Spielbericht: 2. Bundesliga | Rot-Weiss Essen - Spvgg
Greuther Fürth (1:0)
Für die Stadt und den Verein
fahrt doch mal drei Punkte ein. Wer diese
Worte vor dem Spiel gegen Fürth auf zwei Bannern
im Stadion verfasst hat, muss ein weiser Mensch sein.
Während Siw noch mit ihrer Stimme beim Stadionlied
die Fans und Mannschaft zu packenden 90 Minuten einlud,
wurden mit diesem gelungenen Intro auf der Osttribüne
bessere Zeiten prophezeit oder gewünscht. Mehr
als 9.000 Menschen hatten nach den schlechten Leistungen
der Vorwochen immer noch nicht genug und fanden sich
wieder einmal zahlreich im Georg-Melches Stadion ein.
Nur einen Bruchteil machte dabei die angereiste Fanmasse
aus Fürth aus; lediglich rund 30 Anhänger
verirrten sich ins schöne Ruhrgebiet. Der Rest
des Gästeblockes wurde mit einem überdimensional
großen Trikot gefüllt, was aber nicht über
die enttäuschende Anzahl der mitgereisten Fans
hinwegtrösten konnte kaum den Zielen der
Fürther, in der Zukunft im Fußballoberhaus
zu spielen, entsprechend.
Wenig überraschend waren die für den 01.
Dezember viel zu milden Temperaturen. Mehr überraschte
der Blick auf die Aufstellungen. Die angekündigte
Hineinnahme der jungen Wilden alias Kiskanc,
Özbek und Calik wurde tatsächlich vollzogen.
Außerdem spielte erstmalig Bemben im rechten
Mittelfeld. Für ihn rückte Stefan Lorenz
auf die rechte Verteidigerposition, die er vorher
schon mehrmals gelungen gefüllt hatte. Das System
stimmte, denn in den ersten Minuten präsentierte
sich Essen so, wie man es aus vergangenen Zeiten an
der Hafenstraße kannte. Eine enorme Laufbereitschaft
aller Spieler sowie ein merklich vorhandener Kampfeswille
prägten die ersten Minuten, in denen die Fürther
überraschend defensiv begannen.
Dass Fürth über eine hervorragende Abwehr
verfügt, wurde in der Anfangsphase deutlich,
als die Essener zwar drückend überlegen
waren, doch nur aus der zweiten Reihe zu guten Gelegenheiten
kamen. Die beste Chance hatte Özbek, der aus
20 Metern den Fürther Torhüter Mavric prüfte.
Fürth wirkte in den ersten Minuten nicht wie
eine Mannschaft, die den unbedingten Siegeswillen
verspürt. Zudem musste Trainer Benno Möhlmann
nach 29 Minuten zum ersten Mal verletzungsbedingt
wechseln. Erst danach kamen auch die Gäste zu
besseren Aktionen. Doch auch die Essener Abwehr präsentierte
sich stabil und verhinderte so gute Tormöglichkeiten.
Überhaupt schien es keinen bemerkenswerten Unterschied
zu geben. Ein neutraler Beobachter im Stadion hätte
in der ersten Hälfte sogar den Eindruck gewinnen
können, dass Rot-Weiss aktuell im gesicherten
Mittelfeld steht. Knapp 30 Minuten der ersten Hälfte
sangen die Fans allez Rot-Weiss Essen
und feuerten ihre Spieler an.
Diese bedankten sich mit einer guten ersten Halbzeit,
die beinahe sogar mit einer Führung gekrönt
worden
wäre. Abwehrspieler Martin Hysky hatte die wohl
beste Möglichkeit der ersten Hälfte. Nach
einem Eckball (sic!) köpfte dieser freistehend
aufs Fürther Tor, doch Mavric war erneut der
Sieger und lenkte den Ball knapp über die Latte.
In der Halbzeitpause durfte also zufrieden zurückgeblickt
werden, denn eine solche Leistung hatte wohl keiner
der 9.000 Zuschauer nach den Heim-Auftritten gegen
Koblenz und Aue (beide 0:1) erwartet.
Leider konnten die Rot-Weissen in der Anfangsphase
der zweiten Hälfte nicht an die gute Spielweise
der ersten Hälfte anknüpfen. Zwar waren
sie weiterhin läuferisch aktiv, doch kleine Passfehler
bauten die bis dato schwach agierenden Fürther
mehr und mehr auf. Auch das gute Publikum nahm sich
eine kleinere Auszeit und verfolgte das Geschehen
auf dem Platz. Sie sahen, wie Fürth nun das Spiel
in die Hand nahm und sich in der Folgezeit auch Torchancen
erarbeitete. In der 62. Minute war Zaza schon geschlagen,
als Fuchs per Kopf auf das Essener Tor zielte. Glücklicherweise
konnte Bemben ebenfalls per Kopf einen Rückstand
verhindern, der zu diesem Zeitpunkt sicherlich ein
Genickbruch dargestellt hätte.
Essens Trainer Köstner reagierte nun und brachte
mit Boskovic einen dritten Stürmer. Für
ihn musste Bemben den Platz verlassen. Neben Wehlage
und Haeldermans schied also eine dritte wichtige Stütze
im letztjährigen Aufstiegskampf aus, die sich
in der zweiten Liga noch nicht zu recht findet. In
der 68. Minute tauten die Akteure wieder richtig auf,
und der gute Schiedsrichter Schmidt stand nun im Blickpunkt.
Kucukovic war in der Essener Spielhälfte gefoult
worden. Der Schiedsrichter ließ aber keine Behandlung
des Patienten zu, sodass dieser, nach
reichlicher schauspielerischer Aktivität, vor
dem Schiedsrichter aufsprang und seinen Schienbeinschoner
in dessen Richtung warf. Eine Szene, die mit rot bestraft
werden musste, doch Schiedsrichter Schmidt beließ
es bei einer gelben Karte. Möhlmann schützte
vor allen Dingen Kucukovic, als er ihn sofort nach
dieser Szene auswechselte.
Die restliche Fürther Mannschaft spielte allerdings
weniger emotional und überstand so die kurzfristige
hitzige Phase. Beinahe wären sie dann für
25 Minuten Dauerdruck belohnt worden, als
Mijatovic den Ball im Strafraum per Kopf an den Außenpfosten
setzte. Unmittelbar nach dieser Szene war auch für
Kiskanc Schluss. Paulo Sergio bekam für 25 Restminuten
das Vertrauen des Trainers. Mit ihm konnte sich Rot-Weiss
nun ein wenig aus der Umklammerung des Gegners lösen.
Unter großartigem Freitagabend-Support der Fans
gelang es den Rot-Weissen, die Fürther vom eigenen
Tor fern zu halten. Dennoch wirkte es nicht so, als
wenn aus diesem Spiel noch mehr als ein Punkt gewonnen
werden könnte. Falsch gedacht!
Fünf Minuten vor dem Ende lenkte Boskovic einen
Schuss von Stefan Lorenz unhaltbar ins Tor. Das 1:0
bedeutete einen Torjubel, vergleichbar mit dem des
Siegtreffers in der vergangen Saison gegen Wuppertal
(3:2). Anders als gegen Paderborn oder Jena verstanden
es die Rot-Weissen, diesen Führungstreffer zu
verwalten und nicht noch kurz vor dem Ende einzubrechen.
Damit bewiesen sie mentale Stärke, die zu Hause,
gepaart mit der Laufbereitschaft und dem Willen in
jedem Zweikampf alles zu geben, für viele Punkte
sorgen könnte.
Was nach dem Spiel passierte ist eigentlich unbeschreiblich.
Rot-Weiss Essen steht im Keller der Tabelle und hat
nun 12 Punkte auf dem Konto. Als die Mannschaft sich
für die gute Unterstützung bedanken wollte,
forderte das Publikum sie zum Hinsetzen
auf. Zwar ist die Humba mittlerweile fester Bestandteil
vieler Bundesligamannschaften, doch nur selten wird
sie so emotional zelebriert. Die Mannschaft und beide
Stehtribünen zogen mit und bewerteten das Spiel
mit der Bestnote Oh wie ist das schön!.
Auch Trainer Köstner wurde nach dem Spiel gefeiert,
hatte er doch mit seinen riskanten Geniestreichen
erst die Grundlage für das verbesserte Auftreten
geschaffen.
Was
ist das Fazit eines solchen Spiels? Die Hoffnung kehrt
zurück nach Essen. Die schwarze Serie ist beendet.
Köstners Umstellungen, die Berücksichtigung
der jungen Spieler und seine Art, die Mannschaft zu
motivieren, machen neugierig auf das, was kommen wird.
Fakt ist, dass die vergangenen Wochen gezeigt haben,
dass in der Winterpause personell nachgerüstet
werden muss. Wenn Köstner bei den potentiellen
Verpflichtungen nur ansatzweise einen ähnlichen
Riecher wie vor diesem Spiel beweist, können
wir uns auf eine interessante und spannende Rückrunde
freuen. Bis dahin sind allerdings noch zwei sehr schwierige
Spiele in Burghausen und zu Hause gegen Duisburg zu
absolvieren. Es wäre wünschenswert und wichtig,
dass RWE aus diesen beiden Spielen Punkte mitnimmt.
Für die Stadt und für den Verein - und vor
allen Dingen für die Zukunft an der Hafenstraße.
(tp)
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Rot-Weiss Essen
Zaza - S. Lorenz, Kläsener, Hysky, Bieler - Lorenzon,
Bemben (65. Boskovic), Özbek (89. M. Lorenz),
Kiskanc (76. Paulo Sergio) - Löbe, Calik
Spvgg Greuther Fürth
Mavric - Judt, Kleine, Mijatovic, Achenbach - Adlung
(28. Schröck/81. Oehrl), Andreasen, Fuchs, Caillas
- Timm, Kucukovic (71. Reisinger)
Tore
1:0 Boskovic (86.)
Zuschauer
9.067
Schiedsrichter
Schmidt (Stuttgart).
Gelbe Karten
S. Lorenz, Calik - Kucukovic
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Spieler des Spiels
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