21.10.2004:
UEFA-Cup, Gruppe A: Herne-Ost - FC Basel
Es soll Fussballfans in Deutschland geben, die freuen sich, wenn ein Verein, den sie sonst nicht mögenn, auf internationaler Ebene gewinnt. Offenbar gehörte ein Grossteil der Besucher der Arena auf Schalke dazu, denn der Heimsieg von Alemannia Aachen gegen den OSC Lille wurde laut beklatscht. Man munkelt sogar, es gäbe RWE'ler, die freuten sich für die Unsäglichen aus GE, wenn sie international erfolgreich sind. Der Schreiber dieser Zeilen möchte jedenfalls klarstellen, dass er sich aufs Allerschärfste von diesen Menschen abgrenzt.
Weil aber das Geld manchmal knapp ist und der FC Basel, der Schweizer Verein, über dessen Fanszene halb Deutschland spricht, nur selten in der Nähe spielt, besuchte man trotzdem die Arena in Gelsenkirchen. Dass heute wahrscheinlich aus ganz NRW Leute da waren, um sich die hochgelobten Basler anzuschauen, konnte man mit einem prüfenden Blick vor dem und im Stadion leicht feststellen. Bereits jetzt kamen erste Zweifel auf, ob dieses "Fanszenen-Gucken" überhaupt sinnvoll ist. Wie dem auch sei, Karten für die Südkurve waren gekauft, und die Plätze, das muss man zugeben, keine schlechten. Weil vor dem Spiel noch genug Zeit war, lief man ein wenig durchs Stadion, wagte mal einen Blick von der Haupttribüne herunter, alles sehr interessant.
Es soll hier nicht darum gehen, den FC Schalke 04 schlecht zu machen, dafür ist an anderen Tagen Zeit. Trotzdem muss man sich die Frage stellen, was dieses Stadion, und überhaupt die gesamte Richtung, die dieser Verein eingeschlagen hat, noch mit dem zu tun haben, was man gemeinhin unter dem Begriff "Schalke" versteht. Erinnert man sich an frühere Besuche im Parkstadion, dass von der Arena ja nur ein paar Meter entfernt vor sich hin rottet, dann denkt man an Erzählungen aus den 80ern, wo bei fast jedem Spiel auch abseits des Platzes die Post abging, wo fast in jedem Busch eine verrückte Kutte auf ihre "Opfer" wartete, man denkt an abgesperrte Gästeblöcke und irgendwie verbindet man das Parkstadion auch mit dem Image des Katastrophenclubs - oder, besonders in Essen, an den Meineidclub.
Doch wir schweifen ab, die Gegenwart und Zukunft sehen anders aus. Aus dem FC Meineid wurde der FC Steril 04, mit einem Stadion, das an alles erinnert, nur nicht an eine Fussball-Spielstaette. Auf elektronische Karten geladenes Geld, ein um das Stadion angelegter Teich und schön hergerichtete Wege stehen sinnbildhaft für das neue Gesicht des Vereins.
Wer den Innenraum der Arena betritt, sieht auf der Gegengerade 10 Meter lange Ein-Mann-Zaunfahnen aus Städten, deren Namen man noch nie gehört hat und von denen man auch lieber gar nicht wissen will, wo sie liegen. Man könnte über diese Zustände lachen, wenn man den FC Schalke nicht mag. Das täuscht aber darüber hinweg, dass diese Transformation nicht die erste und - viel schlimmer - nicht die letzte sein wird. Fussball in Deutschland verändert sich, und es ist jedem selbst überlassen zu bewerten, ob zum schlechten oder zum guten.
In der Schweiz hingegen ist von jeher vieles anders, irgendwie ein wenig ruhiger und gelassener. Einen ganz anderen Eindruck vermitteln die Basler, die bereits das Stadion betreten haben. Mit Sprechchören machen sie auf sich aufmerksam, beflaggen den Gästeblock mit einigen ihrer wirklich ansehnlichen Zaunfahnen und machen schonmal eine kleine Gesangsprobe. Der neue Fussball geht dabei, ganz uninteressiert an den Eidgenossen, seinen weiteren Weg an diesem Abend. Bilder vom Auswärtserfolg der Schalker in München werden auf dem Videowürfel gezeigt, die mittlerweile in der Bundesliga typische "Fan-Show" zur Unterhaltung vor dem Spiel abgezogen, irgendwie lieblos, ideenlos, langweilig.
Weil das Spiel nicht sonderlich interessierte, freute man sich umso mehr auf die sogenannten "Intros" beider Fanszenen. Die Heimkurve zeigte im Block hinter dem Tor eine kleine, aber absolut gelungene Papptafelchoreo, die das Vereinswappen zeigte. Sehr viel interessierter blickte man natürlich in die Kurve der Basler, da diese für ihre pyrotechnischen Exzesse bekannt sind und etwa in Mailand einen vielbeachteten Auftritt hingelegt hatten. Dass es dann überhaupt gar keine optischen Elemente zu sehen gab, verwunderte überhaupt nicht - auf Schalke kriegen Gästefans traditionell überhaupt nichts erlaubt (wir erinnern uns, moderner Fussball..). Das Spiel fängt also endlich an, schnell steht es 1-0 für Schalke, die erwartete Klatsche für den Schweizer Meister bahnt sich an. Die Stimmung auf Seite der Rot-Blauen ist gut, aber auch nicht so überwältigend, wie mancher es sich vielleicht gedacht hatte. Viel schlechter allerdings sieht es auf Seiten der Heimmannschaft aus, ausser einem kleinen Block Supportwilliger hinter dem Tor, die ständing in Bewegung sind, passiert überhaupt gar nichts. Wie man weiss, ist die Stimmung der "Blauen" bei Auswärtsspielen sehr gut, und wieder stellt man sich die Frage, ob dieser Verein mit dem neuen Stadion zu Hause seiner Seele beraubt wurde. Schon 5 oder 10 Minuten nach dem 1-0 vernimmt man wieder erste Unmutsäusserungen, von Europapokal-Atmosphäre nichts zu spüren.
Zur Halbzeit wird der gemeine Zuschauer von Videoeinspielungen unterhalten, als das Spiel wieder anfängt, zündet man auf Schweizer Seite tatsächlich ein bisschen farbigen Rauch und lässt 2 oder 3 Bengalos ein wenig Licht im Stadion aufflackern. Was nun passiert, ist gleich zweimal unbegreiflich: Zuerst einmal stürmt die Polizei, die heute mal wieder einen katastrophalen Auftritt hatte, mal wieder den Basler Block, gehen wieder unverrichteter Dinge raus und positionieren sich dann wieder an den Aufgängen. Faszinierend zu sehen, wie planlos die Polizei reagiert, wenn die Fans mal Paroli bieten. Dass allerdings fast das ganze Stadion das erste Mal lautstark "supportet", wenn es ums "Haut drauf, Kameraden" singen geht, ist zwar in Deutschland wieder mal keine Besonderheit, trotzdem sehr traurig anzusehen. Beim nächsten Mal gibt es dann für die eigenen Fans auf die Mütze, aber das spielt keine Rolle. Wer fährt denn schon zu Auswärtsspielen? Sind doch sowieso nur Chaoten..
Der Rest ist schnell erzählt, Basel schiesst - zum Glück - noch das 1-1, die Polizei entert - zum Glück - wieder ziemlich ergebnislos den rot-blauen Block und die Stimmung ist - zum Glück wengistens auf Basler Seite - noch ganz gut. Ein Riesenrespekt auch an die Masse an Basler Fans, die auf einen Donnerstag (!) mehr Zuschauer mitbringen als mancher Bundesligaclub am Wochenende. Dass es trotzdem nicht der lauteste Auftritt in der Arena war, dürfte wohl auch an den unsäglichen Plexiglaswänden liegen, die die Fans effektiv durchtrennen. Moderner Fussball eben. (dk)
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