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11.04.2005 - RWE und RWO – Eine rot-weiss(ß)e Hassliebe im Revier

Als ich im Juni letzten Jahres meinen mit RWE-Wimpel ausgestatteten Wagen vom Lehrer-Parkplatz des Sophie-Scholl-Gymnasiums in Oberhausen-Sterkrade fuhr, schallte mir von der direkt daneben gelegenen Bus-Haltestelle ein vielstimmiger Chor aus Schüler-Kehlen entgegen: „Scheiß RWE, Scheiß RWE“. Irgendwie süß, dachte ich so bei mir, und irgendwie typisch RWO. Kinderchor halt.

Das ist das Bild, was dem Gros der Essener Fans beim Namen RWO einfällt. Während man den Verein mit dem unaussprechlichen Namen aus der Stadt des Spitzenreiters bei der Arbeitslosenstatistik mit unreflektiertem, aber auch unvermeidlichem Hass verfolgt, so ist der rot-weiße Namensvetter, dessen Schreibweise von der unserigen durch die Verwendung des ß abweicht, eigentlich nie oder kaum ein Thema gewesen. Sicherlich weiß man Oberhausen in einer ganz speziellen Weise zu schätzen, schließlich ist der Gang zum Niederrhein-Stadion mit ca. 11 Kilometern Entfernung von der Heimstätte des Mythos RWE der absolut kürzeste im Liga-Geschäft. Doch richtig Respekt möchte man einem Team nicht entgegenbringen, welches sich entgegen sonstiger Sitten im Revier-Fußball zuschauermäßig sämtliche Butter vom Brot nehmen lässt. So auch beim Hinspiel. Gut 14.000 Zuschauer bedeuteten absoluten Saisonrekord für RWO. Dieselbe Zuschauerzahl kann RWE allerdings bei jedem Heimspiel begrüßen. Auch am 07. November 2004 kamen deutlich mehr Zuschauer aus dem benachbarten Essen, dabei nicht nur zu Lande, sondern auch zu Wasser, als aus dem heimischen Oberhausen, um sich den Grottenkick, den beide Teams beim 1:1 boten, anzutun.

Dabei bringt RWO eigentlich entsprechende Voraussetzungen mit, um ein hohes Potential an sich zu binden. Schließlich ist Oberhausen eine typische Arbeiterstadt und RWO entstieg nach schwerer sportlicher Durststrecke Ende der 80er Jahre wieder wie Phönix aus der Asche der Misere. Schon 1998 stiegen die Kleeblätter wieder in den bezahlten Fußball auf, im selben Jahr schlidderte RWE im furchtbarsten Jahr der jüngeren Vereinsgeschichte in die Oberliga. RWO’s Aufstieg war durchaus beachtlich, schließlich wurde der Klub nach dem Lizenzentzug 1988 (jawohl, das traf auch mal andere als uns) bis in die Verbandsliga (sic!) durchgereicht. Aus der damaligen Oberliga Nordrhein war man zuvor sieglos mit nur drei Pluspunkten (!) abgestiegen, Hans-Werner Moors, der 1989 als Coach an der Hafenstraße anheuerte, schnürte in diesem Jahr sogar noch persönlich die Fußballstiefel. In diesen schnöden Jahren gastierte RWO sogar zum Verbandspokalspiel an der Pelmanstraße, wo der TuS Holsterhausen seine Heimstatt hat, der Stammverein meinerseits. Die Oberhausener, die das Urgestein Ulli Bittorf und den Ex-Essener Detlef Laibach im Team hatte, siegten 2:0 und wurden von knapp 80 Fans supportet.


Es wurde voll beim Hinspiel im Gästeblock, für den diese Bezeichnung
eigentlich unzutreffend ist


Dass man seitdem eine kontinuierliche sportliche Aufwärtsentwicklung zu verzeichnen hat und im Vorjahr sogar an die Tür zur Bundesliga anklopfte wurde freilich kaum honoriert. Sogar zu wichtigen Punktspielen in Liga zwei knackt der Klub oftmals noch nicht mal die 5.000-er-Grenze. Eine Erklärung dafür mag sein, dass Oberhausen nach der sportlichen Talfahrt innerhalb der Stadt einen extremen Negativ-Ruf erworben hat, ähnlich dem unserer Essener nach Lizenzentzug Nummer zwei 1994. Kurzum, RWO schien nicht salonfähig, eine gesamte Generation möglicher Fans wurde davon abgehalten, die Daumen für den Lokalvertreter zu drücken, zeitgleich bahnte sich in Dortmund auch endlich mal ein Erfolgsverein aus dem Revier seinen Weg, auch ein beliebtes Auffangbecken für junge Pott-Supporter.

Ein anderer Erklärungsansatz wird in der geografischen Dreiteilung der Stadt gesehen, die sich aus Alt-Oberhausen, Sterkrade und Osterfeld zusammensetzt und kein wirklich genetisches Stadtkonstrukt darstellt. Oberhausen ist eine typische Stadt des Industriezeitalters und die Bedeutung von Krupp in Essen erlangte dort die Gute-Hoffnungs-Hütte, kurz GHH, auf deren einstigem Gelände sich heute das CentrO erstreckt. Erst nach der Kommunalreform von 1929 wuchsen diese Einzelteile zu großstädtischen Strukturen zusammen, allerdings konnte keiner der Oberhausener Großvereine, neben RWO der Ballspielverein Osterfeld (BVO) und Sterkrade 06/07 ein eindeutiges Zuschauerpotential an sich binden. RWO selber war 1923 aus einem Zusammenschluss des Styrumer Spielvereins 08 (eigentlich ein Mülheimer Verein!) und dem Oberhausener Spielverein entstanden und 1933 in S.C. Rot-Weiß Oberhausen umbenannt worden. Als Erklärung dafür, dass RWO nicht zum Zuschauermagneten in Oberhausen avancierte, nennen die Autoren Frank Dittmeyer und Andre Wigler in der Bibel des Revier-Fußballs „Land der tausend Derbys“, dass der Klub weder ein typischer identitätsstiftender Stadtteilverein noch ein Arbeiterverein war und ist. Zusätzlich sorge die Lage der Spielstätte, das fernab von Wohnsiedlungen gelegene Niederrhein-Stadion, für diverse Ablehnungsprozesse. RWO’s eigentliche Heimat ist Oberhausen-Mitte, wo der Klub noch unter großem Zuschauerzuspruch jahrelang spielte. Der Umzug ins Niederrheinstadion habe dabei letztlich den Verlust einer weiteren Identität und somit weiter schwindende Zuschauerzahlen bewirkt.

Wie auch immer sich diese Situation nun erklären mag, feststeht, Oberhausen bindet nicht so viele Zuschauer an sich wie andere Revier-Vereine. Von den Massen, die nach Dortmund und zum FC Meineid strömen mal ganz zu schweigen, aber auch das Potential, über das RWE verfügt, vermag RWO kaum an sich zu binden. Irgendwie wirkt in Oberhausen alles etwas provinziell. Wenn eine halbe Stunde vor Anpfiff die Teams zum Warmmachen erscheinen, klatschen die dann so etwa 2 bis 3.000 schon anwesenden Zuschauer brav, man bekommt nicht unbedingt den Eindruck, einem Punktspiel im Profi-Fußball beizuwohnen. Erinnert fühlt man sich eher an die Wattenscheider Lohrheide, als an die stimmungsvollen "Kampfbahnen" des Reviers.

Oberhausens Anhänger werden von uns Essenern in liebevoller Verballhornung ihrer Spielstätte und dem Kürzel ihrer Stadt, welches einem Damen-Toilett-Artikel-Hersteller gleicht, die "Kanalratten aus Tampon-City" genannt. Während die rustikalen Nager jedoch die ganze Welt erfolgreich bevölkern, sind ihre menschlichen Namensvetter aus Damenbindenhausen weit weiniger zahlreich vertreten. Nichtsdestotrotz haben sich die Anhänger der Kleeblätter einem besonderen Hobby verschrieben, die anderen, zuschauermäßig weit überlegenen Revier-Klubs bedeuten für RWO-Anhänger ein rotes Tuch, das es aktionär zu bekämpfen gilt. Dabei bedienen sie sich solcher Fan-Aphorismen, wie man sei zwar Wenige aber gut, Uerdingen lässt aufhorchen. Besonders unsere Essener Rot-Weissen sorgen in Oberhausen für dick geschwollene Hälse. So war am Zaun der äußerst überschaubaren Emscherkurve, Heimstatt des „supportenden“ RWO-Anhanges, schon Wochen vor dem Gastspiel von RWE ein Transpi zu lesen, dass den Countdown bis zum Anpfiff des Matches RWO : RWE in Minuten anzeigte und was dementsprechend Woche für Woche aktualisiert wurde. Außerdem beschäftigte man sich in besonders aufregenden Phasen des Langeweilers gegen Dynamo Dresden weitaus mehr damit, dem verhassten Nachbarn aus Essen zu huldigen als das eigene Team zu unterstützen. Woher diese ausgesprochene Wertschätzung des rot-weissen Nachbarn kommt, ist für uns etwas schwer nachzuvollziehen. Deshalb sollten an dieser Stelle auch Oberhausener Anhänger zu Wort kommen, die uns ihre Sicht von RWE vortragen möchten. Dies ist jedoch gar nicht so einfach, denn wie bereits vor dem Hinspiel hat man, wohl aus Angst vor Essener Internetfans, einen Anmeldestop im Forum der RWO-Fans eingerichtet und auch in unserem Forum tummeln sich bislang keine RWO-Fans, die nennenswert auf sich aufmerksam machen. Dennoch haben wir uns ins Forum der Oberhausener "geschlichen", hier einige Beiträge:

von Riddler (RWO-Fans aus Essen):
"Ich kann verstehen, wenn es Leute gibt, die RWE nicht m�gen oder sogar hassen. Es geh�rt naturlich zum Fandasein dazu, andere Vereine nicht zu m�gen, aber wenn es gegen die Stadt geht, kann ich das nicht verstehen. Gerade im Ruhrgebiet, wo die Stadtgrenzen eigentlich sinnlos und ineinander �bergehend sind. Ich wohne in Essen und finde das ganze Ruhrgebiet sch�n, Ich bin stolz hier zu wohnen, was nicht hei�t, dass ich RWE Fan bin und selbst wenn, das kann ich selber entscheiden. Warum gibt es noch Leute, die RWE mit der Stadt Essen und RWO mit der Stadt Oberhausen gleichsetzen und meinen, dass jeder Essener RWE und jeder Oberhausener RWO Fan sein muss."

oder Thomas:
"Wenn der Oldie meint, es w�re schon immer "Hass" zwischen beiden Vereinen gewesen, dann ist das schlicht und einfach falsch. Rivalit�t herrschte immer, das stimmt - aber Hass? Es gab Zeiten, da waren wir Oberhausener, und gewi� auch Du, lieber Oldie, geradezu vernarrt in Ente Lippens, dem Holl�nder, dem besten St�rmer, der je im westl. Ruhrgebiet gekickt hat(und wenn er mal, sagen wir, Wilbertz oder Ohm genarrt hat, dann hasste niemand RWE). Und wie meine Generation Ente liebte, so liebte die Vorg�nger-Generation Rahn oder Herkenrath. ...
Ich bin halt Anhänger von RWO - da ist im Herzen überhaupt kein Platz für die Liebe zu einem anderen Verein, aber auch nicht für Hass gegen irgendeinen anderen Club."

sollten RWO-Fans den Wunsch haben, auch etwas zum Besten zu geben zur Rivalität mit RWE, sind sie natürlich herzlich willkommen.


Nicht mal beim Nachbarschaftsderby gefüllt: die RWO-Kurve


So bemühte sich letztens beim Spiel der Eintracht aus Trier in Essen ein Oberhausener User namens "RWO-Tony" darum, den Trierern in ihrem Forum Applaus dafür abzubitten, dass er plante mit einem Kumpel aus Düsseldorf die Gäste in ihrem Block an der Hafenstraße zu unterstützen, weil bekanntlich zwischen "RWE und RWO eine Fan-Feindschaft" bestehe. Trotz der gigantischen Masse von zwei mitsupportenden Fans aus Oberhausen wollten die Trierer freilich nicht unbedingt in Jubel-Arien ausbrechen. Das verschärfte sich noch, als RWO-Tony kurz darauf erklärte, von seinen Eltern verboten bekommen zu haben (sic!) nach Essen zu fahren, weil diese um Leib und Leben ihres Sohnes in Gegenwart der bösen RWE-Anhänger fürchteten. Diese akribisch geplante Massenbewegung musste also kurzentschlossen wieder abgeblasen werden. Es sind solche brüllend komischen Anekdoten, die das Bild der Oberhausener Anhänger in Essen prägen und das Kindergarten-Feeling aufkommen lassen.

Aber nicht nur Tonys Eltern zeigten sich besorgt. Auch die anderen User des RWO-Forums, die Tony darüber informierte, zeigten sich auf einer Welle mit den Erziehungsberechtigten. Hier einige Auszüge:

"Die kannst ja auch volllabern wenn die dich anzocken! Mit Pech bekommst von beiden Lagern eins aufs Maul! Aber egal!"

"@Tony
Ich empfehle dir und deinem Freund, gepackte Taschen für's Krankenhaus mit zu nehmen. "

"Respekt Tony!
Wenn du mit deinem Freund überlebst, bekommt ihr beide ein Bier von mir!"

"@Tony Ein kleiner Tip. Lass es besser oder willste Samstag im Krankenhaus liegen, anstatt zur Fanparty zu kommen?"

Für die Echtheit dieser Aussagen wird gebürgt. In meiner Zeit als Lehrer an Oberhausener Schulen sind mir die Lehrinhalte, die von der Gefährlichkeit der Fans der Nachbarstadt erzählen, die kleine RWO-Anhänger bei lebendigem leib auffressen, verborgen geblieben, doch irgendwo her muss diese Einschätzung ja kommen.

Auch zuletzt sorgten RWO-Anhänger wieder für Lachsalven beim RWE-Anhang. Im Abstiegsschlager gegen Saarbrücken, zu dem die Gasometer-Städter stolze 3.100 Zuschauer, für die würde man ihm GMS noch nicht mal die Eingangstore öffnen, begrüßen durften, plante man eine "besondere Aktion. 100 lautstarke Anhänger wechseln von den Stehplätzen in den Sitzplatzbereich, um für eine gute Stimmung und Anfeuerung der Mannschaft zu sorgen." Wie sagte daraufhin ein RWE-Anhänger: "Also ich halte die grundsätzlich zugrunde liegende Idee, eine Fußballmannschaft mit Gesängen anzufeuern, für grandios, nein, für geradezu spektakulär! Wenn das von Erfolg gekrönt ist, wird sich diese Idee möglicherweise in ganz Deutschland und auch im europäischen Ausland durchsetzen. RWO kann total stolz auf sich sein!" Schöner kann man es nicht formulieren.
Damit ist alles zum RWO-Anhang gesagt, denn wir wollen nicht mehr Zeit investieren, als Oberhausen Fans aufzubieten hat.

(Aufsteiger2004)



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