Neulich am Stammtisch
Episode XI - "Nur das RWE!"
Geklapper und Geplapper wie im Wiener Café
Sacher zu seinen besten Zeiten. Löffel, Kuchengabeln,
Teller und Kaffeetassen schlugen aneinander. Zudem
war die Akustik der Stadiongaststätte gefüllt
mit nicht endendem Geschnatter von Frauenstimmen.
Der Stammtisch war gedeckt mit Kuchen in allen denkbaren
kalorienträchtigen Variationen: Sachertorte,
Schwarzwälder Kirsch
Aus den Lautsprechern
erklang Udo Jürgens Hit in einer Endlosschleife:
aber bitte mit Sahne!
Girls Day an der Hafenstraße. Wer unsere fünf
Stammtischfreunde hier erwartete, hat jetzt eine Überraschung
erlebt. Auf Anraten eines Eheberaters haben die Protagonisten
dieser Serie ihren inzwischen wegen der häufigen
Abwesenheit der Männer unzufriedenen Ehefrauen
einmal frei gegeben. Sie sollten sich einen schönen
Nachmittag machen. Auf Vereinskosten natürlich.
Aber das tut unserem Wissensdurst nach neuen Informationen
aus dem Leben unserer Stammtischhelden keinen Abbruch.
Oft erfährt man ja durch Ehefrauen mehr über
einen Menschen, als von ihm selber. Man weiß
es doch: Ein Mann ein Wort! Eine Frau
ein Wörterbuch!
Aber schauen wir uns die heutigen Stammtischgäste
näher an und stellen sie zunächst einmal
vor. Denn sie sind den meisten Lesern sicher unbekannt.
Nicole Hirte ist die bessere
Hälfte des RWE-Geschäftsführers Nikolaus
Nicki Hirte. Wer bisher vermutete, dass
hinter jedem erfolgreichen Mann eine engagierte Frau
steckt, sieht sich bestätigt. Nach missverstandenen
biblischen Aussagen hat sich bei manchen das nicht
zutreffende christliche Eheverständnis in den
Köpfen festgesetzt, wonach der Ehemann das Haupt
der Familie ist. Wer Nicole Hirte kennt, weiß,
dass die Frau in diesem Bild der Hals
ist. Und der dreht den Kopf, wohin er will. Was wäre
Nikolaus Hirte ohne seine Nicole?
Ohne Lotte Saltatorius ist auch unser Fanidol
Loddar nicht vorstellbar. Mit ihm gemeinsam hat sie
den Hang zu tiefgründigen philosophischen Überlegungen.
Ansonsten ist sie ständig bei ihm und begleitet
ihn zu seinen stimmungstechnischen Einsätzen
auf die Zuschauerränge. Wenn er auf die Wellenbrecher
steigt, um seinen legendären Schlachtruf ertönen
zu lassen, hält sie ihm die Stange. (Also sorry,
Leute, dies ist eine anständige Serie. Ein Schelm,
wer hinter dieser Formulierung Zweideutiges vermutet.)
Obwohl ihr Loddar als Heuschreck vom Niederrhein
gilt, ist sie keineswegs Lotte, die Schreckliche,
sondern eine herzensgute Seele.
Warmherzig ist auch Rita, die Frau des Vereinspräsidenten
Ralf Hummelmann. Ihr Wesen hat etwas von Gutemine,
der Häuptlingsfrau aus den Asterix-Comics. Zurzeit
muss sie häufig ihrem Mann unterstützend,
ermutigend und tröstend unter die Arme greifen.
Angesichts der sportlichen Situation des Vereins und
den immer noch nicht zu den Akten gelegten Stadionneubauträumen
ihres Mannes muss sie sich aber fragen lassen, ob
sie nicht eher eine Gutemine zum bösen
Spiel ist.
Wilhelmine Mimi Leppins ist, da sich
ihr Mann Willi vehement gegen seinen ursprünglichen
Spitznamen wehrt und sich stattdessen gerne Erpel
nennen lässt, die eigentliche Ente im Hause Leppins.
Komplettiert wird die Runde von Ottilie Heragel.
Mit ihrem Mann, Oddo Herakles Heragel
ist sie weit gereist und welterfahren, kennt die Akropolis
in Athen genau so, wie den Gyros-Imbiss Akropolis
in den Hinterhöfen Altenessens.
Sag mal, Ottilie, ich dachte du
heißt Beate, eröffnete Lotte das
Gespräch.
Das denken alle, erwiderte
die Gefragte, aber da sich nicht mal mein Oddo
meinen Namen richtig merken* kann, ist doch eigentlich
egal, wie ich wirklich heiße.
* = siehe Folge X Zimmer
frei
Das ist aber ganz schön gefährlich.
Wie meinst du das?
Nun, wenn deine griechische
Gottheit im Schlaf irgendeinen Frauennamen murmelt,
kannst du nie sicher sein, ob er nur mal wieder deinen
Namen vergessen hat, oder
Ottilie erbleichte, während die anderen Mädels
süffisant grinsten. Aber schnell fing sie sich
wieder und teile einen scharfen Konter aus: Dein
Mann weiß doch auch nicht, wer gerade bei ihm
am Küchentisch sitzt, Lotte.
Richtig! Man muss wissen, dass es sich
bei Lotte Saltatorius um einen früheren Kinderstar
handelt. Zusammen mit ihrer Zwillingsschwester Liese
verfilmte sie so unnachahmlich Erich Kästners
Doppeltes Lottchen. Liese oder Lotte
wer wusste schon, wen er gerade vor sich hatte? Und
bis heute machten sich die beiden einen Spaß
daraus, ihre Rollen zu tauschen und die Männerwelt
zum Narren zu halten.
Doch bevor das Kaffeeklatschgetratsche in einen Zickenkrieg
münden konnte, durchfuhr alle Stammtischgäste
ein heilloser Schrecken, als aus dem Nichts heraus
eine Stimme ertönte.
Hallo, Mädels!
Hey, wer spricht da?
Die Frauen blickten sich um, sahen aber niemanden.
Na ich, euer Autor!
Unser Autor????
Ja, ich verfasse gerade diese
Episode und versuche eurem Dialog eine konstruktive
Richtung zu geben.
Geht das denn, wenn sich Frauen
unterhalten? Lotte Saltatorius konnte es sich
nicht verkneifen, dem Gespräch eine selbstironische
Note zu verleihen.
O ja, das geht! behauptete
die Stimme im Hintergrund. Mädels, ihr
habt das Schicksal des Vereins in eurer Hand! Frauen
bewegen die Welt. Ihr könnt eure Männer
motivieren, in dieser angespannten Situation nicht
die Köpfe hängen zu lassen. Macht ihnen
Mut, dass sie das Ruder des Vereinsschiffes noch einmal
herum reißen! Auch die Stimmung auf den Rängen
könnt ihr beeinflussen, verändern. Mobilisiert
die Fanmassen!
Wirklich?
Ja! Selbst das Wunder von Bern
wurde durch eine Frau herbeigeführt. Im Film
wars kürzlich wieder zu sehen. Warum wurden
die Deutschen doch noch Weltmeister? Weil plötzlich
Regen einsetzte und der Fritz Walter sein ideales
Wetter hatte? Nein! Weil die Legende stimmte, dass
Helmut Rahn wichtige Spiele nur gewinnen konnte, wenn
ein bestimmter 12jähriger Straßenjunge
im Stadion war und ihm den Ball zuwarf? Nein! Deutschland
wurde Weltmeister, weil die Frau eines Journalisten
eigentlich kein Interesse an Fußball hatte.
Aber sie hatte mit ihrem Mann gewettet, dass sie den
Namen des ersten Kindes aussuchen darf, wenn Deutschland
Weltmeister wird. Als unsere Jungs 0-2 zurücklagen,
erfuhr sie, dass ihr Mann das Kind Roswitha nennen
wollte. Vor Entsetzen fing sie an, die Mannschaft
anzufeuern und das ganze Stadion machte mit.
Das, liebe Mädels, ist die Macht der Frauen.
Die Stimme im Hintergrund zog sich zurück.
Jetzt war es mucksmäuschenstill am Stammtisch.
Aber nicht lange.
Ich hätte da eine Idee,
ließ Lotte verlauten. Mir geht schon lange
der Schlachtruf meines Mannes auf den S
nä, geht nicht also, mir geht schon lange
der Schlachtruf meines Mannes auf den Drops. Was ist
denn das für ein Deutsch, wenn der nach dem Schreck
vom Niederrhein fragt? Nur der RWE! antworten
die Fans. Wird Zeit, dass die mal ein bisschen Grammatik
lernen. Ich frage mich schon lange, was an RWE denn
so männlich ist, dass es der RWE
heißen muss. Die könnten doch auch ganz
neutral Nur RWE! skandieren.
Dann lern uns doch mal Grammatik!
Doch Mimi Leppins verstummte sofort wieder, als Lottes
vernichtender Blick sie traf.
Unser Lottchen hat Recht.
Die Frau des Fanbeauftragten bekam unerwartet Unterstützung
durch Präsidentengattin Rita Hummelmann. Unsere
Männer können sich nicht auch noch um unterstützende
Fankultur kümmern. Bei denen liegen den Nerven
blank. Meiner denkt unablässig an den Stadionneubau.
Stellt euch vor, kürzlich stand er im Bad auf
der Waage und schrie jubelnd: Super! Nur vier
Kilo zugenommen! Meine Diät ist ein voller Erfolg.
Bei der vorletzten Kur waren es noch sieben Kilo Zunahme.
Demgegenüber handelt es sich hier um ein negatives
Minuswachstum. Das ist auf jeden Fall eine eindeutige
Trendwende in die richtige Richtung!
Du musstest ja auch unbedingt
einen Politiker heiraten, warf Nicole Hirte
ein. Auf die Weise kriegt er das Stadion bestimmt
gebaut. Aber zurück zum Thema! Mit dem richtigen
Deutsch ist das so eine Sache. Neuerdings ist es modern,
die inklusive Sprache zu verwenden. Um die Frauen
nicht auszugrenzen, muss zur männlichen Schreibweise
immer die weibliche Form mit genannt werden. Die Texte
kann man schier nicht mehr lesen, wenn da von Präsidenten/Präsidentinnen,
Spielern/Spielerinnen oder auch ohne Schrägstrich
von SchiedsrichterInnen zu lesen ist.
Darüber musst ausgerechnet
du dich aufregen, warf Ottilie ein. Gestern
kam mit der Post die Einladung zur Mitgliederversammlung.
Die hat dein Geschäftsführergatte doch verfasst,
oder?
Ja! Stimmt etwas nicht damit?
Und ob! Liebe Mitgliederinnen
und Mitglieder
hat er die Empfänger
angeredet.
Na und? Das macht man doch heute
so, oder?
Blödsinn! Mitglied
ist grammatisch Neutrum. Wie kommt er drauf, dass
es Maskulinum ist und eine feminine Ergänzung
braucht? Wegen der Endsilbe
er?
Oder wegen der Assoziation mit G
.?
Nun hat er aus dem Singular Mitglied den
Plural Mitglieder gemacht, daran die Form
feminin Singular Mitgliederin angehängt
und daraus noch mal den Plural gemacht: Mitgliederinnen.
Pervers! Mit diesem Urteil
waren sich die anderen Frauen am Stammtisch einig.
Wir sollten solche Formulierungen
nicht so wichtig nehmen und das grammatische Geschlecht
vom biologischen unterscheiden. Kürzlich traf
ich unsere Nachbarin. Sie hatte ihren jungen Hund
dabei. Der ist sooo süß. Mimi Leppins
liebte Tiere über alles. Ihr war es zu verdanken,
dass das uralte Pony, das RWE-Maskottchen aus den
60er Jahren, auf dem Bauernhof der Leppins ein würdiges
Altersdomizil bekommen hatte. Na, wie
heißt denn der Hund? hatte ich meine Nachbarin
gefragt, und die antwortete herablassend: Das
ist eine Hündin! Blödsinn,
finde ich. Das männliche Gegenüber einer
Hündin nennt man Rüde und nicht Hund. Man
sagt ja auch die Giraffe, egal ob es ein
Giraffenbulle oder eine Giraffenkuh ist. Oder habt
ihr schon mal was von einem Girafferich gehört?
Die Frauen schmunzelten. Ottilie aber
setzte noch eins oben drauf. Sie war ein wenig romantisch
veranlagt und hatte zusammen mit ihrem Oddo oft in
lauen griechischen Sommernächten an der Akropolis
gesessen und dem Mond zugeschaut. Ich hatte
meinem Oddo erklärt, dass der Mond
nur in der deutschen Sprache maskulin ist. Im Lateinischen
ist er feminin und heißt la luna.
Quatsch! hat mein Oddo gesagt, Der
Mond ist männlich! Der Mond muss männlich
sein! Erstens heißt es der Mond,
zweitens ist er alle vier Wochen voll und drittens
immer benebelt. Der Mond muss männlich sein.
Und was machen wir nun mit unserem
RWE? wollte Nicole wissen. Ist der Verein
männlich oder weiblich?
Weder noch! erklärte
Lotte. Es ist kein FC, SC oder SV. Also ist
RWE nicht männlich. Aber auch nicht weiblich,
denn es ist keine SG, keine SpVgg, keine Borussia
und keine Eintracht.
Eintracht sowieso
nicht. Rita Hummelmann dachte an so manche Querelen.
Aber was schlägst du vor, Lotte?
RWE ist Neutrum! Jawoll! Das Rot
das Weiß und das Essen. Das müssen
wir den Fans beibringen. Die Antwort auf die Frage
nach dem Schreck vom Niederrhein lautet
nur das RWE!
Hört sich an, als wäre
unser Verein für unsere Männer ein riesengroßes
Spielzeug.
Nicoles Bemerkung stand senkrecht im
Raum. Stille! Die Frauen sahen sich an. Nach und nach
blitzte es in ihren Augen und ein Schmunzeln zeichnete
sich auf die Lippen. Sie wussten, dass es für
ihre Männer genau das war.
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(ks)
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