Erfurt als Ostverein das Düsseldorfer
Rheinstadion zum Austragungsort des "Heimspieles"
erwählte, wodurch man sich zwar einer großen
Kulisse vorwiegend holländischer Supporter erfreuen
durfte, aber natürlich auch den Heimvorteil komplett
verschenkte. Ein klarer Hinweis auf wirtschaftliche
Notwendigkeiten, die den Niedergang ehemaliger DDR-Vereine
im gesamtdeutschen Fußball klar widerspiegelten.
RWE und RWE sind aufgrund ihrer Kürzel leicht
zu verwechseln, obwohl die beiden Klubs ansonsten
nicht viel gemeinsam haben. So erging es auch dem
ZDF. Während der Reportage zum Pokalsieg der
Rot-Weissen gegen den Reviernachbarn MSV Duisburg
blendete der Sender einfach mal das Wappen des anderen
RWE ein. Da hatte der Praktikant wohl nachher einen
schweren Stand.
Sportlich traf man sich allerdings erst ganze zweimal.
Beide RWE's können dabei für sich proklamieren,
ungeschlagen zu sein. Da dieses in der trübseligen
Zweitligasaison, beide Teams waren als Aufsteiger
angetreten, ansonsten nicht allzu oft gelang, stiegen
beide am Ende wieder ab. Dass beide Spiele Unentschieden
endeten, 0:0 in Essen und 1:1 in Erfurt, waren da
schon bezeichnender, denn erlösende Dreier gelangen
beiden nicht allzu oft.
Trotz des Schneefalls, der den Gästen aus dem
schneeverwöhnten Thüringen sicherlich besser
liegen dürfte als den Gastgebern, hoffen die
Rot-Weissen aus Essen auf den ersten Dreier gegen
den Namensvetter aus Erfurt, um ihren Aufstiegsambitionen
weiter Nachdruck verleihen zu können.
(sm)
Rot-Weiß Erfurt - Die letzten 10 Jahre
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