17.08.2006 - Kommentar zur geplanten Regionalliga-Reform
3. Bundesliga mit Amateurmannschaften? Is klar
Ab der Saison 2008/09 soll die Regionalliga ein weiteres
Mal nach 2000 grundlegend reformiert werden. Eine
eingleisige 3. Bundesliga soll die bisher
bestehenden Regionalligen Nord und Süd ablösen.
Im Zuge dessen soll ebenfalls die Anzahl der Oberligen
(die dann die neuen Regionalligen wären) gesenkt
werden. Diese Schritte werden notwendig, weil das
Gefälle der 2. Bundesliga zur Regionalliga zu
hoch ist.
Mit dem Abstieg aus dem Profibereich in die Regionalliga
brechen den Vereinen auf einen Schlag Einnahmen aus
Fernsehrechten fast komplett weg: Während ein
Zweitligist durchschnittlich ca. 5 Millionen Euro
Fernsehgelder erhält (von den 420 Millionen Euro
Fernsehgeldern, die an die 36 Proficlubs ausgeschüttet
werden, entfallen mit 92,4 Millionen Euro 22% an die
Zweitligisten), werden einem Regionalligisten lediglich
375.000 Euro ausgezahlt.
Diese 375.000 Euro sind nur ca. 8% dessen, was der
Verein in der 2. Liga erhält. Im Vergleich dazu
sind die 5 Millionen Euro für den durchschnittlichen
Zweitligisten immerhin 27% der durchschnittlichen
Einnahmen eines Bundesligisten (ca. 18 Millionen Euro).
Man könnte also sagen, dass einem Absteiger aus
der Regionalliga nur noch 8% der Fernsehgelder zur
Verfügung stehen, während ein Absteiger
aus der Bundesliga in die 2. Bundesliga immerhin noch
mit 27% der Einnahmen aus der Vorsaison planen kann.
So ist die Rechnung allerdings nicht ganz zulässig,
da weder der Absteiger aus der 1., noch der aus der
2. Bundesliga durch den schlechten sportlichen Verlauf
auf die Durchschnittseinnahmen für ihre jeweilige
Liga kommen werden. Andererseits hat der Absteiger
aus der Bundesliga die Gelegenheit, durch Erfolge
in der Zweitligasaison mehr als die durchschnittlichen
5 Millionen Euro zu erhalten (natürlich hat er
auch das Risiko, bei Misserfolg weniger zu bekommen).
In der Regionalliga erhält jedoch jeder Verein,
egal ob er absteigt, einen Mittelfeldplatz belegt
oder um den Aufstieg mitspielt, 375.000 Euro. Somit
sind die Voraussetzungen für einen Absteiger
aus der 1. Bundesliga sehr viel besser
als für einen Club, der aus der 2. Bundesliga
absteigt.
Die finanziellen Probleme, die ein Absteiger also
bekommt, schlagen sich natürlich auch auf seine
sportlichen Resultate nieder. Ein Absteiger aus der
2. Bundesliga verliert im Normalfall seine Leistungsträger
und muss in kurzer Zeit mit geringen finanziellen
Mitteln einen neuen Kader aufbauen. Das gelingt in
vielen Fällen überhaupt nicht.
Von 20 Absteigern aus der 2. Bundesliga zwischen den
Saisons 2000/01 und 2005/06 haben es nur fünf
Teams geschafft, wieder in die 2. Bundesliga aufzusteigen
(wovon sich bis heute nur zwei in der Liga halten
konnten bzw. mit RWE der dritte Verein das in dieser
Saison versucht). Aus dem Kreis der weiteren 15 Absteiger
sind 10 (!) Vereine (mindestens) bis in die Oberliga
abgestiegen. Nur Union Berlin hat es vor dieser Saison
geschafft, nach dem Fall aus der 2. Bundes- in die
Oberliga wieder in die Regionalliga aufzusteigen.
Von 20 Absteigern hat es also nur ein Viertel geschafft,
wieder in die 2. Bundesliga aufzusteigen, während
die Hälfte der Vereine bis in die Oberliga durchgereicht
wurde! Im Vergleich dazu mussten im selben Zeitraum
mit dem FC St. Pauli und Unterhaching nur zwei Absteiger
aus der Bundesliga auch den Abstieg in die Regionalliga
hinnehmen. Von 15 Absteigern aus der 1. Liga schafften
mehr als die Hälfte im ersten oder zweiten Anlauf
den Wideraufstieg in die Bundesliga, mit Energie Cottbus
stieg ein Verein zuletzt drei Jahre nach dem Abstieg
wieder auf.
Um nicht Gefahr zu laufen, in der Bedeutungslosigkeit
zu versinken, müssen die Absteiger aus der 2.
Bundesliga also notwendigerweise versuchen, so schnell
wie möglich wieder aufzusteigen. Das ist auch
für viele Traditionsvereine, die derzeit in der
Regionalliga spielen, das Ziel. Diese Clubs haben
durch ihr Umfeld und die vielen Fans den Druck, um
den Aufstieg spielen zu müssen.
Viele Regionalligisten sind außerdem verschuldet.
Die Schulden abzubezahlen ist bei der derzeitigen
Einnahmesituation aber nur im Profifußball möglich.
Sie müssen also aus finanziellen Gründen
aufsteigen.
Wer einen Kader finanzieren muss, der Hoffnungen auf
den Aufstieg wecken kann, für den wird die Regionalliga
zum Zuschussgeschäft. Die Einnahmen reichen nicht
aus, um hohe Kosten zu decken. Zwar schaffen es auch
häufiger Vereine mit geringeren Etats, in die
2. Bundesliga aufzusteigen, doch Überraschungsaufsteiger
wie Schweinfurt, Siegen, Babelsberg oder Rot-Weiß
Erfurt können sich im Normalfall nicht in der
2. Bundesliga halten und steigen wieder ab. Der Erfolg
von Erzgebirge Aue ist die große Ausnahme.
Man sieht also deutlich, dass die Regionalliga zu
weit von der 2. Liga entfernt ist. Durch geringe Einnahmemöglichkeiten
ist die Regionalliga für ambitionierte Clubs
und Traditionsvereine nicht rentabel bzw. ein Zuschussgeschäft.
Eine eingleisige Regionalliga verspräche (trotz
der höheren Reisekosten für die Vereine
durch den Wegfall der Einteilung in Süd und Nord)
höhere Einnahmen.
In dieser Saison spielen in den beiden Regionalligen
mit Union Berlin, Dynamo Dresden, dem FC St. Pauli,
Hessen Kassel, Fortuna Düsseldorf, Darmstadt
98, dem VfL Osnabrück oder dem 1.FC Saarbrücken
viele interessante Vereine. Eine Liga mit solchen
Clubs wäre sehr viel attraktiver als die beiden
jetzigen Regionalligen, die zwar häufig packende
Derbys bieten, dafür aber auch etliche Dorfclubs
und vor allem 11 zweite Mannschaften von Profi-Vereinen
beheimaten.
Die Mischung aus vielen Traditionsvereinen und attraktiv
spielenden kleineren Clubs würde ein hohes Zuschauer-
und Medieninteresse bewirken. Kommen mehr Zuschauer,
nehmen die Vereine mehr Geld ein. Steigt das Medieninteresse,
steigen auch die Fernsehgelder. Und eine Liga mit
hohen Zuschauerzahlen und Medienpräsenz ist für
Sponsoren attraktiv, so dass auch die Einnahmen der
Vereine aus dem Sponsoring steigen würden.
Die Notwendigkeit, die Regionalliga zu reformieren,
ist also gegeben, und die Reformpläne bieten
für die Vereine eigentlich also eine sehr gute
Perspektive. Leider werden die Reformbestrebungen
aber von sieben Profivereinen torpediert. Der FC Bayern
+ ihr gekauftes Anhängsel 1860, Werder Bremen,
Hertha BSC Berlin, der Hamburger SV, Stuttgart und
Mönchengladbach fordern ein uneingeschränktes
Startrecht für die zweiten Mannschaften der Profivereine
auch in der eingleisigen Regionalliga. Würde
dieser Forderung nachgekommen, würde die Idee
hinter der 3. Bundesliga ad absurdum geführt.
Die Amateurvertretungen der Profivereine senken direkt
(keine Gästefans) und indirekt (unattraktive
Gegner, daher weniger Heimzuschauer) die Zuschauereinnahmen,
verzerren durch ihre Möglichkeiten, junge Profis
einzusetzen und teure Talente aus dem Ausland zuzukaufen,
den Wettbewerb und vermindern die Attraktivität
der Liga, wodurch sie für Medien und Sponsoren
uninteressant wird.
Die Großclubs argumentieren jedoch, dass ihre
Talente Spielpraxis auf dem jetzigen Niveau bräuchten,
um sich entwickeln zu können. Dass das Niveau
in den Oberligen durch die Reduzierung ihrer Anzahl
und die Vereine, die sich nicht für die eingleisige
Regionalliga qualifizieren können, stark ansteigen
würde, lässt sich aber nicht bestreiten.
Auch nicht, dass ein Spieler wie Marcel Janssen es
immerhin in den WM-Kader geschafft hat, obwohl die
Amateure von Borussia Mönchengladbach bis zu
dieser Saison lediglich in der Oberliga gespielt haben.
Seinem Vereinskameraden Eugen Polanski scheint die
Spielpraxis in der Oberliga ebenso wenig geschadet
oder ihn in seiner Entwicklung gehemmt zu haben, wie
den Neu-Leverkusener Stefan Kießling, der mit
Nürnbergs 2. Mannschaft in der Bayernliga angetreten
ist. Ebenfalls verwundert es, dass den Vereinen das
Niveau in der Oberliga zu gering ist, in letzter Zeit
aber immer wieder Spieler direkt aus den A- oder sogar
B-Jugend-Mannschaften in die Profimannschaften ihrer
Clubs integriert werden. Obwohl das Niveau der Oberligen
zur Zeit nicht schlechter sein dürfte als das
der A-Jugend-Bundesligen haben es mit Patrick Sinkewicz
und Lukas Podolski zwei Spieler, die aus der Jugend
in den Profikader kamen, in die deutsche Nationalmannschaft
geschafft, während Nuri Sahin für die Türkei
aufläuft. Vor dieser Saison haben unter anderem
Schalke (Mesut Özil), Dortmund (David Vrzogic)
oder Mainz (Mario Vrancic) Spieler in ihre Kader aufgenommen,
die eigentlich noch im Juniorenbereich spielberechtigt
sind.
Schmeichelhaft für einen RWE-Fan, dass z.B. ein
Thomas Wolter (Amateurcoach Werder Bremen) betont,
seinen Spielern würde es sehr viel bringen, Spiele
wie gegen RWE zu spielen, wo die Emotionen so richtig
hochkochen und sie gegen ehemalige Profis spielen
müssen
Nicht nur, dass Rot-Weiss Essen gegen Werder Bremen
II wohl eines der langweiligsten RWE-Spiele des letzten
Jahrzehntes war, nein, obwohl diese Spiele Talente
ja so sehr weiterbringen, spielen sie trotzdem nicht
für Werder in der Bundesliga.
Einem Christian Schulz, immerhin schon mit A-Länderspielen
für Deutschland, setzte der Bremer Hobby-Hoeneß
Klaus Allofs vor Saisonbeginn mit dem Kameruner Wome
einen Spieler vor die Nase, der sich bisher weder
bei großen (Inter), noch bei mittelmäßigen
Clubs (Espanyol Barcelona, Brescia, Fulham) in Europa
durchsetzen konnte. Hugo Almeida ist immerhin noch
ein Spielertyp, den Bremen so noch nicht im Kader
hatte. Aaron Hunt wird es trotzdem wenig gefreut haben,
dass man ihm einen Ersatzspieler vom FC Porto vor
die Nase gesetzt hat.
Es sollte auch nicht zum unumstößlichen
Naturgesetz erklärt werden, dass Talente immer
aus der 2. Mannschaft eines Profi-Vereins kommen müssten.
Patrick Owomoyela jedenfalls hat seine Karriere nicht
bei Bremen II, sondern in Kiel und Paderborn begonnen.
Trotzdem wurde er Nationalspieler.
Hamburgs Torwart Sascha Kirschstein war vor gar nicht
all zu langer Zeit noch Ersatztorwart von Eintracht
Braunschweig in der Regionalliga und Benjamin Weigelt
spielte jahrelang in Essen Regionalliga, eher er in
Mainz Stammspieler als linker Verteidiger wurde und
zwischenzeitlich sogar an die Tür zur Nationalelf
klopfte.
In den Regionalligen spielen jedenfalls eine Vielzahl
von Talenten, die beileibe nicht alle bei 2. Mannschaften
unter Vertrag stehen. Alleine Fortuna Düsseldorf
hat mit Spielern wie Denis Wolf, David Krecidlo, Ahmet
Cebe, Claus Costa und allen voran Andreas Lambertz
einige Spieler unter Vertrag, die auf kurz oder lang
im Profibereich landen werden, bei den 2. Mannschaften
von Bundesligisten aber wenig Perspektive auf eine
Profilaufbahn hätten oder hatten.
Im Endeffekt machen die Bemühungen einiger Proficlubs
nicht den Eindruck, als ob es wirklich darum ginge,
Talente zu fördern. Ohne funktionierende eingleisige
Regionalliga (die es mit unbeschränktem Startrecht
für 2. Mannschaften nicht geben kann) wird die
2. Liga mittelfristig deutlich geschwächt werden,
und die Tendenz, dass in der Bundesliga ohnehin immer
nur dieselben Mannschaften an den Start gehen, wird
sich verstärken.
Schon heute gibt es in der Bundesliga Jahr für
Jahr die gleichen 20, 21 Vereine zu bewundern. mit
Mainz oder Aachen mischen sich zwar mal Neulinge unter
die etablierten Clubs, haben aber keine all zu guten
Perspektiven, auch langfristig in der ersten Liga
Fuß zu fassen. Diese Eindrücke würden
noch verstärkt werden, wenn tatsächlich
wie angedacht wieder Relegationsspiele zwischen dem
16. der Bundesliga und dem 3. der 2. Bundesliga ausgetragen
werden würden.
Auf Dauer wird das Risiko abzusteigen (oder dann nicht
wieder aufzusteigen) immer weiter minimiert werden
und die Verhältnisse im deutschen Fußball
werden sich denen im US-Sport angleichen, wo es überhaupt
keine Absteiger mehr gibt.
Die Prämisse hinter dem Verhalten der sieben
Proficlubs scheint nicht zu sein, Talente zu fördern,
sondern das Risiko, Verluste bei den Fernsehgeldern
durch sportlichen Misserfolg hinnehmen zu müssen,
zu minimieren. Das Wohl von Traditionsvereinen wie
ambitionierten, kleineren Clubs und das Herzblut von
Millionen Fans, deren Vereine nicht in der Bundesliga
etabliert sind, haben in solchen Gedankenspielen leider
keinen Platz mehr.
Henrik
Holländer
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