Spielbericht: 13. Spieltag | SG Wattenscheid 09 -
Rot-Weiss Essen
Ich pfeif auf den Punkt...
Mit 5.000 Zuschauern rechneten die Vereinsverantwortlichen
in Wattenscheid, es sollten 10.000 werden. Einen sehr
großen Anteil davon hatten die Essener Anhänger.
Diese waren bis auf die aktiven Fans auf der Haupttribüne
meist leise (was durch das fehlende Dach über
den Stehplätzen wohl noch verschlimmert wurde),
wurden nur zur Halbzeit und nach dem Schlusspfiff
lauter.
Dass die deutsche Mentalität mittlerweile weggeht,
von einer bedingungslosen Unterstützung einer
Sache hin zur Unzufriedenheit und Nörglerei,
konnte man schon nach dem zugegeben schwachen Spiel
der Nationalelf gegen China erkennen. Gnadenlos wurden
dort die ohnehin schon verunsicherten Kicker ausgepfiffen.
Nicht anders, vielleicht eine Stufe gravierender gestern
in Wattenscheid.
Dabei spielten die Rot-Weissen nicht einmal schlecht,
fanden aber gegen die Abwehrreihen des Gastgebers
kein wirkliches Mittel. Die Angriffsbemühungen
der Mannschaft endeten meistens am gegnerischen Sechzehner.
Kalt dagegen die Wattenscheider. Nach einer ersten
Großchance, Langerbein rettete in letzter Sekunde,
war es einer der wenigen offensiven Leistungen der
Wattenscheider in Halbzeit eins, die zum 1:0 der Heimmannschaft
führte. Mike Terranova nutzte einen Stellungsfehler
in der Rot-Weissen Hintermannschaft aus.
Dieses 1:0 passte dem 09er-Trainer gut ins Konzept.
Die Defensive wurde fortan gestärkt und die Angriffsbemühungen
aufs Minimalste reduziert. Dennoch kämpften die
elf Spieler aus Essen weiter. Als Younga-Mouhani plötzlich
das 1:1 schoss, war bei den Zuschauern eine deutliche
Erleichterung zu spüren. In der Leichtathletik-Arena
an der Lohrheidestraße muss selbst der Fußballfachmann
mehrere Sekunden suchen, um den Schiedsrichter-Assistent
mit gehobener Fahne zu entdecken. Dieses bedeutet
Abseits und somit ging es mit einem 0:1 in die Kabine.
Für viele Zuschauer war der Pausenrückstand
so unerträglich, dass sie ihrem Unmut freien
Lauf ließen. Ein Akt, der in Essen wohl leider
langsam zum Alltagsbild gehört.
Hinterfragt sich der Einzelne, wenn er pfeift? Kaum
zu verstehen, was diese Art der Äußerung
bezwecken soll. Erhofft man sich dadurch Verbesserung?
Hilft es einer Mannschaft, die noch Tage zuvor für
mehr Unterstützung appellierte? Jeder hat ein
Recht auf Meinungsäußerung. Wenn es sein
muss, dann soll man auch pfeifen! Allerdings gehört
dies wohl kaum zur Definition eines Fans.
Gespielt wurde nach 15-Minütiger Unterbrechung
auch wieder. Ganze 8 Minuten brauchten die Rot-Weissen,
in denen sie merklich dominierten und mit einem Löbe-Schuss
aus 7 Metern auch die beste Chance besaßen,
bis nach einem Sololauf des vielerorts kritisierten
Holger Wehlage, der Wattenscheider Matlik unglücklich
zum 1:1 ins eigene Tor einschob. Der Torschütze
will aus verständlichen Gründen nicht genannt
werden, war die humorvolle Reaktion des Stadionsprechers,
der uns mit zig Hymnen über das kleine Wattenscheid
erst verwöhnte, später aber mehr quälte.
Wenigstens für ein paar Minuten herrschte so
was wie Stimmung im weiten Rund und einige versteinerte
Mienen der so unzufriedenen Fanschar veränderten
sich ein wenig zum freudigen Gesichtsausdruck. Musste
man ja auch mehrere Minuten für die Bratwurst
anstehen und sich dann auch noch an dem freien Sonntag
solch ein Spiel antun.
Der Druck der Essener auf dem Platz überdauerte
jedenfalls die tolle Phase der Zuschauer
auf den Tribünen. 20 Minuten später wurde
dann ein neues hätte-wenn-und-aber
geboren. Michael Bemben versuchte gleichzeitig den
Ball anzustoppen, weiterzuspielen und wegzudreschen.
Das Resümee aus dieser Aktion war ein freistehender
Terranova, der diese Gelegenheit nutzte und zum 2:1
für die SG traf. Hätte Bemben den Ball getroffen
und über die Haupttribüne geschossen, vielleicht
wäre es zu einem Rot-Weissen Sieg gekommen. Vielleicht!
Für viele Fans war dies zu viel des
Guten. Klar, die Essener hatten das Spiel gemacht
und waren auch die bessere Mannschaft, doch was erlauben
sich die ach so gut verdienenden Spieler nach zweiwöchiger
Pause? Folgerichtig musste auf Platz 3 stehend der
Trainer stuhlzersägende Sprechchöre hinnehmen.
Die Schnauze voll und schon wieder
so ein Jahr wie das Letzte!, da muss mit pfeifenden
Zuschauern gerechnet werden. Warum diese nicht einfach
das nächste Mal auf ihrem Sofa zu Hause liegen
bleiben, ist deren Geheimnis, doch bringen diese Zuschauer
bei einem Auswärtsspiel weder Geld in die Essener
Vereinskasse, noch die nötige Unterstützung.
Schon beinahe hämisch gegen die eigenen Zuschauer
sangen ein paar Fans in der Kurve nach dem 2:2 durch
Boskovic, leider zu spät in der Nachspielzeit,
Uwe Neuhaus, du bist der beste Mann.
Sicherlich ist dies an Sarkasmus nicht mehr zu toppen,
hat aber was wahres in sich. Heute pfeifen, morgen
hinter der Haupttribüne an der Hafenstraße
feiern und am Besten noch in Euphorie äußern:
Ich habe es immer gewusst!. Schöne
neue deutsche Mentalität - schöne neue Rot-Weisse
Mentalität!
(tp)
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Tore
1:0 Mike Terranova (14.) / 1:1 Artur Matik (54. /
Eigentor) / 2:1 Mike Terranova (71.) / 2:2 Danko Boskovic
(90.)
SG Wattenscheid 09
Joswig - Baumann - Matlik, Caspers - Ohnesorge, Terranova
(83. Kushev), Matarazzo, Özkaya, Koitka - Iyodo
(60. Pereira), Toborg (90. Katriniok)
Rot-Weiss Essen
Langerbein - Bemben (78. Calik), Ristau, S. Lorenz,
Nikol (69.Özbek) - Wehlage, M. Lorenz, Horz (46.
Boskovic), Haeldermans - Younga-Mouhani, Löbe
Gelbe Karten
Koitka (Wattenscheid) / M. Lorenz, Bemben (Essen)
Schiedsrichter
Knut Kircher
Zuschauer
8.423
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