Special Teil II: 16. Spieltag | FC St. Pauli - Rot-Weiss
Essen
Es gibt nur eine Hafenstraße!!!!!! (St. Pauli
Special Teil II)
Dreimal kämpften RWE und Pauli in Aufstiegsrunden
gegeneinander und begegneten sich in diversen Zweitligapartien.
Erst zweimal traf man sich in Liga drei, beide Spiele
aus der Saison 2003/04 haben aber RWE-Erinnerungswert.
Einen besonderes wichtigen Sieg landete RWE in der
zweiten DFB-Pokalhauptrunde in der Saison 1993/94.
Das hart umkämpfte 3:2 nach Verlängerung
war eine der Stationen auf dem Weg ins Pokalfinale
nach Berlin.
Schon der erste Rückblick lässt besonders
bei alteingesessenen RWE-Fans die Tränen der
Rührung kullern. 1966 trafen sich beide Klubs
in der Aufstiegsrunde zur 1. Fußball-Bundesliga.
Gleich am ersten Spieltag mussten die Rot-Weissen
nach Hamburg und unterlagen am Millerntor mit 0:1,
wobei sie zu allem Überfluss einen Foulelfmeter
nicht verwerten konnten. Erstaunen mag, dass die Essener
von nicht weniger als 7.000 "Schlachtenbummlern",
wie Auswärtsfahrer damals noch genannt wurden,
in die Hansestadt begleitet wurden. In den folgenden
vier Partien ließen die Mannen um Willi Lippens
nichts anbrennen und siegten ausnahmslos. Die Dramaturgie
wollte es so, dass dann am letzten Spieltag dieser
Aufstiegsrunde RWE an der Hafenstraße auf St.
Pauli traf. Die Hamburger waren in den nächsten
Partien weit weniger erfolgreich gewesen als die Essener
und brauchten ein kleines Fußball-Wunder, um
doch noch den ersten Platz, der als einziger zum Aufstieg
berechtigte, von RWE zurückzuerobern. Ein Sieg
mit drei Toren Differenz im Hexenkessel Hafenstraße,
der beinahe bis zum Zerbersten gefüllt war, war
dazu notwendig. Auch wenn dem Essener Anhang nach
20. Minuten der Atem stockte, als Pauli das 0:1 gelang,
sollte es am Ende eine lange Nacht in rot-weisser
Farbenpracht werden. Es fiel kein weiteres Tor, RWE
war erstmals erstklassig.
Ein kleines Drama ereignete sich dann in der Saison
1973/74, erneut standen RWE und St. Pauli gemeinsam
in der Aufstiegsrunde zur Bundesliga. Pauli hatte
dort letztendlich nichts zu bestellen, kam aber am
letzten Spieltag entscheidend beim letztlichen Aufsteiger
Kickers Offenbach unter die Räder. Neben RWE
und Offenbach waren die drei weiteren Teams fast nur
Statisten, gegen die sich die beiden Konkurrenten
ein Preisschießen um Platz 1 lieferten. Die
beiden direkten Duelle endeten Remis, der einzige
weitere Punktverlust für RWE resultierte ausgerechnet
aus einem 0:0 in St. Pauli. Im Rückspiel setzte
es für die Hamburger eine 1:6 Klatsche an der
Hafenstraße, da sie aber auch noch im letzten
Spiel mit 0:6 am Bieberer Berg einbrachen mussten
die Rot-Weissen, die inklusive Aufstiegsrunde und
den letzten Meisterschaftsspielen 30 mal in Folge
unbesiegt blieben, aufgrund des schlechteren Torverhältnisses
Offenbach den Vortritt lassen.
Getreu dem Motto "alle guten Dinge sind drei"
trafen sich beide Vereine 1986 erneut in einer Aufstiegsrunde,
auch wenn es dieses Mal eine Nummer kleiner ausfiel
und es "nur" um den Einzug in die zweite
Bundesliga ging. Daran haben schließlich beide
Vereine gute Erinnerungen, denn damals wurden zwei
Aufstiegsplätze vergeben, wovon sich St.Pauli
den ersten und RWE den zweiten sicherte. Gegeneinander
spielte man zunächst in Essen, wo die Rot-Weissen
nach einer 0:5 Demontage beim VFB Oldenburg gehörig
unter Druck standen und schließlich hart umkämpft
und viel umjubelt 2:1 gewannen. In Hamburg gingen
die Essener 0:3 unter, vor der Abfahrt wurde der Mannschaftsbus
von zahlreichen wutschnaubenden Essener Anhängern
belagert, die den Aufstieg genau wie im Vorjahr, als
RWE nach ebenfalls souverän errungener Nordrhein-Meisterschaft
in der Aufstiegsrunde die Segel streichen musste,
arg gefährdet sahen. Da sich die Rot-Weissen
danach aber zusammenrissen und ihre Restpartien gewannen,
gingen sie zusammen mit den Braun-Weißen wieder
hoch in den Profi-Fußball.
Danach spielte man gemeinsam zwei Jahre in der zweiten
Liga. St. Pauli war im ersten Jahr das Überraschungsteam
und holte sich am Ende Platz drei, der damals zu zwei
Relegationsspielen gegen den Buli-Sechzehnten berechtigte.
RWE hingegen legte einen vollkommenen Fehlstart hin
und landete erst am zehnten Spieltag den ersten Sieg
gegen Viktoria Aschaffenburg. Dann aber ging es los,
die Hafenstraße wurde zu einer lange Zeit uneinnehmbaren
Festung, 12 Heimspiele (sic!) in Serie schlugen die
Rot-Weissen alles und jeden, der den Rasen des GMS
betrat, darunter auch St. Pauli, das mit 0:4 tüchtig
einen eingeschenkt bekam. Beim Rückspiel trennte
man sich 2:2 , St. Paul hatte in diesen zwei Begegnungen
die Punkte eingebüßt, die am Ende zum Direktaufstieg
berechtigt hätten.
Dieser musste aufgrund eines Scheiterns in der Relegation
um ein Jahr verschoben, aber eben nicht aufgehoben
werden. Im Spieljahr 1987/88 wurde Pauli am Ende Zweiter
und stieg somit ohne lästige Relegation auf.
Auch RWE hatten vor Saisonbeginn nicht wenige Experten
auf der Aufstiegsrechnung. Die starke Rückrunde
in der Vorsaison und auch der teuerste Transfer der
Vereinsgeschichte waren dafür verantwortlich.
Für 400.000 DM, damals eine Riesensumme, kam
der offensive Mittelfeldspieler Uwe Wegmann vom VFL
Bochum an die wahre Hafenstraße. Dort wurde
er allerdings niemals heimisch und nach einer Reihe
von durchwachsenen Leistungen wurde er von sogenannten
Fans bereits beim Warmlaufen niedergemacht und demontiert.
So wie Wegmann enttäuschte das gesamte Team,
statt Aufstiegs- gab es Abstiegskampf und vor allem
Frust. Der am Ende erreichte Platz 11 täuschte
über die akute Gefahr etwas hinweg, denn es war
nur ein einziger Punkt, der Essen vom Tabellensiebzehnten
und dem damit verbundenen Abstieg trennte. Der "goldene"
Punkt wurde, wenn man so will, immerhin gegen Pauli
eingeheimst. Am Millerntor unterlag man zunächst
2:4, im GMS sicherte der damals zuverlässigste
Torjäger Ralf Regenbogen kurz vor dem Ende das
wichtige 2:2.
Danach traf man sich erst im Spieljahr 1993/94 in
Liga Zwei, aber eben auch im Pokal wieder. In beiden
Meisterschaftspartien gelang RWE kein einziger Treffer,
0:0 in Essen und 0:1 in Pauli lauteten die trostlosen
Resultate. Im Pokal allerdings gab es dreifachen Essener
Torjubel, der an diesem Spätsommerabend des Jahres
1993 auch bitter nötig war, denn die Gäste
führten bereits mit 2:0. Mit einem Kraftakt gelang
den Rot-Weissen der Ausgleich und damit der Weg in
die Verlängerung. RWE-Abwehr-Haudegen Roman Geschlecht
gelang in dieser der Siegtreffer zum 3:2, nachdem
er bereits in der regulären Spielzeit für
einen Treffer gesorgt hatte. Der Essener Siegeszug
wurde erst von Werder Bremen vor fast 80.000 Zuschauern
beim Finale in Berlin gestoppt. Unvergessliche Momente.
Schließlich kam es 2003/04 zu den bislang einzigen
Partien in der dritten Liga, die nun eine Fortsetzung
finden werden. Eine auch fantechnsich grandiose Auswärtsfahrt
krönten die Rot-Weissen Kicker mit einem 2:1
Sieg in der Höhle des Löwen. Zwei Dinge
waren dabei besonders bemerkenswert. Erstens war es
das einzige RWE-Auswärtsspiel, was "drei
Spiele Coach" Holger Fach betreute. Zweitens
gelang Essens fliegendem Holländer Erwin Koen,
der bereits die zwischenzeitliche 1:0 Führung
besorgt hatte, der Siegtreffer durch einen direkten
Freistoß aus gut und gerne 35 Metern Torentfernung.
Alle, die damals in der Kurve hinter dem Pauli-Tor
standen, sehen wohl immer noch die Kugel in Gedanken
ihren Lauf ins Eck nehmen. Ein Husarenstück des
mittlerweile abgewanderten Publikumslieblings.
Das Rückspiel war fußballerisch weit weniger
spektakulär, blieb aber ebenfalls in guter Erinnerung,
weil den Rot-Weissen buchstäblich in allerletzter
Sekunde das Siegtor durch Ali Bilgin glückte,
der den Ball zum 1:0 förmlich über die Linie
stolperte und einen Jubelorkan erster Güte auslöste.
Wohl auch durch diesen glücklichen Erfolg holten
sich die Essener das notwendige Selbstvertrauen um
im Anschluss daran die Liga zu rocken und beeindruckend
aufzusteigen.
Dieses erneute Duell hat der leider postwendende Abstieg
von RWE nun ermöglicht. Aber wie die Vergangenheit
zeigt, in Duellen zwischen St.Pauli und RWE ging es
oftmals um die Wurst. Es ist kein Revier-Derby, aber
ein Derby zweier Kultklubs, das etwas rar gesät,
aber fast stets von einiger Brisanz war.
Auf ein Neues!
(sm)
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