Vorschau: 35. Spieltag | Rot-Weiss Essen - FC St.
Pauli
Geld regiert die (Fußball-)Welt auch
auf dem Kiez?
Wer mag sie nicht, die Davids, die
gegen einen übermächtigen Gegner, "Goliath",
bestehen müssen. David fliegen sofort
sämtliche Sympathien zu, unabhängig davon,
welchem Verein sonst die Daumen gedrückt werden.
Der Druck auf Goliath nimmt zu, denn er
kann mehr als nur einen Kampf verlieren. Bei einer
Niederlage "Goliaths folgen für gewöhnlich
Hohn und Spott, während David den
Kampf in den meisten Fällen unbeschadet übersteht.
Gäbe es eine Idealtypen des Davids
im deutschen Fußball, wäre es wohl der
FC St. Pauli. Der Verein lebt mit dem Bild des Schmuddelklubs,
des ewigen Außenseiters und der
einzigen Thekenmannschaft im Profibereich.
Der Ruf könnte gar nicht schlechter sein, aber
gerade das ist die große Stärke des FC
St. Pauli. In der jüngeren Vergangenheit feierte
der Klub vom Kiez Erfolge, von denen andere
Traditionsvereine nur träumen können.
In der Saison 1995/96 spielt der FC St. Pauli in der
1. Bundesliga. Am 1. Spieltag gelingt direkt der Sprung
auf Tabellenplatz 1. Die Presse steht Kopf, am Ende
schafft der Kiezklub sensationell den Klassenerhalt.
Nur ein Jahr später muss St. Pauli wieder den
Weg in Liga 2 antreten. Nur 4 Jahre danach spielt
der Hamburger Stadtteilklub wieder im Oberhaus, in
welchem am 06.02.02 der frischgebackene Weltpokalsieger
Bayern München mit 2:1 am Millerntor geschlagen
werden kann. Sicherlich präsentieren sich die
Bayern in der schlechtesten Form der letzten 10 Jahre,
dennoch hätte es gegen den späteren Absteiger
für einen ungefährdeten Sieg reichen müssen.
Mittlerweile in der Regionalliga Nord ansässig,
reißen die Sensationsmeldungen um den FC St.
Pauli nicht ab. Der Verein schafft es bis in das Halbfinale
des DFB- Pokal, nachdem der Deutsche Meister und Pokalsieger
2004, der SV Werder Bremen, mit 3:1 ausgeschaltet
wurde. Endstation war, wie so oft, Rekordmeister Bayern
aus München, der die Träume der Hanseaten
mit einem 3:0 Sieg zerplatzen ließ. Trotzdem
hat der FC. St Pauli wieder einmal auf sich aufmerksam
gemacht und die Herzen vieler Fußball- und Nichtfußballfans
erobert.
Was der FC. St. Pauli aus den letzten Erfolgen gelernt
hat, ist vor allem die richtige Vermarktung des Klubs.
Dabei ist gerade das Wort Kommerz auf
dem Kiez im Zusammenhang mit Fußball besonders
verpönt. Die Anhänger sind stolz auf das
Image des etwas anderen Klubs und wehren
sich hartnäckig gegen den Ausverkauf ihres Vereins,
der nach dem Bundesligaabstieg 2002 oft vor dem finanziellen
Aus stand. Doch auch in der Hansestadt hat man erkennen
müssen, dass der kleine Stadtteilklub im kommerziellen
und medialen Zeitalter des Fußballs angekommen
ist.
An vielen Orten sind die braunfarbigen Utensilien
zu erkennen, angefangen bei den "Retter-"
T-Shirts über den Trikots bis zu den berühmten
Kapuzenpullovern mit dem typischen Merkmal des Kiezklubs,
dem Totenkopf. Als es vor drei Jahren um die Rettung
des Klubs ging, erklärte sich ausgerechnet der
FC Bayern München zu einem Benefizspiel bereit,
welcher für viele Anhänger von St. Pauli
der Inbegriff des kommerziellen Fußballs in
Deutschland ist. Immer wieder outen sich Prominente
aus Film und Fernsehen, Anhänger des Kultklubs
St. Pauli zu sein. Wenn in Deutschland die größten
Fanszenen aufgelistet werden, befindet sich der FC.
St Pauli in den Top 10 vor vielen aktuellen Bundesligaklubs.
Wie moderne mediale Inszenierung aussieht, ließ
sich gut nach dem Pokalsieg gegen den SV Werder Bremen
beobachten. Die Mannschaft und der Vorstand waren
zu Gast in der J. B. Kerner- Show, die
auch schon mal Spielmanipulator Robert Hoyzer zu Gast
hatte. Dort wurde in einer lockeren Runde offen über
die Homosexualität von Präsident Corny Littmann,
über die weiblichen Anhänger mit besonderen
Autogrammwünschen auf nackter Haut und über
den Drogen- und Alkoholkonsum auf den Tribünen
gesprochen - natürlich immer mit der Betonung
darauf, dass dieser Klub anders als alle
anderen ist. Andere Vereine hätten es wohl aufgrund
von mangelndem Interesse auch nicht in das öffentlich-rechtliche
Fernsehen geschafft.
Spricht da etwa der Neid eines Fans, dessen Verein
in den Medien wenig präsent war und ist? Absolut
nicht, denn das allgemeine Interesse um die so genannten
Kultklubs nervt. Ob in Mainz, in Dresden
oder auf dem Kiez, das Leder rollt auch dort nur mit
den entsprechenden finanziellen Mitteln. Die Besonderheiten
eines Vereins macht in erster Linie das direkte Umfeld,
also die Anhänger aus, welche in dem Kreislauf
des Geldes zu kurz kommen.
Trotz dieser harten Kritik freut man sich in Essen
auf den FC. St. Pauli, der keine Chance mehr auf den
Aufstieg in die 2. Bundesliga hat. Alex Löbe
fällt aufgrund seiner gelb-roten Karte im Hamburgspiel
aus. Dennoch dürfte der Sieg gegen den HSV II
für den nötigen Rückenwind sorgen,
um die letzten Aufgaben erfolgreich bestehen zu können.
Bei einem Sieg können sich die Verantwortlichen
von Rot-Weiss so gut wie sicher sein, dass sich die
Vereinskassen auch ohne große mediale Aufmerksamkeit
wieder füllen werden.
(pd)
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Blick zurück - Das Hinspiel
Tore
1:0 Michel Mazingu (46.) / 2:0 Fabian Boll (57.) /
3:0 Felix Luz (89.)
FC St. Pauli
Hollerieth - Lechner, Morena, Gunesch, Joy - Boll
(83. Palikuca), Schultz, H. Brückner - Arifi
(89. Sulentic), Mazingu-Dinzey (72. Shubitidse) -
Luz
Rot-Weiss Essen
Langerbein - Bemben, Ristau (84. Boskovic), S. Lorenz,
Nikol - Wehlage (58. Stoppelkamp), M. Lorenz, Haeldermans,
Kiskanc - Löbe, Younga-Mouhani
Gelbe Karten
Joy, Morena (FC St. Pauli) / Löbe, Langerbein
(Essen)
Schiedsrichter
Franz-Xaver Wack
Zuschauer
18.773
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EVAG Infos zum Spiel
Es werden 14 E-Wagen-Gelenkzüge und zwei Straßenbahnen
eingesetzt. Da mit einem höheren Zuschaueraufkommen
gerechnet wird, stehen acht weitere Gelenkzüge
zur besonderen Verfügung, die im Bedarfsfall
eingesetzt werden.
Hinfahrt
E-Wagen ab Essen Hbf
11.30 Uhr bis 13.30 Uhr alle 10 Minuten
Straßenbahn ab Hbf
12.28 Uhr und 12.38 Uhr über Linienweg 101 zum
Ehb / L106 (Bf E-West) zum Ehb
E-Wagen ab Kray Sparkasse
12.02 Uhr und 12.32 Uhr
Rückfahrt
wie immer an allen bekannten Haltestellen
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