Spielbericht: 22. Spieltag | Rot-Weiss Essen - Fortuna
Düsseldorf
So wie einst Eisballerina Katharina Witt
Die lange Vorfreude auf dieses Spiel fand kurz vor
Anpfiff seinen Höhepunkt. Die Tribünen,
ob für Gast oder Gastgebenden, waren endlich
gefüllt, die Atmosphäre im Stadion erwartungsfroh
und trotz eisiger Temperaturen einladend.
Gerade diese Temperaturen sorgten noch bis kurz vor
Anpfiff für riesige Spekulationen. Würde
gespielt, ob Bundesliga-Referee Dr. Franz Xaver Wack
nicht doch noch absagt? Obwohl die Platzkommission
24 Stunden vor dem Spiel "grünes Licht"
gab, schien es beinahe so, als wenn dieses Thema mehr
Menschen in seinen Bann ziehe, als im Endeffekt das
Spiel selbst. Kurz vor Beginn des Spieles fielen bereits
sechs Partien dem winterlichen Tiefwerten zum Opfer,
zu allem Überfluss setzte in Essen abermals der
Schnee ein, Erinnerungen an das Spiel gegen Erfurt
wurden wach.
Doch es wurde tatsächlich gespielt. Der Blick
auf die sich warm machenden Spieler beider Mannschaften
verriet schon vor dem offiziellen Beginn der Derbyveranstaltung,
dass die Entscheidung zu spielen, "grenzwertig"
war. Jeder Ball versprang, ähnlich wie schon
im Pokalfight gegen Bocholt. Sogar jeder Versuch der
technisch begabten Spieler den Ball unter Kontrolle
zu bringen, scheiterte meistens mit dem Verspringen
des selbigen. Genau diese Unberechenbarkeit des Platzes
machte die Sache noch spannender. Die ca. 16.000 Essener
im Stadion waren größtenteils nicht sicher,
ob es nicht doch ein Reinfall werden würde. Ein
Glücksspiel lag in der Luft.
Pünktlich um 19.30 Uhr war es dann soweit. Nachdem
die Düsseldorfer provokant mit "Wir würden
nie zu den Toten Hosen gehen..." und "Viva
Assindia" begrüßt wurden und diese
ihre Pyroshow beendet hatten, pfiff Wack an. In den
ersten Minuten merkte man den Spielern an, dass sie
sich mit diesem Boden überhaupt nicht anfreunden
würden. Selbst ein Spieler wie Younga-Mouhani
stellte sich als höchste Priorität, Standfestigkeit
zu erlangen, sekundär dann parallel den Ball
zu beherrschen. Verließ er diese Regel, sprang
dabei die erste Großchance heraus, die leider,
wie auch anders, mit einem Ausrutscher endete. Doch
es wurde deutlich, Rot-Weiss nahm den Kampf um dieses
Spiel zuerst an.
Dabei auffällig, wie oft Neuzugang Arie van Lent,
der beinahe peinlich euphorisch von den Essenern begrüßt,
vielmehr bejubelt wurde, als erste Anspielstation
gesucht wurde. Aufgrund seiner allseits bekannten
Kopfballstärke, war es kaum verwunderlich, dass
diese Anspiele meistens auf seinen Kopf funktionierten.
Leider, recht verständlich nach der kurzen Eingewöhnungsphase,
fanden seine Kopfballweiterleitungen nicht den richtigen
Mann. Dennoch machte es Spaß zu sehen, wie ein
so erfahrener Mann das Bild des Essener Angriffspiels
direkt an sich riss.
Von Düsseldorfer Seite gab es aus der ersten
Halbzeit kaum was zu berichten. Zwar bemühten
sich die Spieler, ins Spiel zu finden, doch blieben
fast alle Angriffe in der gut funktionierenden Hintermannschaft
der Essener stecken. Einmal wurde es gefährlich,
doch der Schuss aus der zweiten Reihe verpasste um
einige Meter das Essener Tor. Für die größte
Aufregung in der ersten Halbzeit, sorgten in der 37.
Minute der Schiedsrichter in Co-Funktion mit Holger
Wehlage sowie seinem Gegenspieler, Oliver Barth. Dieser
schien Holger Wehlage aus vollem Lauf gefoult zu haben,
doch der Unparteiische entschied anders und verwarnte
Wehlage wegen einer angeblichen Schwalbe, wodurch
Holger Wehlage das Spiel gegen Oberhausen von draußen
beobachten muss, da es seine fünfte war. Eine
sehr zweifelhafte Szene.
Danach beruhigten sich die Gemüter auf Platz
und Tribüne, doch wenigstens waren die Essener
Fans nach dieser Aktion etwas aufgetaut. Ein Rezept
um etwas Wärme in diesem Kühlschrank zu
transportieren, lieferte ein Pulk an Fans, der zu
Beginn der zweiten Halbzeit mit einer Wunderkerzenchoreographie
etwas fürs Auge bot. Unverändert kamen beiden
Teams nach dem Wechsel wieder.
Aggressiver und bissiger präsentierten sich die
Rot-Weissen gleich in den ersten Minuten nach dem
Wechsel. Die Düsseldorfer fanden scheinbar gar
keine Mittel, um sich bei diesen Platzverhältnissen
recht zur Wehr zu setzen. Je länger die Partie
lief, desto weiter ließen sie sich in die Defensive
drängen. Essens Führung lag in der Luft.
In dieser Phase hatte Trainer Uwe Neuhaus das nötige
Quäntchen Glück, der dem stupidem Eisschach
die Wende bescherte. In der 57. Minute kam mit Calik
ein kleiner, wuseliger Spieler aufs Feld. Dieser wirbelte
gewohnt eifrig, verwirrte trotz rutschigem Geläuf
die komplette Hintermannschaft der Düsseldorfer
mehrmals.
13 Minuten nach seiner Einwechselung war es dann
der bis dahin blasse - Younga-Mouhani, der nach einer
schönen Flanke von Kapitän Haeldermans zum
1:0 einköpfte. Viele Fans hätten ihn nach
seiner enttäuschenden ersten Halbzeit sicherlich
direkt in der Kabine gelassen. Dies war ein Befreiungsschlag
oder auch der Genickbruch, je nach dem, aus welcher
Sichtweise man es betrachtet. Sechs Minuten später
jubelte der Großteil der rot-weiß gekleideten
Fans erneut. Dieses Mal beendete der eingewechselte
Calik einen Angriff, den man getrost in die Kategorie
Lehrbuchreif" einordnen kann. Erneut setzte
Mac hierbei Akzente, als er sich auf der rechten
Seite gegen zwei Gegenspieler durchgesetzt hatte und sicherlich auch selber hätte einschieben
können. Doch mannschaftsdienlich, clever und
spielerisch klüger spielte er im richtigen Moment
ab. 2:0 für Essen, die Entscheidung.
Eine Fortuna, die überhaupt nicht in Essen angekommen
war, gegen eine kompakte Essener Mannschaft, die vorne
stark, in der Abwehr selbstsicher das Spiel zu Ende
schaukeln kann - was sollte noch passieren? Nichts!
Selten gab es ruhigere Derbys. Erinnert man sich an
die letzte Saison zurück, so ist es schon ein
wenig verwunderlich, wie weit diese Mannschaft trotz
der Flut an Neuzugängen ist. Uwe Weidemann attestierte
zu recht, dass "Essen verdient gewonnen hat"
und Otto Rehagel war voller Lobeshymnen für den
Einkauf des Jahres. Arie van Lent, sicherlich noch
nicht der Torgarant, den alle in ihm sehen, war ganz
sicher eine Bereicherung fürs Essener Spiel.
Nicht nur seine Kopfballgefährlichkeit und die
Garantie im Sturm, immer eine Anspielstation zu finden,
macht ihn Gold wert, sondern die Tatsache, dass sich
alle Abwehrspieler der Liga in Zukunft vor allen Dingen
auf ihn konzentrieren werden.
Die Räume, die neuen Freiheiten, die ein Younga-Mouhani,
Calik, Boskovic oder auch das sonstige Team haben
werden, ist die Chance für Rot-Weiss. Dieser
Spieltag könnte der Anfang einer guten Rückrunde
gewesen sein - zumindest unterstützt dieses gewonnene
Spiel die neue Euphorie an der Hafenstraße.
Es gilt, ob in Oberhausen, gegen Wuppertal oder in
Leverkusen diese Euphorie in positive Energie umzuwandeln.
Sollte dieses gelingen und das Team sich noch weiter
finden, wird es für jeden anderen Verein der
Liga schwer, am Ende vor Essen zu stehen.
(tp)
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Tore
1:0 Mac Younga-Mouhani (71.) / 2:0 Serkan Calik (77.)
Rot-Weiss Essen
Maczkowiak - Bemben, Thorwart, S. Lorenz, Nikol -
Lorenzon - Wehlage (84. Stoppelkamp), Younga-Mouhani,
Haeldermans, Kiskanc (57. Calik) - van Lent (88. Boskovic)
Fortuna Düsseldorf
Deuß - Cakir, Eraslan (78. Pusic), Barth, Heeren
- Böcker - Lambertz, Albertz, Cebe (78. Canale)
- Podszus, Feinbier
Gelbe Karten
Bemben, Wehlage (Essen) / Cakir, Lambertz, Feinbier
(Düsseldorf)
Schiedsrichter
Dr. Franz-Xaver Wack
Zuschauer
18.150
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