14.06.2006 - Kommentar zum Holzsitzplatz-Verkaufs-Schnäppchen
Ein Winter(holz)märchen im Hochsommer
Es war einmal ein älterer Herr, der ganz
allein in einem Einfamilienhaus im Stadtteil Vogelheim
wohnte. Seine Frau war längst verstorben, Kinder
hatte er keine, nur sein Hund Waldi war ihm stets
ein treuer Gefährte. Viel hatte der ältere
Herr nicht, seine Rente war mickrig, sein Haus alt
und baufällig. Doch zwei Dinge erfreuten den
Herr auch noch im hohen Alter: Das waren zum einen
RWE, und zum anderen sein alter Holzofen. Es gab für
ihn nichts Schöneres, als sich an kalten Wintertagen
vor seinen Kamin zu setzen und nach frostigen Heimspielen
aufzuwärmen. Gemütlich hatte er es in seiner
kleinen Hütte, auch wenn das Geld knapp war und
die Rot-Weißen in der Vergangenheiten viele
durchschnittliche Spielzeiten durchlebt hatten.
An einem sonnigen Tag ging der alte Mann mit seinem
Hund durch Vogelheim spazieren. Nach einer Weile gelangte
er an die alt ehrwürdige Hafenstrasse. Sein Herz
erfüllte sich mit Stolz, an vielen Schlachten
und Kämpfen um den Sieg dabei gewesen zu sein.
Plötzlich sah er an dem Zugang zur Haupttribüne
ein großes Schild, auf dem zu Lesen war: Großer
Holzverkauf auf unserer Haupttribüne! Alles muss
raus! Greifen sie schnell zu!. Der Mann wurde
ganz aufgeregt: Kerl inne Kiste, dat glaub ich
ja nich. Dat ich dat noch erleben darf. Endlich dat
neue Stadion. Und Holz verkaufen se auch noch. Dat
wird ein Winter! Neues Stadion und genug Holz für
den Ofen. Heute Abend gibbet lecker Essen für
Waldi und für mich ein kühles Bier.
So machte er sich auf den Weg zur Haupttribüne,
immer schneller wurden seine Schritte, als plötzlich
ein großer Mann mit einer Kettensäge, bekleidet
mit RWE-Trikot vor ihm stand. Ich könnt
se küssen, junger Mann, sagte der alte
Herr, ein Traum wird war, endlich der lang ersehnte
erste Bauarbeiter hier. Der junge Mann fragte
freundlich: Wie viel darf et denn sein?
Ach Junge, mach mal ne Lage fertich, so mal
10 Stück. Okay, dat macht dann 500
Euronen Wat? Wollen se mich verkackeiern?
Dat letzte Holz, wat ich mir geholt habe, war aber
nich so teuer. Tja, da kann man nix machen.
Dat iss der Euro, sach ich ihnen. Der macht so manches
teuer, da kann ich ihnen hundert Beispiele nennen.
Und so nen Kracher wie der Ahanfouf spielt hier auch
nich für nen Appel und nen Ei! Na
jut, sagte der alte Mann enttäuscht, ich
schau morgen nochma rein, wollte mir sowieso dat neue
Saisonticket holen. Ich komm dann morgen wieder, iss
okay, Junge? Klar, morgen bin ich auch
noch hier. Und so ging der Mann, um seinen täglichen
Spaziergang abzuschließen.
Zwei Monate später bekam der alte Mann Besuch
von seinem Vetter Willi aus Erkenschwick. Bei einem
gemütlichen Kaffeekränzchen fällt Willi
direkt etwas auf: Ey, Heinz, wo is denn dein
alter Ofen, den Du die Jahre über gehegt und
gepflegt hast. Wat machse denn jetzt im Winter?
Ach Willi, weiße, ich hab jetz Erdgas.
Als ich beim RWE war, habe ich für so ein paar
vergammelte Latten fast 500 Euro hinlegen müssen.
Da habe ich mir so gedacht, wat mach ich da bloß
im Winter, wenn die Preise für so mindere Ware
schon jetz explodieren? Da muss ich ja bekloppt sein,
um noch weiter mit Holz zu heizen. Da habe ich beim
Gasfritzen angerufen, und der hat gesagt, der macht
mir dat billiger. Yo, Heinz, da hasse
recht. Aber weiße, wat da Schlimme
iss, Willi? Ne, sach ma. Ein
neues Stadion haben se immer noch nich. Aber RWE bleibt
RWE, in juten wie auch in schlechten Zeiten.
Yo, Heinz, da hasse recht. Und schon stießen
sie mit den Bierflaschen zusammen. Und wenn sie nicht
gestorben sind, heizen sie immer noch mit Erdgas.
Was ist die Moral von der Geschichte? Es gibt lustige
Seiten des Lebens, manchmal ist das Leben aber nur
ein schlechter Scherz. 50 Euro für einen vergammelten
Sitzplatz, auf den ein treuer Fan jahrelang saß,
viel Leid und Freude erleben musste und Teil seines
Lebens geworden ist, sollte nicht für soviel
Geld verhökert werden. Fantreue hat auch seine
(finanziellen) Grenzen, und die ist hier bei Weiten
überschritten. Die Verantwortlichen sollten es
sich noch mal überlegen, ob sie das der treuen
Fanseele wirklich antun sollen.
Pascal
Druschke
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