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12.06.2006 - USA - Tschechien 0:3 in Gelsenkirchen


Okay, ein ganz klein wenig mulmig war es am Anfang dann doch. Das Spiel der Gruppe E zwischen den USA und der Tschechischen Republik lief unter höchster Sicherheitsstufe. Angeblich – so hieß es hinter vorgehaltener Hand – hätten die Amis sogar 100 Soldaten und einige Panzer gut getarnt in der Nähe des Stadions in Bereitschaft – für den Fall der Fälle....

Auf dem Weg von der A2-Ausfahrt GE-Buer zur „Veltins“-Arena – in der Tat waren mehrere solcher Hinweisschilder von der FIFA nicht überklebt worden! – zerstreute die lockere Volksfeststimmung schnell alle düsteren Gedanken. Auch in der unmittelbaren Umgebung der Spielstätte war kein verdächtig starkes Polizei- oder Sicherheitsaufgebot zu beobachten – statt dessen mischten sich zahlreiche neutrale (deutsche) Fans und sogar ein paar Anhänger mit irischen (!) Fanhüten unter die erwartungsfrohen Anhänger.

Die Einlasskontrolle war dann auch erstaunlich lax: Kurzes Abtasten, kein Zeigen des Perso erforderlich, obwohl die 100 Euro teure Karte meiner Person fest zugeordnet war. Aber als wollte er mir zeigen, dass das elektronische Netzwerk dennoch perfekt steht, sagte der Kontrolleur beim elektronischen Ticket-Check nur: „Geboren 1957, oder?“



Man mag ja als alter RWE-Fan eine Hassliebe oder sogar einen wirklichen Hass zum nördlichen Reviernachbarn pflegen. Doch ist das Ensemble aus neuem Stadion, altem Parkstadion und dem genau dazwischen gepflanzten Marriott Courtyard Hotel schon ziemlich einmalig in Deutschland. Da die neue Arena leicht erhöht steht – von manchen Höhen des Essener Südens (Überruhr, Kupferdreh) ist das Dach bei klarem Wetter deutlich zu sehen – wirkt sie auf mich wie ein Tempel des Fußballs. Einem WM-Spiel allemal würdig.

Innen war es in diesem Tempel denkbar stickig. Der erste Blick ging hoch zur Decke: Blauer Revierhimmel schien hindurch, die FIFA hatte ihre Ankündigung also doch nicht wahr gemacht, das Dach wegen vermeintlich besserer Fernsehbilder schließen zu lassen. Die Sauna-Temperaturen sanken dennoch kaum, denn das „FIFA WM-Stadion Gelsenkirchen“ ist halt viel mehr eine Halle als ein Stadion. Und draußen war es selbst im Schatten gut 30 Grad.

Erste Eindrücke aus Reihe 14 im Block C1 der Nordtribüne: Keine leeren Blocks, dafür rot, soweit das Auge reicht. Die Tschechen klar in der Mehrheit, sie okkupierten die ganze Ostkurve bis unters Dach und auch im Westen machten sich große Blocks mit dem Schlachtgesang „Cesi do Toho!“ bemerkbar.
Ein größerer amerikanischer Fanblock wurde nur am Übergang zwischen Ost und Südtribüne hör- und sichtbar. Auf der links oberhalb liegenden Ehrentribüne wurden neben dem gestürzten Schalke-Übervater Rudi A. und dem Fast-Totengräber des BVB (Gerd N.) unter vielen anderen noch Michel Platini, Tschechiens Staatschef Vaclav Claus und natürlich unser aller Kaiser Franz gesichtet.


Links von mir hatte sich US-Fan Joseph Somerville bereits mit allem Nötigen fürs Match eingedeckt. Ein kühles Budweiser und zwei German Bratwurst stimmten den 1,75 Meter großen und sicher deutlich über 130 Kilo schweren Mann aufs Match ein. Joseph und seine Landsleute rundum tippten schon vor dem Spiel auf Tschechien, doch beim Abspielen der Nationalhymne schmetterten alle (mit der Hand korrekt über dem patriotischen Herz) inbrünstig mit. Insgesamt hofften sie, dass die amerikanischen Tugenden vielleicht doch für ein kleines Wunder sorgen könnten.



Tschechien spielte wie erwartet ohne den noch leicht verletzten Milan Baros, der nur beim Aufwärmtraining zu bewundern war. Die Augen der Bundesliga-Dauergucker focussierten die beiden Nicht-mehr Borussen Koller (zu Monaco) und Rosicky (zu Arsenal) sowie David Jarolim vom HSV. Bei den schwarz gekleideten Amerikanern spielten zwei aktuelle BL-Spieler: Torwächter Kasey Keller (M‘gladbach) und Steven Cherundolo (96). Aber auch Kapitän Claudio Reyna (lange Jahre bei Wolfsburg) und Offensivkraft Landon Donovan (Ex-Leverkusen) waren Fixpunkte in einer ansonsten eher weniger prominenten Truppe.

Schon in der 5. Minute dann der erste Tiefschlag für die Amerikaner: Zdenek Grygera von Ajax Amsterdam tankt sich auf der rechten Außenseite bis fast zur Grundlinie durch, flankt beherzt nach innen und Kopfball-Ungeheuer Koller nickt in wohlbekannter Manier ein: 1:0. Joseph neben mir bleibt vor Schreck fast die Wurst im Halse stecken, er hatte von diesem „tall guy“ Koller vorher noch nie etwas gehört. Die Amerikaner tun sich vorne mit ihren Spitzen McBride und Donovan gegen die solide tschechische Abwehr schwer, erobern sich aber in der 11. und 13. Minute (McBride und Reyna) die ersten Chancen - verhaltenes „U-S-A“ von den Rängen. Die Tschechen lassen die Amis nun etwas kommen, von dem späteren Spielhelden Rosicky ist noch kaum etwas zu sehen. In der 23. Minute geht die erste La Ola durchs weite Rund – wenn sich schon auf dem Rasen nichts tut, müssen Fans sich halt selbst feiern.

Dann kommt in der 28. Minute Reyna (Spitzname „Captain America“) frei auf Höhe der Strafraumgrenze zum Schuss - und trifft den linken Pfosten! Es sollte die größte Chance für die Amerikaner bleiben. Zumal nun die große Zeit der Zaubermaus Tomas Rosicky beginnt: In der 36. Minute geht sein Fernknaller unhaltbar rechts oben ins Netz – 0:2. Dabei dreht er sich wie der Schuss von Thorsten Frings (4:2 gegen Costa Rica) immer mehr nach außen weg – und wird so für Keller unerreichbar. Dann bald darauf der Moment, bei dem ganz Tschechien der Atem stockt: Koller dringt auf der linken Seite in den Strafraum ein und fällt ohne direkte Einwirkung seines Gegenspielers zu Boden. „Wenn der Koller liegenbleibt, hat er wirklich was“, tönt es links oberhalb von mir, während die Fans aus Prag, Brünn und Pardovitz seinen Namen vieltausendfach skandieren. Auf der Bahre geht es für den lange verletzten Koller aus dem Stadion. Schon am nächsten Tag wissen wir mehr: Muskelfaserriss – maximal sechs Wochen, minimal zehn Tage Pause.



Pause – Joseph Somerville macht sich auf zum Bunkern von Speis und Trank. Erst in der 60. Minute sollte er mit drei Getränken (zwei Bier und einer Cola) und ein paar Laugenbrezeln von seinem Ausflug zurückkommen. Auch wir hatten uns auf einen kleinen Fußmarsch begeben, um eigens einen Stand mit deutschem Bitburger anzusteuern. Den hatten wir uns vorher auf der Internet-Seite bitburger.de ausgeschaut, wo es für jedes Station genaue Lagepläne aller Bit-Tränken gibt. Das lange Warten in der Schlange kostete uns zwar auch gut fünf Spielminuten der zweiten Hälfte, doch rann die Eifelaner Kaltschale weitaus mundiger durch die Kehle als das geschmacksneutrale Bud des FIFA-Generalsponsors Anheuser Busch.

Doch zurück zum Spiel: Auf dem Grün spielt nun Vratislav Lokvenc von Red Bull Salzburg anstelle von Koller – der staksige Laufstil des zweiten Sturmhünen erinnert stark an Englands Peter Crouch und den Ex-RWEler Francis Kioyo. US-Coach Bruce Arena versucht mit O‘Brien und Johnson neuen Schwung in seine Truppe zu bekommen, doch sollte es für seine Boys noch schlimmer kommen: Erst trifft Rosicky in der 68. - sozusagen als Vornwarnung - nur die Latte, dann klingelt es in der 76. zum dritten Mal bei Keller: Turins Pavel Nedved – eigentlich nach der EM 2004 schon aus der Nationalelf zurückgetreten – schickte mit gepflegtem Pass eben jenen Rosicky auf die Reise. Und der bedankt sich mit einem herrlichen Schlenzer aus vollem Lauf – da darf sich Arsenal auf einen freuen! Damit war die Partie natürlich gelaufen – das sah wohl auch „Kaiser Franz“ so, der unmittelbar nach dem 3:0 seinen Platz fast fluchtartig verließ und zum Helikopter nach Hannover (Ghana-Italien) eilte.



Die letzten Minuten tröpfelten so dahin. Zeit, um US-Fan Joseph noch etwa auszufragen: „Ich wohne während der WM bei einem Freund in Arnsberg im Sauerland, a super place“, schwärmt er. „Von hier aus schaue ich mir noch zwei Spiele an: Argentinien-Niederlande in Frankfurt und USA-Ghana in Nürnberg.“ „Und danach geht es bestimmt nach Hause, oder?“ „Nein, zunächst fliege ich erst noch nach England, zum Wimbledon-Turnier, Damen und Herren“, antwortet der 38jährige, der in Los Angeles für die amerikanische Version der TV-Gameshow „Glücksrad“ tätig ist. Den ganzen Jahresurlaub habe er für diese beiden Top-events genutzt, sagt der sportbegeisterte Mann mit der wenig sportlichen Figur stolz: „Erst am 4. Juli fliege ich in die Staaten zurück, und am Tag darauf geht es gleich wieder mit der Arbeit los.“

Schlusspfiff: Joseph nimmt die Niederlage gelassen: „Diese Truppe ist zumindest besser als die von 1990, wo fast nur Studenten aus New Jersey kickten“, stellt er fest und schreit ein beherztes „We come back!!“ heraus. Zum Abschied wollen wir dann noch wissen, warum sich der Fußball in den USA immer noch so schwer tut. „Der Hauptgrund liegt darin, dass die hungrigen Kids aus den Unterschichten immer noch Basketball und American Football bevorzugen. Anders als in Brasilien und Afrika gilt soccer (so nennen die Amis unseren Fußball) nicht so sehr als Chance, der Armut in den Ghettos der Vorstädte zu entrinnen“, hat Joseph scharf analysiert. „Soccer ist mehr eine Sportart der Mittelschicht, der etwas besser gestellten Kreise.“

Zwei Impressionen, die an diesem warmen Abend in Gelsenkirchen noch hängenblieben, sollen hier nicht verschwiegen werden: Da ist Trainer Karel Brückner, dieser grauhaarige Grandseigneur des Fußballs, der Pavel Nedved, seinen verlängerten Arm, umarmt. Er tut es sehr lange und sehr väterlich, als ob er wüßte, wem er neben Rosicky den Sieg zu verdanken hat. Mit den Tschechen ist zu rechnen, doch treffen sie im Achtelfinale entweder auf Brasilien oder Kroatien. Und wenn Koller dann noch fehlt – ob es dann reicht?

Und später noch die friedlichen Szenen in der Bar und im kleinen Biergarten des Marriott-Courtyatd-Hotels. Amis und Tschechen lassen das Spiel noch einmal sacken, friedlich wie den ganzen Nachmittag über. Gezapftes (hier durfte es dann doch Veltins sein) gab es auf den Frischluftplätzen jedoch nur aus Pappbechern. Grund: Drei Tage zuvor waren hier nach Polen-Ecuador ziemlich viel Gläser zu Bruch gegangen. Aus Frust über ein unerwartetes 0:2!


(tmi)


WM-Gruppe E
USA – Tschechien 0:3

Keller – Cherundolo (ab 46. Johnson), Pope, Onyewu, Lewis – Mastroeni (ab 46. O’Brien), Reyna – Beasley, Convey, Donovan, McBride (ab 77. Wolff)

Cech – Grygera, Jankulovskio, Rozehnal, Ujfalusi – Galasek, Poborsky (ab 82. Polak), Rosicky (ab 86. Stajner), Nedved, Plasil, Koller (ab 45. Lokvenc)

Schiedsrichter: Carlos Amarilla (Paraguay), Zuschauer: 52.000 (ausverkauft)
Tore: 0:1 Koller (5.), 0:2 Rosicky (36.), 0:3 Rosicky (76.)

Gelbe Karten: Onyewu, Reyna – Grygera, Lokvenc, Rosicky, Rozehnal