Spielbericht: 26. Spieltag | Rot-Weiss Essen - Hertha
BSC II
Die Heimserie hält an
Für einen Fan ist es sicherlich recht angenehm,
mit dem Gefühl leben zu können, dass sein
Team zumindest im eigenen Stadion derzeit unschlagbar
scheint. Noch angenehmer wird es, wenn die Mannschaft
scheinbar nicht nur unschlagbar ist, sondern nicht
einmal ab und an Punkte durch Unentschieden verliert.
Und wenn das Team dann auch noch auswärts regelmäßig
punktet, sollte man meinen, dass der Fan wenig zu
meckern hat.
Doch weit gefehlt. Wenn man nur lange genug sucht,
findet man ja immer ein Haar in der Suppe. Selbst
wenn man an der Hafenstraße zwölf Siege
in Folge einfahren konnte, an der Tabellenspitze liegt
(zwar mit 2 bzw. 3 Spielen mehr als die Konkurrenz,
die ihre Nachholspiele auch erstmal gewinnen muss)
und alles nach Zielerreichung Aufstieg
aussieht, wird gepfiffen, gemeckert und vereinzelt
der Kopf des Trainers gefordert - zuletzt so geschehen
am Samstag beim Spiel gegen die Amateure von Hertha
BSC.
Die 1:0-Hinspielniederlage gehörte mit dem Auswärtsspiel
gegen St. Pauli sicherlich zu den unrühmlichen
Negativ-Höhepunkten der Hinrunde. Gegen die Hertha-Defensive
mit dem Routinier Andreas Schmidt und dem überragenden
Christopher Samba fand RWE im September in Berlin
kein probates Mittel um zum Erfolg zu kommen.
Doch inzwischen sind Samba und Schmidt gerngesehene
Gäste in der 1. Mannschaft der Berliner, in der
durch Sperren und Verletzungen aktuell Personalnotstand
herrscht. Sie standen somit am Samstag nicht zur Verfügung.
Ebenso konnte Gästetrainer Karsten Heine nicht
auf die Talente Chahed, Kevin Boateng (dessen jüngerer
Bruder gestern für die Berliner auflief) und
Dejagah zurückgreifen.
Sehad Salihovic und Christian Müller, die eigentlich
auch zum erweiterten Kreis der Profimannschaft gehören,
kamen erst in der zweiten Halbzeit zum Einsatz.
Bei RWE wurde die von vielen Fans herbeigesehnte Umstellung
auf zwei Stürmer vorgenommen. Danko Boskovic
spielte erstmals von Beginn an, an der Seite von Arie
van Lent. Außerdem ersetzte Tim Gorschlüter
den verletzten Haeldermans im offensiven Mittelfeld.
Der formschwache Younga-Mouhani fand sich unterdessen
auf der Bank wieder und auch Ali Bilgin musste noch
bis zur 62. Minute auf sein Comeback warten.
Das Spiel fing recht ordentlich an. RWE übernahm
schnell die Kontrolle und dominierte eine halbe Stunde
lang mit den im Mittelfeld überragenden Lorenzon
und Gorschlüter die Partie. Dicke Kopfballchancen
durch Lorenzon und van Lent blieben ungenutzt bzw.
wurden hervorragend vom Gästetorwart vereitelt,
während auf der Gegenseite der wohl beste Berliner
Chinedu Ede nach einem Konter freistehend im Essener
Strafraum nur das Außennetz traf.
Nun steigerte sich die Berliner Defensive und verstand
es, die Essener Mittelfeldspieler, bei denen gleichzeitig
die Laufbereitschaft deutlich zu sinken schien, besser
in den Griff zu bekommen. Die Folge: Den Abwehrspielern
boten sich weniger Anspielstationen und vor allem
die Innenverteidiger Thorwart und Lorenz mussten sich
den Ball oftmals einige male hin- und herschieben,
ehe sich ihnen die Möglichkeit bot, einen Pass
nach vorne zu spielen.
Das erzeugte bei vielen anwesenden Zuschauern wiederum
Unmut, den einige auch mit Freude öffentlich
machten: Es wurde, wie oben angesprochen, gepfiffen,
auf den Trainer gemeckert und sich über die eigene
Mannschaft lustig gemacht.
Sicherlich ist es für den Zuschauer nicht besonders
packend, wenn zwei Spieler 30 Sekunden lang Doppelpässe
vor dem eigenem Strafraum ohne jeglichen Raumgewinn
spielen, aber man sollte doch bitte bedenken, dass
auch beim Gegner 11 Spieler auf dem Feld stehen, und
die besonders bei den Amateur-Teams von Profi-Vereinen
taktisch sehr gut ausgebildet sind.
Außerdem stellt sich die Frage, ob man, wenn
man jeden quer gelegten Ball mit höhnischem Gejohle
begleitet, die Spieler nicht unnötig verunsichert
und damit auch noch die Falschen trifft?
Die Innenverteidiger können jedenfalls herzlich
wenig dafür, wenn sich die Mittelfeldspieler
nicht anbieten. Und lang nach vorne geschlagene Bälle
wollten die Zuschauer nach den letzten Wochen wahrscheinlich
auch nicht unbedingt sehen.
Trotzdem konnte sich RWE unter dem wenig nachvollziehbaren
Gebaren einiger Fans noch zwei gute Möglichkeiten
erspielen, doch weder ein Schuss von Wehlage aus spitzem
Winkel noch ein Versuch von Gorschlüter von der
Strafraumgrenze fanden ihr Ziel. So ging es nach einer
zumindest streckenweise ordentlichen ersten Hälfte
in die Halbzeitpause.
In der 2. Halbzeit konnte RWE dann den eindeutig glücklicheren
Start für sich verbuchen. Denn während einige
Fans noch in der Schlange zum Halbzeitbierchen standen,
konnte sich Holger Wehlage kurz nach dem Anpfiff auf
der rechten Seite durchsetzen und mustergültig
auf den im Strafraum lauernden van Lent flanken, der
sein erstes Kopfballtor für Rot-Weiss erzielte.
In der Folgezeit kontrollierte RWE das Spiel eindeutig,
ohne größere Chancen herausspielen zu können.
Erwähnenswert eigentlich nur noch die neue Variante
des Wechselgesangs über drei Tribünen (Rot
Weiss Essen), welche zumindest
kurzzeitig für etwas Stimmung sorgte, aber doch
etwas überstrapaziert wurde. Die gelb-rote Karte
für den Berliner Robert Müller nach wiederholtem
Foulspiel und das Comeback von Ali Bilgin nach 5 Monaten
Verletzungspause gehörten ebenso zu den Highlights
der zweiten Hälfte.
Dieser konnte nach seiner Einwechslung aus dem Spiel
heraus zwar keine nennenswerten Akzente mehr setzen,
markierte aber, nachdem der ebenfalls eingewechselte
Calik in der 88. Minute im Strafraum vom Berliner
Torhüter Stuhr-Ellegard von den Beinen geholt
wurde, per Elfmeter mit dem 2:0 die endgültige
Entscheidung. Eigentlich hatte sich schon der etatmäßige
Schütze Michael Bemben den Ball geschnappt, überließ
diesen dann aber dem von den Fans geforderten Bilgin,
der sicher verwandeln konnte.
Jetzt geht es nach Münster, wo man in den letzten
Jahren eigentlich immer ganz gut ausgesehen hat.
Verzichten muss man dabei auf Michael Bemben, der
wegen eines angeblichen Ellbogenschlags gegen einen
Berliner in der 1. Halbzeit seine bereits 10. gelbe
Karte gesehen hat und somit gesperrt ist.
Zu unterschätzen ist die Mannschaft der Preußen,
die unter ihrem neuen alten Coach Hans-Werner Moors
immerhin die letzten 3 Partien gewinnen konnte, zwar
nicht, trotzdem sollte es sich um eine, für RWE,
lösbare Aufgabe handeln.
Und wenn auswärts wieder nur ein Unentschieden
geholt wird - auch kein Beinbruch - daheim gewinnen
wir anscheinend ja eh gegen Alles und Jeden.
(hh)
|
Tore
1:0 Arie van Lent (48.) / 2:0 Ali Bilgin (90. / Foulelfmeter)
Rot-Weiss Essen
Maczkowiak - Bemben, Thorwart, S. Lorenz, Nikol -
Lorenzon - Wehlage (87. Özbek), Gorschlüter,
Kiskanc (62. Bilgin) - van Lent, Boskovic (73. Calik)
Hertha BSC Berlin II
Stuhr-Ellegaard - Krecidlo, R. Müller, Wallschläger,
Bieler - J. Boateng (46. C. Müller), Hube - A.
Covic, Hoeneß, Ebert (77. Stachnik) - Ede (63.
Salihovic)
Gelbe Karten
Bemben, Lorenzon (Essen) / Krecidlo, Ebert, Stuhr-Ellegaard
(Berlin)
Gelb-rote Karten
R. Müller (Berlin)
Schiedsrichter
Dr. Felix Brych
Zuschauer
9.424
|
|