Spielbericht: 2. Bundesliga | SC Paderborn - Rot-Weiss
Essen 3:2 (1:1)
Kein Anklang für Anklam
In der wissenschaftlichen Statistik gibt es den
Begriff des Standardfehlers. Zu erklären, was
das genau ist, würde hier zu weit führen.
Nur so viel: Der Standardfehler hängt eng mit
der Standardabweichung und dem Streuungsmaß
zusammen.
Im Fußball, speziell bei RWE, sieht das dann
so aus: Der Gegner bekommt einen Freistoß oder
eine Ecke (Standard), die Essener Abwehr steht irgendwo
im eigenen Sechzehner herum (Streuungsmaß),
jedenfalls
nicht nahe genug am Gegner (Standardabweichung). Und
dann fallen Tore. Standardfehler eben. Schaut man
auf die Häufung (auch so ein Begriff aus der
Statistik) dieser Standardfehler in den letzten RWE-Spielen,
könnte man glatt auf den Gedanken kommen, man
wolle mit den Abwehrpatzern gleich einen neuen Standard
kreieren. So wie man seit 1994 einen "Effe"
statt des Stinkefingers zeigt, bauen Fußballer
vielleicht demnächst einen "Essener",
wenn sie den Gegner bei einer Standardsituation zum
Torerfolg kommen lassen.
Besonders bitter sind solche Gegentreffer, wenn man
dem Gegner aus dem Spiel heraus wenig Gelegenheiten
gibt, sich auszuzeichnen. Über 90 Minuten gesehen,
erlebte das Hermann-Löns-Stadion ein packendes,
kampfbetontes Match, in dem sich beide Mannschaften
fast neutralisierten und die Bühne freigaben
für den eigentlichen Hauptdarsteller, einen 39-jährigen
Buchhalter aus Hamburg namens Matthias Anklam.
Dieser nennt auf der offiziellen DFB-Seite Familie
und Laufen als seine Hobbies, und man ist geneigt
hinzuzufügen: RWE verpfeifen. Daran scheint er
seit dem RWE-Gastspiel in Oberhausen in der vergangenen
Regionalliga-Saison Gefallen gefunden zu haben.
Breiten wir mal gnädig den Mantel des Schweigens
über die vermutliche Schwalbe von Herrn Calik,
für die
dieser kurz vor dem Ende der ersten Halbzeit gelb-rot
sah. Nach dem unberechtigten Elfmeter des vergangenen
Sonntags und der kampagnenartigen Berichterstattung
des Deutschen Quiz...ähh...Sportfernsehens hätte
der junge Essener sich bewusst sein müssen, dass
er unter ganz genauer Beobachtung spielen würde.
Sich im Mittelkreis dermaßen offensiv fallen
zu lassen, egal ob touchiert oder nicht, war ausgesprochen
dämlich.
Andere Szenen regten mehr auf, so sehr, dass selbst
der stets freundliche RWE-Geschäftsführer
Nico Schäfer kurz davor stand, die Selbstbeherrschung
zu verlieren und auf den Platz zu stürmen. Nur
drei der zahlreichen Beispiele:
19. Spielminute: Özbek kommt im gegnerischen
Strafraum zu Fall, rappelt sich wieder auf, wird aber
von hinten durch SCP-Keeper Starke von den Beinen
geholt. Anklam entscheidet auf Freistoß für
Paderborn.
Halbzeitpause: Während RWE-Trainer Köstner
äußerlich ruhig mit dem Referee über
diverse Streitfälle der ersten Halbzeit diskutieren
will, scheint dem Hamburger Unparteiischen deutlich
sichtbar die Hutschnur zu platzen. Wutentbrannt und
mit hochrotem Kopf verweist er Köstner auf die
Tribüne. Neutralität sieht anders aus.
71. Spielminute: Starke fängt einen hohen
Ball an der Strafraumgrenze, landet jedoch, den Ball
noch in den Händen, außerhalb der Markierung.
Der Linienrichter zeigt folgerichtig Freistoß
für Essen an, Anklam übersieht
dies jedoch und pfeift stattdessen Freistoß
für Paderborn, nachdem Kiskanc den Paderborner
Schlussmann von hinten touchiert und dieser sich im
Stile eines Calik über den ostwestfälischen
Naturrasen abrollt.
Genug der Erbsenzählerei. Jeder, der "Arena"
besitzt kann sich die Wiederholung des Spiels selbst
antun und dabei versuchen, die krassen Fehlentscheidungen
des Schiedsrichters zu zählen. Kleiner Tipp:
Block und Bleistift nicht vergessen, denn irgendwann
wird es unübersichtlich ;-)
Zurück zum Spiel: Nach dem Platzverweis gegen
Calik war RWE nicht mehr in der Lage, den Ball kontrolliert
nach vorne zu bringen. Langholz war an der Tagesordnung,
offensive Entlastung, etwa durch Denis Epstein, hätte
gutgetan. Wieso die Einwechslungen (abgesehen vom
Tausch des gelb-belasteten Barut gegen Bemben) erst
so spät im Spiel erfolgten, wird wohl das Geheimnis
Köstners bleiben, der für die Dauer der
zweiten Halbzeit Obdach hinter der Stadionbande, in
Rufweite seines Assistenten Strehmel, gefunden hatte.
RWE steckte zwar nie auf, brachte aber bis auf einen
Fernschuss von Okoronkwo und einen von Starke abgewehrten
Stefan-Lorenz-Kopfball nach vorne wenig zu Stande.
Hinten ließ man aus dem Spiel heraus wenig anbrennen.
Aber die Standards! Grauenvoll, wie oben bereits erwähnt.
Erst konnte Zaza nach einer Ecke nicht gegen Müller
klären (36.), dann wahrte Lorenzon im Luftkampf
nach einem Krupnikovic-Freistoß ehrfurchtsvoll
Distanz zum anfliegenden Djurisic (80.), schließlich
zirkelte Krupnikovic einen weiteren Freistoß
unhaltbar für Zaza ins rechte obere Eck (85.).
Der von Lorenzon in der 90. Minute verwandelte Foulelfmeter
fiel kaum noch ins Gewicht.
Beste
Essener: Danko Boskovic, der mit einem schönen
Seitfallzieher RWE in der 15. Minute in Führung
geschossen und auch sonst durch Einsatz und Spielfreude
überzeugt hatte, sowie der stets ackernde, wenn
auch manchmal zu selbstbezogen spielende Özbek.
War sonst noch was? Ach ja: Offenbar pflegt man in
Paderborn, immerhin Sitz eines katholischen Erzbistums,
seine Gäste mit ganz besonders biblischen Methoden
zu behandeln. Jedenfalls überraschte der SCP
die rund 2.500 mitgereisten RWE-Anhänger beim
Einlass mit einer besonderen Variante der alten Nummer
von Kamel und Nadelöhr: Eine(!) geöffnete
Stahltür, groß wie der Eingang einer Gartenlaube,
machte den Weg frei in den völlig überfüllten
Block. Sollte ich in meinem nächsten Leben als
Huhn wiedergeboren werden, kann ich wenigstens auf
meine seit heute vorhandenen Legebatterie-Erfahrungen
zurückgreifen. Wenigstens hatte die Polizei vorgesorgt
und aus Sicherheitsgründen (vermutlich aus Platzmangel)
gleich sämtliche Stockfahnen verboten, vom großen
Drei-Meter-Schwenker bis hin zum Mini-Fähnchen.
Was man damit alles hätte anstellen können,
machten die Paderborner Fans beim Einlaufen der Mannschaften
vor. Denn die SCP-Anhänger hatten eine nett anzusehende
Fahnen-Choreo vorbereitet. Kunststück. Die hatten
ja auch Platz.
(thm)
.
|
SC Paderborn
Starke Krösche, Djurisic, Brouwers, de
Graef - Sinkala Brinkmann (74. Bröker),
Fischer (54. Krupnikovic), Koen R. Müller,
Schüßler (31. Röttger)
Rot-Weiss Essen
Zaza - S. Lorenz, Kläsener, Hysky, Bieler (83.
Okoronkwo) Barut (58. M. Lorenz), Lorenzon
- Özbek, Kiskanc (79. Bemben) - Boskovic, Calik
Tore
0:1 Boskovic (15.), 1:1 R. Müller (36.), 2:1
Djurisic (80.), 3:1 Krupnikovic (85.), 3:2 Lorenzon
(90., Foulelfmeter)
Zuschauer
7.812
Schiedsrichter
Anklam (Hamburg)
Gelbe Karten
Schüßler, R. Müller, Sinkala, Brouwers,
Krösche S. Lorenz, Barut
Gelb/Rote Karte
Calik
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..... |
Spieler des Spiels
Jawattdenn Spielerbewertung
Zaza |
4
|
S. Lorenz |
4-
|
Kläsener |
4
|
Hysky |
4
|
Bieler |
4-
|
Lorenzon |
3-
|
Özbek |
3
|
Barut |
3-
|
Kiskanc |
4
|
Boskovic |
3
|
Calik |
5
|
M. Lorenz |
3- |
|