Jawattdenn-Saisonrückblick Saison 2005/06
Zwischen Neuhaus raus und Wir
wollen den Trainer sehen
Die Saison des Uwe Neuhaus
Georg
Melches Stadion, 11.11.05, gegen 21:15 Uhr: RWE zittert
sich zum Sieg gegen den HSV II. Nach einer 2:0 Führung
kassierte man wie so oft in der bisherigen Saison
den Anschlusstreffer, der Ausgleich liegt in der Luft.
Während aber die Mannschaft den Sturmlauf der
Hamburger aufhalten kann, sind auf den Tribünen
längst alle Dämme gebrochen. Unaufhörlich
schallt es Neuhaus raus, Neuhaus raus.
Ein kleiner Teil klatscht demonstrativ für Mannschaft
und Trainer trotz einer durchwachsenen Leistung, ein
größerer Teil fragt sich gerade, ob man
eine solche Peinlichkeit für die Essener Fanszene
jemals zuvor erlebt hatte. Das Tischtuch zwischen
Fans, Neuhaus und schließlich auch der Mannschaft
scheint zerschnitten, und auch der Vorstand gerät
zunehmend unter Druck, eine Entscheidung in der Personalie
Trainer trotz eines weiteren Heimsieges
zu treffen.
Derselbe Ort, 20.05.06, gegen 15:45 Uhr: Auf den Rängen
herrscht eine ausgelassene Stimmung. Der RWE steigt
nach einem 0:0 gegen Werder Bremen II wieder in die
2. Bundesliga auf. Auch der viel gescholtene Trainer
wird jetzt von den Fans besungen. Wir wollen
den Uwe sehen fordern die Fans, und er zeigt
sich auch. Uwe Neuhaus hat das vorgegebene Ziel Wiederaufstieg
erreicht. Für ihn geht damit eine turbulente
Saison glücklich zu Ende.
Doch die Achterbahnfahrt des ehemaligen RWE- Spielers
begann weder am 11.11.05., noch endet sie am 20.05.06.
Als Neuhaus im April 2005 seinen Dienst an der Hafenstraße
aufnahm, musste er eine zerrüttete Mannschaft
für die letzten Spiele in der 2. Liga motivieren.
Einige erwarteten von ihm sogar das Wunder des Klassenerhalts,
doch wie weit man mittlerweile von diesem Ziel weg
war, sollte man erst später erfahren. Viele RWE-
Anhänger sahen in ihm einen Übergangstrainer,
den Abstiegsverwalter, welcher nach einem
besiegelten Gang in Liga 3 Platz für einen Nachfolger
schaffen sollte. Schließlich will man neben
dem viel zitierten Knaller auf dem Platz
auch einen auf der Bank finden.
Diese
erwartungsfreudigen Menschen müssen wohl geschockt
gewesen sein, als sich der Verein für Neuhaus
als Trainer der neuen Regionalligamannschaft entschied.
Gerade ein unerfahrener Ex- Amateurtrainer Neuhaus
soll den RWE in glanzvollere Zeiten führen? Das
Unternehmen Wiederaufstieg schien jetzt
schon gescheitert zu sein. Die Kritiken hätten
nicht konstruktiver sein können: Meine
Meinung zu Neuhaus: Der kann gleich wieder abhauen!
oder Eins vorweg, ich kann diesen Penner Uwe
nicht ausstehen -
überhaupt kein Stück, keine Symphatie und
keinen Respekt waren zwei der unsachlichen Kommentare
aus dem RWE- Forum, die leider Uwe Neuhaus über
die gesamte Saison weiter begleiten sollten.
An ihm schied sich auch die Diskussion, was ein Trainer
in Zeiten des hoch bezahlten Fußballs noch leisten
muss. Schließlich wird von einem Profifußballer
erwartet, dass er bei seinem Gehalt die entsprechende
Leistung abrufen muss. Die neue Aufgabe eines Trainers,
so wird es behauptet, liegt vor allem in der Psychologie.
Beurteilt man Neuhaus´ Arbeit unter diesem Standpunkt,
hat er eine hervorragende Leistung vollbracht. Nur
drei Spieler aus dem Profikader stiegen in die Regionalliga
mit ab, der Rest wurde aus den unterschiedlichsten
Vereinen zusammengekauft. In nur kurzer Zeit gelang
es ihm, eine schlagkräftige Truppe aufzubauen,
die in den ersten vierzehn Spielen 29 Punkte holte.
Von internen Auseinandersetzungen innerhalb der Mannschaft
wurde in der Öffentlichkeit nichts bekannt.
Doch Kritiker merkten hier an, dass Herr
Neuhaus bei der großen finanziellen Zuwendung
und dem von den Sponsoren vorgegebenen Ziel des Wiederaufstiegs
mit dieser Mannschaft einfach Großes erreichen
müsste. Da jene auch vorgaben, Fußballsachverstand
zu besitzen, hätten sie auch dutzende Gegenbeispiele
angeben können, wo Geld eben nicht immer den
gewünschten Erfolg einbrachte. Allerdings fiel
diese Kritik zunächst auf fruchtbaren Boden,
da die Mannschaft von der Hafenstraße trotz
einer Siegesserie spielerisch nicht überzeugen
konnte. Ein taktisches System war wirklich noch nicht
erkennbar, in den Spitzenbegegnungen ging der RWE
häufig als Verlierer vom Platz. Ob man aber Fußball
auf höchstem Niveau mit einem fast komplett neuen
Kader erwarten konnte, bleibt mehr als fraglich.
Die
Enttäuschung über das Abschneiden in der
letzten Saison unter Heilsbringer Jürgen Gelsdorf
und der Ärger über die fehlende spielerische
Klasse trotz toller Punkteausbeute unter dem noch
geduldeten Trainer Uwe Neuhaus brachte das Fass nach
der 0:3 Klatsche bei St. Pauli zum Überlaufen.
Angeblich hing der locker gestaltete rot-weiße
Trainingsplan in der Kabine der Kiezkicker aus, der
Neuhaus in ein schlechtes Licht warf. Nach den wutschnaubenden
Kritikern sollte er es jetzt nicht nur an der Seitenlinie
zu ruhig angehen lassen, sondern auch auf dem Platz.
Die schwache Leistung in der letzten Viertelstunde
im Heimspiel gegen HSV II ließ die Emotionen
überkochen. Die oft überzogene Kritik von
einigen Fans soll sogar die Chefetage des Vereins
erreicht haben.
Doch Neuhaus bewies Standhaftigkeit und Stärke.
Innerhalb von zwei Wochen schaffte er es, aus einer
viel gescholtenen Mannschaft Selbstvertrauen und vor
allem spielerische Klasse herauszuholen. Endlich gelangen
dem Team überzeugende Siege gegen Bremen II,
Erfurt und Emden. Auch die meisten Kritiker erkannten,
dass RWE entweder mit Uwe Neuhaus oder gar nicht aufsteigen
würde. Die Serie ohne Niederlage nach dem Spiel
auf dem Kiez sollte erst im Auswärtsspiel am
25.03.06 gegen Mitaufsteiger Carl-Zeiss Jena reißen.
Neuhaus konnte seine Kritiker nicht gänzlich
überzeugen, aber wenigstens wurde durch die Erfolge
das gesamte Umfeld wieder auf das gemeinsame Ziel
Wiederaufstieg eingeschworen. Er sorgte
weiter für Ruhe in der Mannschaft, der Fall Horz
wurde schon früh im Stillschweigen ohne Nachtreten
erledigt. Nur einmal musste er wieder zittern, und
zwar nach den schwachen Auftritten
gegen Wattenscheid und in Köln. Doch trotz der
Kritik an der Aufstellung, besonders an der Nominierung
Thorwarts trotz schwacher Leistungen, konnte die Mannschaft
in der zweiten Halbzeit des Hamburgspiels und im Heimspiel
gegen St. Pauli an alte Stärken anknüpfen.
Die Moral in dieser Mannschaft war ein wichtiger Faktor
in einer schwierigen Saison, und vor allem der Trainer
hielt sie bis zum Ende aufrecht.
Schließlich ist nicht nur der RWE an sein Ziel
angekommen, sondern auch Uwe Neuhaus. Er hat sich
vorerst gegen seine Kritiker durchgesetzt, einer neu
zusammengestellten Mannschaft ein eigenes erfolgreiches
Profil gegeben und in vielen schwierigen Situationen
die Ruhe bewart. Doch viel Kredit wird er bei einigen
Fans auch in der nächsten Saison nicht haben.
Nun hat er die Aufgabe, das wichtigste Ziel der letzten
15 Jahre, den Klassenerhalt in der 2. Bundesliga,
zu erreichen. Dabei kann man Uwe Neuhaus nur alles
Gute wünschen. Er hat es allemal verdient, und
dies hoffentlich mit noch mehr Unterstützung
aus den eigene Reihen als es in der letzten Saison
der Fall war.
(pd)
Fotos mit freundlicher Genehmigung von Michael
Gohl
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