Vorschau: 22. Spieltag | Rot-Weiss Essen - Fortuna
Düsseldorf
Die Zeit des Wartens ist vorbei
Die Winterpause gilt als natürlicher Feind
eines jeden Fußballfans. Hat er sich gerade
an den wöchentlichen Rhythmus der Spieltage gewöhnt,
bricht der Anbeginn der spielfreien Zeit über
ihn hinein. Bedauerlicherweise muss er dabei feststellen,
dass weder Entscheidungen über Auf- und Abstieg
getroffen wurden noch eine Welt- oder Europameisterschaft
in der bitterkalten Phase des Jahres auf ihn wartet.
Gerade für die hartgesottenen RWE-Fans hätte
der Beginn der Winterpause nicht ungünstiger
sein können: Eine Serie von 13 Punkten aus den
letzten fünf Spielen bedeutete nicht nur den
2. Platz in der Regionalliga Nord, sondern sorgte
zudem für eine Euphoriewelle, wie sie zuletzt
bei der erfolgreichen Rückrunde der Aufstiegssaison
2003/04 zu spüren war.
Dabei war erst ein Monat nach dem enttäuschenden
Auftritt der Essener beim Mitkonkurrenten FC St. Pauli
(0:3) vergangen, der die gesamte Fanszene in tiefe
Depression stürzte. Erstmals wurde eine mögliche
Entlassung des Trainers Uwe Neuhaus von einer breiteren
Masse gefordert. Mitte Dezember schien es so, als
ob die Einheit zwischen Fans, Trainer und Mannschaft
völlig wieder hergestellt war. Aber, wie alle
wissen, so ist es halt im Fußball. Doch die
Winterpause ersetzt Euphorie, Begeisterung und Jubel
durch Trostlosigkeit, Tristesse und
genau: Spekulationen.
Die ganze Fanszene beschäftigt sich mit den Fragen,
ob der Aufstieg in die 2. Liga erreicht werden kann,
wer die größten Konkurrenten sein werden
und ob der Rasen im Georg- Melches- Stadion immer
noch grün sein wird. Manche aberwitzige Diskussion
lässt allerdings die Vermutung zu, dass bei einigen
der konsumierte Alkohol auf diversen Silvesterpartys
immer noch nachwirkt. Aber, auch das wissen alle,
gehört dies genauso zum Fußball dazu.
Dass die Winterpause jedoch keine Zeit der kompletten
Untätigkeit ist, zeigen vor allem die Aktivitäten
auf dem Transfermarkt. Hier konnten die RWE-Verantwortlichen
gleich zweimal erfolgreich zuschlagen. Schon vor dem
Jahreswechsel wurde Daniel Stefulj vom Zweitligisten
Paderborn 07 verpflichtet. Auch wenn einige Fans anderes
vermuteten, ist Stefulj nicht der große Unbekannte.
Er absolvierte insgesamt 35 Erst- und 112 Zweitligaspiele
für Hannover 96, 1. FC Nürnberg und Paderborn
07 und erzielte dabei 17 Tore. Weiter spielte er zweimal
für die kroatische Nationalmannschaft. Wegen
Differenzen mit Paderborns Trainer Jos Luhukay konnte
er beim SC kaum Fuß fassen. Da der derzeitige
Erfolg des SC Paderborn in der 2. Liga dem Trainer
am Ende doch Recht gab, blieb dem gebürtigen
Kroaten nur der Wechsel in die Ruhrmetropole. Er soll
vor allem eine Alternative zu Abwehrspieler Ronny
Nikol sein, der seine spielerischen Qualitäten
aufgrund regelmäßiger Verletzungen kaum
unter Beweis stellen konnte. Ansonsten gilt Stefulj
als Defenisvallrounder, was der gesamten Mannschaft
sicherlich sehr zu Gute kommt.
Wesentlich spektakulärer erwies sich die Verpflichtung
von Stürmer Arie van Lent, der von Frankfurt
aus seinen Weg nach Essen fand. Neben den starken
Konkurrenten aus Siegen und Offenbach, die mit RWE
um seine Verpflichtung buhlten, gab es Ungewissheit,
ob Frankfurt den 35-Jährigen trotz fehlendem
Ersatz die Freigabe erteilen würde. Doch Frankfurts
Trainer Funkel gab der Bitte van Lents nach, der einen
Wechsel nach Essen aus persönlichen Gründen
dem Kampf um einen Platz in der Startelf vorzog. Warum
diese Personalie die Fans euphorisierte, ist einfach
zu erklären. In 120 Bundesligaspieler erzielte
van Lent 27 Tore, in Liga 2 65 Tore bei 135 Spielen.
Mit 16 Toren in der letzten Saison trug er wesentlich
zum Aufstieg der Eintracht in das Fußballoberhaus
bei. Beim RWE soll van Lent den am Kreuzband verletzten
Alex Löbe ersetzen und für mehr Flexibilität
im Sturm sorgen. Die Rolle des Knipsers
sollte er trotz seines hohen Fußballalters erfüllen.
Beiden Neuzugängen bleibt zu wünschen, dass
sie sich schnell in Essen einleben und einen gelungenen
Einstand an der Hafenstrasse feiern können.
Nicht nur die hochkarätigen Neuverpflichtungen
sorgen für eine elektrisierende Vorfreude, sondern
auch der Gegner aus Düsseldorf verspricht einen
heißen Start in die restliche Rückrunde.
Fortuna Düsseldorf wurde in den letzten Jahren
zu einer Art Ersatzrivalen. Das liegt
zum einen an der geographischen Nähe zur Landeshauptstadt,
zum anderen an den sportlichen Wegen beider Mannschaften,
die sich trotz zeitweise unterschiedlicher Ligazugehörigkeit
immer wieder kreuzten. Ein weiterer Punkt ist die
zweipolige Einteilung der beiden Fanszenen in politische
Extremgruppen, welche bei beiden Vereinen nicht zutreffend
ist und eher dem jeweils anderen Fanlager als Provokation
dient. Doch dieses Duell bietet auch wieder eine sportliche
Brisanz, die beiden Traditionsvereinen gerecht wird.
Während der RWE an die Tür zur 2. Liga klopft,
sorgte Fortuna Düsseldorf mit einer beeindruckenden
Serie in der gesamten Liga für Aufsehen. Nach
einem verpatzten Start von 4 verlorenen Spielen sah
es zunächst so aus, als ob der Kampf gegen den
Abstieg die sportliche Realität bestimmen sollte.
Mit dem Sieg gegen RW Oberhausen und der einsetzenden
Serie von acht Spielen ohne Niederlage konnte das
Saisonziel nach oben korrigiert werden. Ein Höhepunkt
war der Auftritt beim Tabellenführer Holstein
Kiel, der erst in der Nachspielzeit gegen zehn Düsseldorfer
den Ausgleich erzielen konnte. In dieser Phase rechneten
Fußballexperten sogar mit der Möglichkeit,
dass Fortuna den Sprung nach ganz oben schaffen könnte.
Doch durch eine 0:5 Klatsche in Osnabrück am
20. Spieltag muss dies wohl ausgeschlossen werden.
So bleiben der Fortuna ein sicherer Platz im oberen
Mittelfeld und die Rolle als Favoritenschreck.
Zudem sorgte die positive Serie für einen Optimismus
im gesamten Umfeld.
Die gleiche Brisanz und Spannung wie in der Hinrunde
(4:2 für RWE nach 0:2 Rückstand) erhoffen
sich beide Lager auch für das Rückspiel
an der Hafenstraße. Die Grundlage hierfür
ist allemal gegeben. So erwarten die Verantwortlichen
des RWE neben 2.500 Düsseldorfer Gästen
über 15.000 eigene Fans. Es erging in den letzten
Tagen ein Aufruf durch die Presse, dass sich alle
Zuschauer möglichst früh für dieses
Spiel eine Karte sichern sollen. Die Haupttribüne
wurde bereits als ausverkauft gemeldet. Dazu kommt
noch die unvergleichbare Atmosphäre eines Flutlichtspiels,
welche die Temperatur im Stadion zum Siedepunkt ansteigen
lässt. Auch aus dem Trainingslager wurden fast
ausschließlich positive Nachrichten vermeldet.
Keines der Testspiele wurden verloren, bis auf die
Verletzten Stefulj und Bilgin, die dennoch regelmäßig
Trainingseinheiten absolvieren konnten, sind alle
Spieler an Bord. Zudem konnte am letzten Sonntag das
ARAG- Pokalspiel beim Oberligisten Bocholt 2:1 entschieden
werden.
Wie wichtig ein Sieg gegen Düsseldorf wäre,
ist jedem im Umfeld von RWE klar. Nur mit einem guten
Auftakt kann die Euphorie rund um die Hafenstrasse
erhalten und das Saisonziel Aufstieg in
Sichtweite bleiben. Jetzt bleibt es bei dem Team zu
zeigen, dass aus der oft kritisierten Mannschaft der
Hinrunde eine echte Spitzentruppe geworden ist. Damit
wäre nicht nur die Zeit des Wartens beendet,
sondern vermutlich auch die Zeit der Spekulationen.
(pd)
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Wann?
Wer spielte?
Tore?
Zuschauer?
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05. August 2005
Fortuna Düsseldorf:
Nulle - Heeren (75. Kizilaslan), Eraslan (80. Wolf),
Cakir, Bürk (72. Steegmann) - Lambertz, Scharpenberg,
Kruse, Albertz - Podszus, Melunovic
Rot-Weiss Essen:
Langerbein - Bemben, Thorwart, S. Lorenz, Nikol -
Wehlage, M. Lorenz (46. Horz), Haeldermans, Kiskanc
- Younga-Mouhani (85. Ristau), Boskovic
1:0 Jörg Albertz (11.) / 2:0 Marcel Podszus (17.)
/ 2:1 Michael Bemben (35.) / 2:2 Michael Bemben (47.
/ FE) / 2:3 Holger Wehlage (53. / FE) / 2:4 Michael
Bemben (87.)
18.749
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