Spielbericht: 2. Bundesliga | Rot-Weiss Essen - 1. FC Köln 5:0 (3:0)


Spiegelzeit - oder von Mäusen und Männern

Spätestens am heutigen Sonntag glaubt der gemeine RWE-Fan an Phänomene wie ein Paralleluniversum. Das konnte nicht die Mannschaft von RWE sein, die da soeben 5:0 gegen den 1. FC Köln gewonnen hatte. Keiner glaubte an die Mannschaft, doch so platt die Floskel ist, leben doch Totgesagte länger. Die Vorzeichen waren schlecht. Mannschaft und Fans überwarfen sich nach der Niederlage in Jena und die Konsequenz daraus war, dass die aktive Fanszene jeglichen Support verweigern wollte.

Die Aufstellung der Essener sorgte für Verwunderung. Denis Epstein, der solide bisher die linke Seite besetzte, musste für Ferhat Kiskanc Platz machen und der zuletzt glücklose Okoronkwo wurde durch den ebenfalls selten überzeugenden Danko Boskovic ersetzt. Baris Özbek rückte weiter nach vorne und ersetzte Michael Bemben auf der rechten Mittelfeldseite. Schließlich nahm Barbaros Barut den freien Platz neben Victor-Hugo Lorenzon ein.

Die Antwort der Mannschaft auf die schwierige Woche und den Fanprotest fiel deutlich aus. Mit dem Anpfiff übernahm Rot-Weiss das Zepter und dominierte die Kölner über neunzig Minuten. Erste Angriffe passierten immer wieder, doch der erste gefährliche Abschluss ereignete sich erst in der sechzehnten Spielminute. Calik spielte am Sechzehnmeterraum Kiskanc halbhoch an. Weil dieser Pass in den Rücken des linken Mittelfeldspielers ging, wähnte man den Ball schon verloren, doch dann hob Kiskanc den Ball akrobatisch über sich selbst und schoss Volley auf den Kasten von Stefan Wessels, der keine Chance hatte dieses Pfund abzuwehren. Die Fans trauten ihren Augen nicht, als sie diesen Sonntagsschuss im Netz zappeln sahen. Endlich war das Glück mal auf Essener Seite.

In der Folgezeit war Essen drückend überlegen und spielte beinahe Powerplay auf das Kölner Gehäuse. Die Chance von Danko Boskovic, der frei vor dem Tor stehend versuchte den Torhüter zu überlupfen und scheiterte, soll nur beispielhaft für die Masse an guten Chancen genannt werden. Ebendieser Danko Boskovic besorgte dann die 2:0 Führung. So unglücklich Boskovic in letzter Zeit agierte so brillant spielte er heute. Ferhat Kiskanc kämpfte sich über die linke Seite in den Strafraum und passte auf den Stürmer. Dieser konnte nicht abschließen, weil die Beine der Kölner Abwehr den Weg zum Tor verschlossen hielten. Deswegen schirmte er den Ball ab, drehte sich und versenkte unhaltbar zum 2:0.

Der Jubel war noch nicht ganz verklungen, da lag den Essener Anhängern wieder der Torschrei auf den Lippen. Ein ganz kurisoses Tor war dieses 3:0, das nur zwei Minuten nach Boskovics Treffer fiel. Ein Kopfballtor war es von Serkan Calik, der eine Körpergröße von 1,67 Meter aufweist. Die Kölner Verteidigung um Alpay und Sinkiewicz, die beide schon in ihrer jeweiligen Nationalmannschaft spielten, schaffte es zu keiner Zeit, den wuseligen Stürmer unter Kontrolle zu bekommen und mit diesem Treffer krönte Calik seine Leistung. Der Schiedsrichter pfiff zur Halbzeit und das Publikum war erstaunt über das, was sich da eine Halbzeit langt auf dem Rasen abspielte.

Wer aber Angst hatte, dass die Kölner nun zur zweiten Halbzeit die Oberhand gewinnen würden musste sich getäuscht sehen. Weiter spielte nur RWE, sodass Köln am Ende nicht eine richtige Torchance hatte. Gut für Zaza, dass er „zu Null“ gespielt hat. Heute strahlte er auch bei Flanken und Standards endlich die nötige Sicherheit aus. Lange mussten die Fans auch nicht auf den vierten Treffer warten. Nachdem die Kölner Abwehr es nicht schaffte einen Ball aus dem eigenen Strafraum zu klären ließ Barut sich nicht lang bitten und machte im ersten Spiel von Beginn an direkt das erste Tor für RWE. Danach spielte die Mannschaft Fußball für die Galerie. Die Entscheidung war gefallen und trotzdem erarbeitete sich das Team weitere Chancen. Der schönste Abschluss war wohl der perfekt ausgeführte Fallrückzieher von Danko Boskovic, der nur ganz knapp von Wessels über das Tor gelenkt werden konnte. Den Lohn für seine Mühen holte sich Boskovic dann kurze Zeit später ab, als er stark von Özbek angespielt wurde und nur noch zum 5:0 Endstand einschob.

Selbst die verbissensten Protestierenden unterstützten die Mannschaft nach der Halbzeitpause und die Mannschaft hätte sich nach dem Spiel den verdienten Applaus abholen können. Als Konsequenz aus den Ereignissen von Jena verzichtete diese aber darauf und verschwand sofort in der Kabine. Hier trifft John Steinbecks Unterscheidung zwischen Mäusen und Männern. Ob die Spieler nun zu Männern oder zu Mäusen gehören, darüber streiten sich die Fans. Einerseits hätte sich die Mannschaft, die in letzter Zeit nicht wirklich überzeugen konnte, heute verspielten Kredit zurück erobern können, andererseits wäre ein gemeinsames Feiern, so als wäre nichts passiert, auch nicht überzeugend gewesen. Die Spieler haben sich dazu entschlossen und diese Entscheidung muss man akzeptieren. Worüber man nicht diskutieren kann ist die Antwort auf dem Platz, denn die war die Richtige. Der Kampf war da und die Mannschaft hat gezeigt, dass sie auch spielerisch in der Liga bestehen kann. Jetzt gilt es dies auch in Braunschweig zu bestätigen. Die Gegner kommen auch in Fahrt und die nächsten drei Spiele zeigen, ob dieser Sieg gegen Köln etwas wert war. Für die Fans war der Sieg Balsam auf geschundene Seelen und so kann man den Rosenmontag gebührend feiern.


(hs)


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