[ Jawattdenn.de - Saison 2005/06 ]      

 





Tabelle

1
Essen
-
2
Oggersheim
-
3
Elversberg
-
4
Verl
-
5
Lotte
-
6
Trier
-
7
Worms
-
8
Kleve
-
9
Cloppenburg
-
10
Dortmund II
-
11
Münster
-
12
Köln II
-
13
Gladbach II
-
14

Leverk. II

-
15
Mainz II
-
16
Lautern II
-
17
Bochum II
-
18
Schalke II
-


Letztes Spiel


09.08.08 - 1:3 (1:1)


Nächstes Spiel


15.08.08 - 18:30 Uhr
PGW Arena Lotte


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Special Teil I: 16. Spieltag | FC St. Pauli - Rot-Weiss Essen



Es gibt nur eine Hafenstraße!!!!!! (St. Pauli Special Teil I)

Unter diesem Motto steht wohl auch dieses mal wieder das Duell der Braun-Weißen vom Millerntor und den Rot-Weissen von Deutschlands einzig wahrer Hafenstraße.

FC St. Pauli meets Rot-Weiss-Essen, man darf mit Fug und Recht behaupten, dass hier zwei große Kult-Clubs des deutschen Fußballs die Klingen kreuzen, deren beste Zeiten lange, bei den Gästen sogar noch weitaus länger zurückliegen, deren Anhänger aber dafür bekannt sind mit nahezu unerschütterlicher Treue die Berg- und Talfahrten ihrer Mannschaften mitzumachen.

Auf den ersten Blick haben sie wenig gemeinsam, entstammen doch die Paulianer der mondänen Weltstadt Hamburg, dem legendären „Tor zur Welt“, während die Essener als Klub aus der einst größten Stahlstadt Europa stets den Charme von Kohle und Arbeit versprühten. Dennoch haben der Klub aus dem hohen Norden und der aus dem tiefen Westen eine Art Seelenverwandtschaft, die sich erst bei einem näherem Hinsehen offenbart.

Elegante Elbchausseen, die Binnenalster, das Nobelviertel Blankenese, Sylvie van der Vaart, Tennisturniere am Rothenbaum, der Michel, all das sind die Wahrzeichen und Sehenswürdigkeiten Hamburgs, aber fußballerisch verbunden werden sie nicht mit dem Stadtteilklub St. Pauli, sondern sie passen viel eher zu dem noblen HSV, dem fünfmaligen Deutschen Meister und zweifachen Europapokalsieger.

St. Pauli ist nur ein kleiner Teil der Hansestadt, aber dennoch vielleicht sogar der berühmteste, bestimmt aber der verruchteste. Die Nähe zum „Tor der Welt“, dem Hamburger Hafen mit den St. Pauli Landungsbrücken, gab dem Stadtteil sein unverwechselbares Flair. Bei St. Pauli fällt einem erst mal das Vergnügungsviertel ein, welches Mitte des 19. Jahrhunderts dank der Matrosen entstand. Auf der legendären Reeperbahn und den angrenzenden Seitenstraßen drängeln sich neben unzähligen Touristen vor allem Kneipen, Bars und Sexshows, nicht umsonst steht hier auch Deutschlands wohl bekannteste Polizeiwache, die Davidswache. In der Herbertstraße, für die zahlreich mitreisenden weiblichen RWE-Fans allerdings strikt tabu, räkeln sich die käuflichen Damen im Schaufenster, in der Eckkneipe zum „Goldenen Anker“ trifft man noch hanseatische Originale. Die sündige Meile ist mit ihrem exotisch verruchtem Flair eine Reise wert, und pünktlich um halb eins klingen egal in welcher Kneipe und nicht nur in der Großen Freiheit Nr. 7 die Töne von Hans Albers aus den Lautsprechern. Das heutige „Große Freiheit Nr. 36“ war früher unter dem Namen „Star Club“ bekannt dafür, einer Band namens „The Beatles“ ganz im Sinne des Stadtmottos das Tor zur Welt geöffnet zu haben.

In diesem besonderen Flair gedieh der FC St. Pauli, eine Art „Schmuddelkind“ des Hamburger Fußballs mit Kultfaktor 10. Seine Spielstätte hat er am Stadion am Millerntor, was etymologisch nichts mit Fußball, sondern mit einem der früheren Stadttore der Hansestadt zu tun hat. Am ehesten verstehen kann man den Paulianer vielleicht, wenn man sich an eine Begebenheit aus dem gutbürgerlich-konservativem „Aktuellen Sportstudio“ des ZDF aus den 80er Jahren zurückerinnert. Damals zu Gast war Volker Ippig, seines Zeichens Keeper des frisch gebackenen Bundesligaaufsteigers FC St. Pauli. Ippig spielte nicht nur bei St. Pauli, sondern war quasi St. Pauli bzw. die Verkörperung seines Geistes. Der Mann, der dem in Gotthilf Fischer Outfit gekleidetem und Seelsorgerscharm versprühenden Dieter Kürten gegenübersaß, trug alte ausgewetzte Jeans, ein Schmuddelshirt mit ausgeleiertem Kragen und ein Potpourri von wirren hellblond gefärbten Fransen auf dem Kopf. Auf Kürtens Frage hin, ob er einen Gegensatz darin sehe, früher einmal der Hausbesetzerszene der anderen, der Hamburger Hafenstraße angehört zu haben, und nun als Bundesligaprofi sein Geld zu verdienen, antwortete Ippig mit einer Mischung aus hanseatischem Esprit und der Ablehnung, die ein rebellierender Halbstarker seinem spießbürgerlichem Vater entgegenbringen würde, „Nö, seh ich überhaupt nich!“ Diese Aussage dürfte zugleich die längste des Interviews gewesen sein. So wie Ippig und Kürten, so war auch die anfängliche Beziehung zwischen dem Millionengeschäft Bundesliga und einer Insel der alternativen Szene, des Protestes gegen das Establishment und des Widerstandes auf allen Ebenen. Zumindest vordergründig passte dieser Deckel nicht auf diesen Topf.

Das ist ein Teil der Wahrheit über St. Pauli, aber natürlich auch ein weitaus größerer Teil seines Mythos und seiner Verklärung ins Klischeehafte. Denn genau wie andere auch, schreckte in späteren Jahren auch St. Pauli nicht davor zurück, dem einstigen „Klassenfeind“ um Hilfe zu bitten, als es ihnen finanziell mehr als dreckig ging. Man muss kein Fußballexperte sein, um zu erkennen, dass besonders ein Verein in der Bundesliga das genaue Gegenteil der als linksradikal verschrieenen Pauli-Szene darstellt. Der große FC Bayern, Krösus und Großkotz der Eliteliga wurde noch zu Beginn der 90er auf der Titelseite der Stadionzeitung mit der Headline „Klassenkampf“ empfangen, was natürlich Uli Hoeneß und diverse Verstimmungen auf den Plan rief. Gut ein Jahrzehnt später spielten die Münchener dann am Millerntor für den finanziell siechenden und kurz vor dem Kollaps stehenden Hamburger Verein ein Benefizspiel und Uli H. wurde mit „Ulli, Uli“ -Rufen gefeiert, wo ihm Jahre zuvor noch in Anlehnung auf seinen „Nebenjob“ Würstchen um die Ohren gepfeffert wurden.

Überhaupt war St. Pauli immer einfallsreich, wenn es darum ging mit diversen Aktionen Geld in die chronisch leeren Vereinskassen zu spülen und arg gefährdete Lizenzen zu sichern. Viel Geld machte man mit dem „Retter“-T-Shirt, welches bundesweit ein Verkaufsschlager wurde. Die Fans des verhassten Lokalrivalen HSV reagierten darauf mit einem „Bettler“-T-Shirt. Und als in der Rückrunde 2001/02, Pauli stand nahezu abgeschlagen am Tabellenende, der große FC Bayern mit 2:1 am Millerntor besiegt wurde, brachten die Paulianer daraufhin in Anlehnung an den jüngsten großen Erfolg der Lederhosenträger ein Kleidungsstück mit der Aufschrift „Weltpokalsiegerbesieger“ auf den Markt. In der Not frisst der Teufel also Fliegen, um als Klub im Profifußball überleben zu können begab man sich ebenso auf die einst so verhasste Kommerzschiene wie anderswo. Böswillige Zungen behaupten, St. Pauli wäre heutzutage eine Art „FC-Bayern für Erfolglose“, d.h. ebenso wie der erfolgreichste Klub Deutschlands Fans in Scharen anzieht, die sich in dessen Erfolgen sonnen wollen, bietet St. Pauli ein Stück Kult für Jedermann, auch für Leute, die niemals Hamburgs Stadtgrenzen betreten haben und die Fönfrisur des Bankangestellten mit Rebellion signalisierenden Dreadlocks getauscht haben.
Wie gesagt, um Hamburgs Kultklub ranken sich ebenso viele Legenden wie um den berühmten Stadtteil, aus dem er stammt und in dem er seine Spielstätte hat. Mythos und Realität haben in beiden Fällen nicht mehr allzu viel gemeinsam, ein wahrer Kern aber bleibt bestehen.

Wie eingangs erwähnt finden sich durchaus Parallelen zwischen St. Pauli und RWE. Klischeebedingt gibt es zwar den Gegensatz zwischen links- und rechtsradikalen Randalierern, so sehen besonders gutinformierte Zeitgenossen die beiden Fangruppen, deren einzige Parallele es sei, dass beide keine Schneidezähne mehr im Hals hätten. Bei genauerem Hinsehen gibt es aber diverse Gemeinsamkeiten, die teilweise verblüffend anmuten. Die Ursprünge beider Vereine sind 1907 zu suchen, obwohl St. Pauli das Jahr 1910 im Wappen führt. "Die Geschichte des FC St. Pauli von 1910 beginnt nicht, wie der Name vermuten lässt, im Jahre 1910, sondern mindestens drei Jahre früher. Seine Ursprünge sind untrennbar verbunden mit der des Hamburg - St. Pauli Turnvereins von 1862, der übrigens heute noch existiert. Dort wurde bereits ab 1907 gegen den Ball getreten, allerdings noch nicht im Rahmen eines geregelten Spielbetriebs.

Erst 1910 traten die Kicker des Klubs dem Norddeutschen Fußball-Verband bei, 1911 bestritten sie die ersten Punktspiele, und 1924 trennten sie sich schließlich vom Turnverein und gründeten den FC St. Pauli", so recherchierte René Martens für sein 1997 erschienenes Buch "You’ll Never Walk Alone". RWE gibt als Gründungsjahr 1907 an, firmiert aber erst seit dem Zusammenschluss mehrer Borbecker Großvereine im Jahre 1923 als Stadtverein Rot-Weiss-Essen. Zu ganz ähnlichen Zeitpunkten erblickten also beide Klubs, bzw. ihre Vorgänger das Licht der Fußballwelt und erhielten dann nahezu zeitgleich ihre heutigen Namen.

Beide Vereine haben ihre besten Tage weit hinter sich, beide schauen aber mit unerschütterlicher Zuversicht immer wieder nach vorne und wurden zusammen mindestens zwei Dutzend Mal für tot erklärt, um am Ende dennoch weiterzuleben.

Trotz des Gegensatzes zwischen der Weltstadt Hamburg und der nur regionalen Größe Essen sind beide Vereine ursprüngliche Malocherklubs. Sowohl für RWE als auch für St. Pauli spielt in ihrer Stadt eine jeweilige „Hafenstraße“ eine sehr große Rolle. Beide peilen in diesem Jahr die Rückkehr in den Profifußball an. Und beide trafen sich schon zu einigen großen Duellen, welche auch die Vereinsgeschichten widerspiegelten.

...Fortsetzung folgt


(sm)