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26.09.2005 - Essen auswärts und Radio Essen

Von reparierten Schultern, gesundheitlich guten Gefühlen und Schalker Störchen

"Hier rede ich, ich kann nicht anders!"

Nein, nicht Martin Luther vor dem Reichstag in Worms, sondern Uwe Loch bei Radio Essen. Es wird Zeit, ihm auf diesen Seiten einen eigenen Artikel zu widmen. Nicht um abzulästern, nicht um pingelig-pedantisch auch noch die letzten unbedeutenden Versprecher zu vermerken. Sondern um ihn und seine Arbeit ein wenig zu würdigen, ihn aufzubauen und einfach die allgemeine Erheiterung zu genießen.

Mal ehrlich - das war doch eine mehr als ordentliche Reportage vom Spiel in Kiel, doch die Daheimgebliebenen haben sich inzwischen derbe auf ihn eingeschossen. Bevor wir also lächerliche Kleinigkeiten kritisieren, sollten wir bedenken, es wird wohl fast niemand momentan besser machen können.

Zu einer guten Reportage gehören:

1. Talent
2. die Tagesform
3. Übung, Übung, Übung
4. Erfahrung

Trotz manch erlebter Eindrücke in der Vergangenheit, die einen tief durchatmen lassen, reicht das normale Beurteilungsvermögen eines Fans bezüglich Uwes Talents nicht aus. Übung muss er erst noch haben und Erfahrungen erst noch machen. Was ihm anzurechnen ist: Er kombiniert sachliche Informationen mit genügend rot-weißem Herzblut und versucht Atmosphäre rüberzubringen. Dass da manches schief läuft ist doch unvermeidlich und deshalb auch meistens verzeihlich.

Dennoch haben wir uns aus der Reportage vom Samstag zwei herrliche Passagen herausgefischt, die uns köstlich amüsierten:

"...sie haben Eis ranfahren müssen, um die verletzte Schulter zu reparieren und ihm wieder ein gesundheitlich gutes Gefühl zu geben." (Beim Bericht über die kurzzeitige Behandlung der Verletzung von Torhüter Dirk Langerbein.)

"...Schalker Störche ... äh ... schiefe Störche, schräge Störche ..." (In einem vorläufigen Fazit kurz vor Ende der Partie.)

Bei den reparierten Schultern und gesundheitlich guten Gefühlen ist zu bedenken, wie schwer es ist, gerade ablaufende Ereignisse mit lebendig beschreibenden Worten wiederzugeben. Wenn man noch nicht ganz genau weiß, wohin man will, aber trotzdem was sagen muss, fängt man einfach mal an zu reden. Alles Weitere wird sich finden. Unterwegs wird langsam klar, was man sagen will, sucht aber jetzt nach passenden Worten. Und so entstehen eben gesundheitlich gute Gefühle.

Nun, die Info "... mit Eis kühlten sie seine Schulter, um die Schmerzen zu lindern" hätte ja auch eher in die Sendung "Gesundheitsmagazin - Praxis" gepasst, aber nicht in eine Live-Reportage.

Hier kommen wir zu dem Punkt des freien Sprechens. Dies geht meist problemlos, wenn ein Manuskript vorbereitet ist, auch wenn nicht alles abgelesen wird. Aber alles, was spontan formuliert werden muss - ausführliche Antworten auf Fragen z.B. oder weiterführende Erklärungen - läuft dann nicht mehr ganz so flüssig. An dieser Stelle ist das Radio gnadenlos. Gewisse Unsicherheiten werden automatisch überdeckt, wenn sich Redner und Hörer gegenüberstehen. Aber am Radio hat man nur die Stimme. Jede noch so kurze zögernde Pause, jedes "Äähh" wird bemerkt. Der Reporter sieht seinen Hörer nicht und redet gewissermaßen ins "Dunkle". Und er weiß genau, dass der Hörer nichts anderes mitbekommt, als Worte und Stimme. (Wer seine Stimme schon mal im Radio "begutachten" konnte, weiß was damit gemeint ist. Wenn man einen Leitfaden oder ein Manuskript zur Hand hat, ist es kein Problem. Das ist ein gewaltiger Unterschied).

Am zweiten Beispiel können wir wunderbar die Entwicklung eines Versprechers beobachten.

Schalker Störche ...

Ich weiß nicht, was da in den tiefen Schichten der Seele schlummert, das solch einen Versprecher verursacht. Ob's die Trikotfarbe der Kieler war? Jedenfalls, in dem Augenblick, wo du es aussprichst, merkst du meistens, dass es Blödsinn ist. Dann versuchst du Schadensbegrenzung zu betreiben:

...äähh ... schie...

Natürlich weißt du schon im Moment des Versprechers, dass es Kieler Störche sind, aber der Schrecken des Fehlers sitzt zu tief im Unterbewussten, als dass du die Schalker ohne weiteres wieder loswirst. Das "Sch..." wird in den Korrekturversuch hinüber gerettet. Aber dein Hirn ist topfit, merkt, dass es "schieler Störche" gar nicht gibt, und sucht blitzschnell nach dem nächstbesten bekannten Wort.

...schiefe Störche ...

Du näherst dich langsam den Ruinen deiner Reportage, merkst, dass nichts mehr zu retten ist, und trittst die Flucht nach vorne an. Jetzt soll es so aussehen, als wäre das Geschwätz beabsichtigt und du eh nichts anderes wolltest, als dich über den sportlichen Gegner lustig zu machen und ergänzt:

...schräge Störche

Aber es ist gelaufen. Ein Desaster. Schnell noch eine Frage gestellt, die Co-Moderator Ralf Lange beantworten soll. Der tut es auch und setzt dankenswerterweise die Reportage fort. Du sitzt da vor dem Trümmerhaufen, holst tief Luft und denkst: "Au, Mann ..."

Ob nun gewollter schlagfertiger Wortwitz oder unfreiwillige Situationskomik ... lieber Uwe Loch, wir von der jwd-Redaktion haben uns am Samstag köstlich amüsiert. Und das ist sehr wohlwollend gemeint. Mach weiter! Das wird noch! Und ... Humor ist, wenn man über sich selber lachen kann.

(ks)



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