Interview: Jawattdenn.de sprach Willi "Ente"
Lippens
Das große Interview mit Willi "Ente"
Lippens Teil II
Jawattdenn.de:
Was sagen sie zu den Stadionplänen, die vorerst
wieder auf Eis liegen?
Willi Ente Lippens:
Das ist auch abhängig vom sportlichen Erfolg.
Nur, was würde uns momentan ein Stadion für
35 000 Zuschauer nutzen, wenn man nur in der Regionalliga
spielt?
Jawattdenn.de:
Zumal viele Leute die Befürchtung haben, das
typische Hafenstraßenflair könnte flöten
gehen
Willi Ente Lippens:
Man sollte auf keinen Fall die Leute vergraulen. Wenn
man darauf verzichten würde, sich um die Atmosphäre
zu kümmern, ginge man das Risiko ein, nicht mehr
so eine einmalige Stimmung zu haben.
Es könnte bei einem neuen Stadion aber auch genau
anders herum laufen, und die Euphorie wächst.
Da muss ich wieder zum sportlichen Erfolg zurück
kommen, dass ist das Wichtigste beim Fußball.
So sollte es auch in Essen sein.
Jawattdenn.de:
Kann man Vereine wie Duisburg oder Bochum als positive
Beispiele nennen?
Willi Ente Lippens:
Ja, und das ist das Schlimme: Essen war früher
vor diesen Clubs im Ruhrgebiet die dritte Kraft. Und
mit den beiden Großen, Dortmund und Schalke,
war man eine Zeit lang fast auf Augenhöhe. Was
Umfeld und Fans angeht, ist RWE immer noch in der
Lage, wieder diese dritte Kraft im Pott zu werden.
Die momentane Situation kann daher für den Verein
nicht befriedigend sein. Solche Underdogs
wurden zu meiner Zeit doch müde belächelt.
Jawattdenn.de:
Fallen ihnen spontan drei Spiele aus ihrer Zeit
ein, von denen Sie den jüngeren RWE-Fans berichten
mögen? Spiele, an die Sie sich immer wieder zurück
erinnern?
Willi Ente Lippens:
Ja, klar! Als allererstes fällt mir spontan das
0:5 gegen Düsseldorf ein. Wir hätten ebenso
13:5 gewinnen können. Wir spielten damals typisch
englisch und boten immer Powerfußball. Da
wurde nicht groß herumgeeiert. Wir haben immer
mit einem gewissen Risiko gespielt, sehr offensiv.
Haben auch bei dieser Niederlage alles gegeben, Düsseldorf
hat uns fünf Mal ausgekontert, und die Leute
waren nach dem Spiel überhaupt nicht sauer. Es
war ein bombiges Fußballspiel, nur das Ergebnis
passte nicht so richtig.
Dann fällt mir noch das 6:3 zu Hause gegen Frankfurt
ein, damals noch mit Helmut Littek. Da habe ich auch
ein paar Hütten beigesteuert. Das war eines dieser
Fußballspiele, die abends unter Fluchtlicht
stattfanden. Damals war das noch was Besonderes. Diese
Spiele hatten eine ganz eigene Atmosphäre. Heute
ist das ja schon Normalität geworden.
Das allerbeste Spiel war natürlich dieses Aufstiegsspiel
gegen Karlsruhe in der Saison 1979 / 80. Das war mit
Sicherheit eines der besten Spiele, die je an der
Hafenstrasse gespielt wurden, nur leider mit einem
tragischen Ende.
Jawattdenn.de:
War das der negative Wendepunkt in der Historie von
RWE? Denn dies war immerhin das letzte Mal, dass man
ans Tor zur Bundesliga klopfte ...
Willi Ente Lippens:
Klar, zumal nach dieser Spielzeit auch viele Spieler
dem Verein den Rücken kehrten. Wenn wir da aufgestiegen
wären, dann wäre in den ganzen Jahren danach
vieles komplett anderes gelaufen. Und überlegen
Sie mal, wie lange das nun schon her ist
Jawattdenn.de:
Schildern Sie uns kurz ihr schönstes Erlebnis
mit den Fans von Rot-Weiss Essen.
Willi Ente Lippens:
Die RWE Fans sind sehr emotional und haben das Herz
auf dem richtigen Fleck. Von daher sind sie schon
generell etwas Besonderes. Ich erinnere mich an die
Situation, als ich 1971 ein Angebot von Ajax Amsterdam
bekam. Als das bekannt wurde, hat das ganze Stadion
meinen Namen gesungen. Das war für mich mit ausschlaggebend,
den Verein nicht zu verlassen.
Jawattdenn.de:
War das so etwas wie Nibelungentreue? Gibt es so etwas
auch heute noch?
Willi Ente Lippens:
Da braucht man gar nicht darüber zu reden. So
etwas gibt es heute nicht mehr. Ich habe damals auf
viel Geld verzichtet und bin geblieben.
Jawattdenn.de:
Wie war das für sie, nach längerer Zeit
mal wieder im Rampenlicht zu stehen, als sie vom Verein
zu Ihrem 60. Geburtstag geehrt wurden?
Willi Ente Lippens:
Der Verein hat sich sehr bemüht, das kann man
nicht anders sagen. Ich habe die Einladung gerne angenommen.
Das war ich den vielen Fans schuldig, die mich noch
als Spieler kennen und immer noch ins Stadion pilgern..
Jawattdenn.de:
Haben sie so etwas wie ein RWE-Allstar-Team? Oder
eine Mannschaft während ihrer Zeit in Essen,
die herausragte?
Willi Ente Lippens:
Nein, das kann man so nicht sagen. Ich habe drei Generationen
an Spielern als Aktiver miterlebt. Jede Phase hatte
gute Spieler, und eben auch weniger gute.
Jawattdenn.de:
Zu wem pflegen Sie heute noch Kontakt?
Willi Ente Lippens:
Den einen oder anderen sieht man mal wieder. Hasebrink
habe ich in Bremen an der Klaus-Fischer-Fußballschule
getroffen, wo ich in den Ferien mit Kindern trainiere.
Hansi Dörre, mit dem ich 13 Jahre bei Auswärtsfahrten
auf einer Bude geschlafen habe, habe ich mal in New
Orleans getroffen, als ich dort Urlaub machte. Wir
wollten uns eigentlich mal verabreden, aber da ist
leider noch nichts draus geworden.
Jawattdenn.de:
Gibt es ehemalige Mitspieler, die Sie hier auf Ihrem
Lippens-Hof Mitten
im Pott in Bottrop besuchen?
Willi Ente Lippens:
Dieter Bast ist oft zu Feiern hier. Den sehe ich also
regelmäßig.
Jawattdenn.de:
Mit wem haben Sie besonders gerne zusammengespielt?
Willi Ente Lippens:
Ich mochte die Stärken von Burgsmüller,
Hrubesch und Mill, auch von Dieter Bast. Das waren
dankbare Mitspieler für die Offensive. Da konnte
man schöne Flanken ziehen, denn immer war einer
da, der die verwerten konnte. Oft wird ja vergessen,
dass ich nicht nur unzählige Tore geschossen
habe, sondern auch ein Vorbereiter war.
Jawattdenn.de:
Gab es für Sie auch Lieblingsgegenspieler?
Willi Ente Lippens:
Na klar! Das ist doch kein Geheimnis, das weiß
jeder in Deutschland: Vogts hat mir sehr gelegen,
Konopka genauso. Alle die, die von hinten geklopft
haben. Weil die auch teilweise blind waren (lacht).
Die wollten dich zerstören. Aber gerade dieser
Spielertyp war mir am liebsten, denn für mich
waren die dadurch leicht auszurechnen. Wer mir allerdings
weniger lag, war Hermann Gerland. Der konnte das Spiel
verzögern und ging nicht sofort drauf. Der wartete
immer bis zum Schluss. Aber eigentlich bin ich mit
allen zurecht gekommen.
Jawattdenn.de:
Haben Sie nach all diesen Jahren so was wie ein Lieblingstor?
Willi Ente Lippens:
Das waren so viele, das ist schwer. Aber da fällt
mir eines gegen Manglitz von den Meiderichern ein.
Ich täusche eine Flanke an, der kommt überhastet
raus aus dem Kasten. Ich flanke aber nicht, sondern
hau ihm das Ei in die kurze Ecke. Das war schon
ein Bombentor!
Jawattdenn.de:
Kann man sagen, Sie waren auf dem Rasen ein Entertainer?
Willi Ente Lippens:
Ich war eher ein Original. Ich
war einer, der die Zweckmäßigkeit auch
mit der Show verbinden konnte. Meine Trefferzahl erreicht
man nicht, wenn man nicht den Erfolg in den Vordergrund
stellt. Ich wusste auf dem Feld, nun ist etwas Außergewöhnliches
angebracht. Ich wollte den Leuten Spaß bringen.
Jawattdenn.de:
Sehen Sie heute in Deutschland einen Spieler vom gleichen
Kaliber?
Willi Ente Lippens:
Nee, so einen gibt es nicht. Den meisten Spielern
mangelt es doch schon an Selbstvertrauen.
Jawattdenn.de:
In der NRZ haben Sie vor ein paar Wochen gesagt, sie
würden gerne noch mal jung sein, um den einen
oder anderen Spieler aus der heutigen Zeit nass zu
machen! Glauben Sie, dass Sie das wirklich könnten?
Wen würden Sie denn gerne mal abziehen?
Willi Ente Lippens:
Ich hatte gesagt, ich möchte noch einmal 26 sein,
um dann noch einmal mitspielen zu dürfen. Dann
würden alle diejenigen die Schnauze halten, die
behaupten, die Spielweise unsere Generation würde
in der heutigen Zeit keine Schnitte mehr bekommen.
Schauen Sie, ein Ballack mag vielleicht von der Spielanlage
einiges mitbringen, ist kopfballstark, ein Mittelfeldmotor,
der sich unwahrscheinlich aufopfert, aber so Spieler
wie Overath, die waren genial.
Jawattdenn.de:
Wenn Sie mal einen Blick über ihre gesamte Karriere
richten, würden Sie dann heute irgendetwas anders
machen? Sie sind zum Beispiel 1976 nach Dortmund gewechselt
Willi Ente Lippens:
...na, aber doch nur, weil man mich weggeschickt hatte.
Man wollte mich einfach nicht mehr, ich war für
Rot-Weiss Essen nicht mehr gut genug. So hat man mir
das auch damals knallhart gesagt.
Jawattdenn.de:
Und wie fanden Sie nach ihrem USA-Gastspiel noch mal
den Weg zurück?
Willi Ente Lippens:
Weil
der Verein damals im oder am Arsch war. Als ich in
Amerika spielte, kamen plötzlich nur noch fünfzehnhundert
Leute ins Stadion. Es war ganz bitter. Damals rief
mich sogar der Helmut Rahn an, und überredete
mich, wieder zurückzukehren. Und das, obwohl
ich denen drei Jahre vorher noch zu alt gewesen war.
Plötzlich war ich es dann nicht mehr! Mir passte
das gut. Und dann veranstaltete der Verein im Stadion
einen Ententag, und beim ersten Heimspiel
nach meiner Wiederkehr waren dann wieder 14.000 Leute
im Stadion. Wir gewannen gleich das erste Spiel gegen
Wuppertal, wurden in dieser Spielzeit Zweiter und
schafften es noch in die Relegation. Ich glaube, meine
Rückkehr hat den Verein damals gerettet.
Jawattdenn.de:
Herr Lippens, abschließende Frage: Wer wird
2006 Fußballweltmeister? Und jetzt sagen Sie
nicht: Holland.
Willi Ente Lippens:
Gut, dann sage ich: nicht Deutschland. Wobei man keine
deutsche Mannschaft unterschätzen darf. Die Tugenden
der Deutschen kommen ja bei Turnieren eigenartigerweise
immer wieder durch. Deutschland wird unter die letzten
Vier kommen. Aber eigentlich hätte es wirklich
mal Holland verdient, die in Europa seit Jahrzehnten
mit den attraktivsten Fußball spielen.
Jawattdenn.de:
Gut, dann würden wir doch noch gerne eine Frage
nachschieben: Sie haben ein Länderspiel für
Holland gemacht. Ein Fehler?
Willi Ente Lippens:
Das war wirklich der größte Fehler meines
Lebens. Ich hätte besser für Deutschland
spielen sollen.
Jawattdenn.de:
Danke für das Gespräch!
Das Interview führten Frank
Schulz und Werner Neumann
(fsl)
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