02.09.2006: Länderspiel | Deutschland - Irland
1:0 (0:0)
Die WIRen gegen die Iren
Nein, nicht Viren! Obwohl
etwas vom atmosphärischen
Fieber der WM sollte hinübergerettet werden in
die neue Herausforderung, in das neue Projekt Europameisterschaft
2008. Und das gelang. Zwei Pflichtspiele der deutschen
Elf hintereinander am gleichen Ort. Wo die WM erfolgreich
na ja, versöhnlich endete, sollte
das Fundament für eine neue EM-Spielzeit gelegt
werden. Und das Volk machte mit, machte sich die Aufgabe
zu Eigen und sorgte für das Flair. Es spielte
nicht etwa die Deutsche Fußballnationalmannschaft
gegen die irische Elf. Nein, WIR waren präsent.
Es spielte WIRland gegen Irland.
Stuttgart ist viel schöner als Berlin
Stimmt nicht! Die Stadt ist es nicht. Der ortsansässige
VfBäh macht nicht viel her. Seine Fanszene auch
nicht. Und sportliche Großevents sind seltene
Highlights. Doch
der Song, mit dem der dritte Platz im Juli schöngesungen
und der Weltmeister der Herzen gekürt wurde,
klang unwillkürlich im Vorfeld der Partie in
den Ohren. Dass die Begegnung mit den Iren ein ähnlich
schönes Fanfest werden sollte, war beabsichtigt.
Dass es das auch wurde, lag vor allem an den Gästen.
Freundlich, ja geradezu freundschaftlich ging es zu.
Kaum sah man Iren und Deutsche für sich allein.
Überall waren die Fangruppen gemischt, posierten
für gemeinsame Fotos, unterhielten sich angeregt
und prosteten sich zu. Die Atmosphäre
total locker und entspannt. Public Viewing sollte
es auf dem Schlossplatz wieder geben. Mit 70.000 Besuchern
wie bei der WM rechnete man nicht, nur mit 25.000.
Schließlich wurden es nach Polizeiangaben 40.000.
Darunter 5.000 Iren. Die restlichen 10.000 waren im
Stadion. Das Spiel haben die nicht gewonnen, aber
den Sängerwettbewerb.
Ein munteres Völkchen, die Iren
Nein, nicht die Irren! Obwohl
im positiven
Sinne verrückt sind sie schon ein wenig. Der
Stuttgarter Schlossplatz und die Königsstraße
waren vor dem Spiel fest in irischer Hand. Grün
war die vorherrschende Farbe, englisch die vorherrschende
Sprache und irisch die Songs. Die Iren freundlich
und stimmungsmäßig gut drauf, wie die Dänen.
Sangesfreudig und trinkfest wie die Engländer.
Alkohol verpacken die genau so viel, wenn nicht noch
mehr. Im Unterschied zu
den Briten dabei aber weder besoffen noch asozial.
Man muss sich einfach nur wundern. Abgefüllt
bis Oberkante Unterlippe, haben die sich voll im Griff,
können klar denken, reden geradeaus und wenn
sie sich immer noch lächelnd unterhalten, dann
ohne glasige Augen. Man hat den Eindruck, jeder Ire
sei ein wandelndes Zwischenlager für Guinness
auf dem Weg von der Brauerei in die Kloschüssel.
Eigentlich hätte besagtes Guinness ihre Geschmacksnerven
total verätzen müssen. Doch, siehe da, sie
beweisen Sachkenntnis und einen guten Geschmack, meiden
schwäbisch dünnflüssige Biere á
la Stuttgarter Hofbräu, Dinckelacker und Alpirsbacher
und decken sich mit schmackhaftem Becks und Jever
ein.
In der Begegnung mit ihnen war es sogar möglich
den fußballhistorischen Horizont zu erweitern.
Erstaunlich viele Iren liefen in den grün-weiß
quergestreiften Trikots von Celtic Glasgow herum.
Nach dem Grund gefragt waren jedem Iren sofort wie
aus der Pistole geschossen die Infos zu entlocken.
Celtic Glasgow wurde von dem irischen Priester Bruder
Walfrid gegründet, um die Armut im irisch bewohnten
Glasgower East End zu bekämpfen.
Fußball gespielt
wurde auch noch. Dass Irland nicht zum
Kanonfutter der Gruppe D gehört, sondern sich
zusammen mit Tschechien, der Slowakei und der deutschen
Elf um die beiden EM-Fahrkarten kabbeln wird, war
im Vorfeld klar. 27 Jahre lag der letzte Sieg gegen
Irland zurück. Na ja, es gab seither auch nur
drei Spiele. Die Bilanz aller Begegnungen fällt
mit sechs Siegen, drei Remis und fünf Niederlagen
knapp positiv für Deutschland aus. Darunter nur
ein einziges Pflichtspiel das 1:1 bei der WM
2002. Doch diese Bilanz macht deutlich, wie schwer
WIR uns in der Regel gegen diesen Gegner tun. So auch
diese Mal.
Von Anfang an hatte die Deutsche Elf etwas Mühe
in die Partie hinein zu kommen. Die Iren spielten
gleich munter nach vorne. Zum Glück stand die
Abwehrreihe recht stabil. Arne Friedrich hatte den
meisten Anteil daran, dass hier nichts anbrannte.
Manches Mal kamen die Iren gefährlich vor das
Deutsche Tor, doch richtig zwingende Chancen hatten
sie nicht und Jens Lehmann wurde nie ernsthaft geprüft.
Zwischen
der 23. und der 30. Minute drehte unsere Elf dann
auf. Einige hochkarätige Chancen verursachten
aber nur Ansätze von Torjubel, der aber sofort
wieder enttäuscht verstummen musste. Man kann
nicht sagen, dass sie kläglich vergeben wurden.
Es war wie so oft, wenn man viele gute Möglichkeiten
hat, die alle knapp scheitern. Irgendein Schuss trifft
dann doch einmal das Ziel. Aber es sollte in der ersten
Halbzeit noch nicht sein. Nach diesem kleinen Strohfeuer
plätscherte die Partie in der letzten Viertelstunde
wieder vor sich hin. Ein Zwischenfazit: Gut in der
Abwehr. Im Mittelfeld einem gleichwertigen Gegner
gegenüberstehend, der spielerische Vorteile hatte.
Im Angriff mit Podolski und Klose sehr bemüht,
aber noch nicht zwingend gefährlich. Was ist
mit Michael Ballack los? Schon bei der WM hatte es
den Anschein, als würde sein Stern langsam sinken.
Die Akzente setzen andere, Thorsten Frings und Bernd
Schneider sind hervorzuheben.
Nicht viel anders lief es in der zweiten Halbzeit.
Etwas engagierter ging die Mannschaft nun zur Sache.
Hatte wieder die besseren Torchancen. Doch alles Mühen
brachte nicht den erhofften Erfolg. Es ist bezeichnend,
dass der deutsche Führungstreffer durch eine
Standartsituation fiel. Und das auch nur mit Glück.
Ein Freistoß von Lukas Podolski aus 18 Metern
Torentfernung wurde von einem irischen Spieler ins
rechte untere Eck abgefälscht.
Danach gab es noch mehrere Chancen. Unter anderem
setze Klose einen Kopfball an die Querlatte. Einen
weiteren Schuss entschärfte der irische Keeper.
Zweimal scheiterte Schweinsteiger äußerst
knapp. Aber irgendwie hatte man das ganze Spiel über
das Gefühl, das kein weiterer Treffer fällt,
weder auf der einen, noch auf der anderen Seite. Aufgrund
der Leistungssteigerung in der zweiten Halbzeit und
der größeren Chancen ein verdienter Sieg
UNSERER Mannschaft.
Und RWE?
War präsent! Gesichtet wurde die Zaunfahne
von Ekstase Essen. Der virtuelle Fanclub Essen Auswärts
die Ruhrpottschwaben war zu 50% anwesend. Na
ja, die beiden hattens nicht weit. Und auf dem
Rückweg wurde der Autor dieses Beitrages am Hauptbahnhof
angesprochen: Du bist auch aus Essen?
Tja, die Welt ist klein. Mit seiner Frau war dieser
Essener Fan nach Stuttgart gereist. Sie, bekennender
Schalke-Fan. Aber es sei versichert, dass es sich
gewiss nicht um Hans-Rüdiger Eichenbauer und
seine Ilse Hatsevon handelte. Denn das ist eine andere
Geschichte.
Fazit: Jeder, der sich in Essen über die Stadionbratwurst
beschwert, hat in Stuttgart noch keine gegessen.
(ks)
Tor
1:0 Podolski (57., Freistoß)
Deutschland
Lehmann - Lahm, M. Friedrich, A. Friedrich, Jansen
- B. Schneider, Ballack, Frings, Schweinsteiger -
Klose, Podolski
Trainer: Löw
Irland
Given - Carr, Dunne, An. O'Brien, O'Shea - Finnan,
S. Reid, Kilbane, Duff - Keane, Doyle
Trainer: Staunton
Einwechslungen
Deutschland: 76. Neuville für Podolski, 84. Borowski
für B. Schneider
Irland: 77. McGeady für Duff, 79. St. Elliott
für Doyle, 83. Al. O'Brien für Kilbane
Gelbe Karten
Deutschland: Schweinsteiger, Klose, B. Schneider
Irland: S. Reid, Dunne, Given
Zuschauer
53.198 (ausverkauft)
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