Der, der das Kämpfen lernte Holger
Wehlage
Als
die Meldung der Verpflichtung Wehlages die Hafenstrasse
erreichte, glaubten viele Essener Fans zunächst
an einen schlechten Witz eines Einzelnen. Warum
sollte ein so begnadeter Techniker, dem schon seit
jeher der Ruf hinterher rennt, zu wenig aus seinem
Potential zu machen, ausgerechnet zu einem Regionalligisten
wechseln? Wir glauben die Antwort gefunden zu haben:
Wehlage wollte allen beweisen: seht her, ich
bin nicht der Schönling, der nicht kämpfen
will.
Also biss er sich durch. Anfangs noch leicht verunsichert
von der explosiven Stimmung nach dem Abstieg, wozu
er allerdings genauso wenig beigetragen hatte, wie
20 weitere Spieler. So steigerte er sich im Laufe
der Hinrunde von Spiel zu Spiel. Fast schon heimlich
unheimlich. Denn wenn Wehlage einmal fehlte,
merkte man: er fehlt. Er fehlte der Mannschaft,
dem Spiel, dem Zuschauer. Keiner konnte ihn in den
Zeiten seines Fehlens adäquat ersetzen.
Und wären seine Schnelligkeit und seine Ballfertigkeit
nicht schon Gründe genug, Spieler dieses Formats
schneller als andere in das Herz zu schließen,
so entwickelte er in Essen eine Tugend, die ihm
vorher die allerwenigsten zugetraut hätten:
er erlernte das Kämpfen! Das Kratzen, das Beißen,
das Spucken. Er setzte sich zur Wehr. Galt er vorher
noch als Schönling und wurde er nach seiner
Duisburger Zeit als Weichei abgestempelt,
so hat er in Essen wirklich auch den Allerletzten
überzeugen können, das man woanders offensichtlich
keine Ahnung hat.
Holger
Wehlage ist ein Mensch, der polarisiert. Die weiblichen
Fans tragen überwiegend sein Dress im Stadion
und fast bekommt man den Eindruck vermittelt, als
wäre dies lange Zeit eine Last für ihn
gewesen. Er bewies durch den Gang in die Regionalliga,
dass er bereit ist, auch steinigere Wege zu gehen,
auch wenn er sicherlich für Regionalligaverhältnisse
relativ gut verdient haben dürfte. Er bewies,
dass er für einen Neubeginn bereit ist. Die
erste Hürde ist geschafft. Essen spielt wieder
zweitklassig und einen Namen wird man mit diesem
Erfolg in jedem Fall immer in Verbindung bringen:
seinen.
An Wehlage führte und führt in Essen
seit dem er da ist kein Weg vorbei. Unnachahmlich
seine pfeilschnellen Vorstöße über
die Außen, die meist für erhöhte
Gefahr im Strafraum der Gegner sorgten. Sieben Treffer
erzielte er in dieser Saison, eines seiner wichtigsten
sicherlich der Ausgleichstreffer in Hamburg, nachdem
die Mannschaft bereits 2:0 zurückgelegen hatte.
Dies war gewissermaßen die Wende im Aufstiegskampf
nach einer schwächeren Phase. Ein symptomatischer
Treffer. Er wuchtete den Ball mit vollem Risiko
und einem enormen Bums in die Maschen. Früher
hätte er vielleicht nicht nur einfach draufgehalten,
sondern vorher noch ein Kabinettstückchen versucht.
In Essen hat er gelernt, kompromissloser zu werden.
Holger Wehlage in Zahlen:
Tore
|
Vorlagen
|
GWG
|
Scorerpunkte
|
7
|
8
|
3
|
15
|
RS
Ø
|
RS
EdT
|
RS
SdT
|
NRZ
Ø
|
Kicker
EdT
|
Kicker
SdT
|
Leistungs-
punkte
|
3,27
|
4
|
1
|
3,22
|
6
|
0
|
593
|
Einsätze
|
Ein-
wechslung
|
Aus-
wechslung
|
Spieldauer
|
28
|
2
|
12
|
2.195
|
'
Gelbe
Karten
|
Gelb-Rote
Karten
|
Rote
Karten
|
Punkte
|
7
|
0
|
0
|
7
|
Jawattdenn-Saisonbewertung:
Holger Wehlage dürfte bei den Rankings zum
Spieler der Saison durchweg auf vorderen Rängen
landen. Auch wenn es vielleicht paradox klingt:
Das
konnte man so nicht erwarten, galt er doch nach
seiner Zeit in Duisburg schon als gescheitert. So
nahm er eine Liga tiefer einen neuen Anlauf und
überzeugte von vorne bis hinten. Die Spiele,
in denen er schwächere Leistungen brachte,
dürfte man an einer Hand abzählen können.
Einer der Garanten für den Wiederaufstieg.
Zweitliga-Perspektive mit Stärken und Schwächen:
In der vergangenen Saison spielte er in Duisburg
immerhin in 28 Zweitligaspielen. Allerdings wurde
er zum Saisonende hin nur noch spät, meist
sehr spät eingewechselt. Dennoch ist Holger
Wehlage einer der Spieler, die das Niveau besitzen,
in dieser Liga mehr als zu bestehen. Er muss nur
den Kopf frei haben. Dann entfaltet sich sein Leistungspotential
und Wehlage wird auch in der höheren Liga die
Abwehrspieler auf den Außen schwindelig spielen.
Gut, dass dem Verein dieser Spieler auch im kommenden
Jahr zur Verfügung steht.
(fsl)
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