14.09.2005 - Und ewig grüßt die Fandiskussion
Seit Anfang dieser Saison müssen
Besucher der Haupttribüne zwangsläufig auf
die veränderte Nordtribüne schauen. Bei
einem Gegner wie die zweite Mannschaft von Bayer 04
Leverkusen, muss das Herz eines jeden Beobachters
bluten. Die sonst rappelvolle Haupttribüne ist
nur noch zu 2/3 voll. Die ehemaligen Blöcke K
(zur Hälfte) und I heißen nun G, was eine
plumpe Abkürzung für die Gästetribüne
darstellen soll.
Doch nicht nur die äußere Erscheinung der
Tribüne ist ungewöhnlich, auch die Neuverteilung
der einzelnen Fangruppen auf dieser Tribüne ist
ein Experiment. Ein Wandern am Anfang der Saison war
die Folge. So zogen viele Fanclubs um in den Block
M, einige wanderten auf die Osttribüne und andere
zog es sogar in den Süden auf die Haupttribüne.
Der Plan der aktiven Fans war es, gemeinsam
in den Block M und Umgebung zu ziehen. Viele Fanclubs
unterschrieben das gemeinsame Programm
und so ging es mit viel Wehmut in einen neuen Block.
Doch neben all den nostalgischen Erinnerungen, den
Rückblicken auf vergangene Jahre im Block K und
I, sah man auch die Chance, eines Zusammenrücken
der einzelnen Fanclubs und die Umorientierung der
nicht organisierten Fans.
In Essen gilt schon seit Jahren das Prinzip, dass
egal welcher Liga auch der Verein angehört, die
Massen weiterhin ins Stadion pilgern. Abstiege bedeuteten
zuletzt kaum abnehmende Zahlen im Zuschauerbereich.
Auch in dieser noch kurzen Saison kann dieses beobachtet
werden. Schon im ersten Heimspiel pilgerten knapp
15.000 Zuschauer an die Hafenstraße. Fast 3.000
Dauerkarten konnte der Verein absetzen, eine Zahl
über die sich mehr als die halbe zweite Liga
freuen würde.
Dennoch ist dies nicht die Kennzahl um die Zufriedenheit
eines einzelnen Fans auszumachen. Dieser möchte
neben spielerischem Glanz auf dem Fußballfeld
auch stimmungsgeladene Spiele sehen, das Gänsehautgefühl
kennen lernen und noch nachts von der Hafenstraße
träumen. Viele Stimmen behaupten allerdings,
dass es diese Gefühle seit längerem nicht
mehr gibt. Lebt der Mythos RWE noch? Eine Frage, die
bei vielen zu kontroversen Diskussionen führt.
Gerade die ältere Generation schwärmt
noch von einer Westkurve, die mit ihrem Charme ganze
Spiele zum Kippen brachte. Auch die Jüngeren
erinnern sich gerne an Spiele zurück, bei denen
die gesamte Nord-Tribüne einzubrechen drohte.
Aber mal ehrlich. Ist es nicht im gesamten Leben so,
dass sich häufig in schwierigen Zeiten, in Zeiten
der Veränderung an Dinge zurück erinnert
wird, die schön waren? Wird nicht schnell in
solchen Zeiten vergessen, dass das Leben damals
nicht doch auch schwierig war?
Die derzeitige Diskussion zeigt, dass man mit der
jetzigen Situation nicht zufrieden ist. Die Spiele
gegen Leverkusen und Münster wurden in die Schublade
Stimmungsflops einsortiert. Was ein RWE-Fan
allerdings als schlechte Stimmung interpretiert, muss
nicht unbedingt so sein. Oftmals waren RWE-Anhänger
dieser Meinung, wurden aber von Gästefans überraschend
vom Gegenteil überzeugt. Dennoch ist es richtig
die eigenen Fanleistungen in Frage zu
stellen. Das zur Debattestellen solcher Themen ist
wichtig und zeigt, dass die Fanszene lebt.
Auch wird die Entscheidung, die aktive Szene
in den Block M zu verlegen, kritisiert. Hierzu sollte
man aber bedenken, dass nicht nur viele Fanclubs zu
dieser Entscheidung beitrugen, sondern auch die Beweggründe
klar für diese sprechen. Sicherlich wäre
es schön die Gästefans während des
Spiels sehen zu können, was von der Nord-Tribüne
aus schlichtweg nicht möglich ist. Aber ist dies
wirklich entscheidend? Kann eine Unterstützung
der Fans nur funktionieren, wenn es genügend
auslösende Reize dafür gibt? Wäre dies
so, sollte das Wort Unterstützung
als solches nicht mehr in den Mund genommen werden.
Eine Unterstützung, neudeutsch: Support, dient
einer Sache und ist nicht gegen etwas. Auch geht es
nicht darum lauter als der Gegner (hier die gegnerischen
Fans) zu sein, sondern die Mannschaft so zu unterstützen,
dass es zum Sieg oder der Verwirklichung anderer Ziele
reicht. Der Vergleich mit anderen Fans wird zwangsläufig
immer geschehen, doch müssen klare Grenzen gezogen
werden.
Ein Vergleich mit anderen darf nur bedingt gezogen
werden. Zu behaupten, andere Fangemeinschaften seien
besser ist vielleicht teilweise richtig, doch auch
an der Hafenstraße ist vieles besser als woanders,
was bei derartigen Vergleichen leider zu unrecht oftmals
vergessen wird. Man darf nicht vergessen, wo der Verein
steht und was in der jüngeren Vergangenheit geschehen
ist. So liegt der bisherige Saison-Zuschauerschnitt
bei 12.000, was nach dem Abstieg eine Sensation ist
und durch die mauen sportlichen Leistungen nicht gerade
gefördert wurde.
Die Wechselwirkung zwischen den Fans und dem Geschehen
auf dem Platz bzw. in der Tabelle ist nicht bewiesen,
doch viele Indizien sprechen für die Annahme,
dass diese äußeren Faktoren die Stimmung
auf den Rängen beeinflusst und umgekehrt. Wie
oft wurde schon von diversen Spielern und Trainern
behauptet, dass es ohne die Zuschauer nicht
zu einem Sieg gereicht hätte? Natürlich
wird dieses vielleicht auch zu Recht als Floskel abgestempelt,
um die Fannähe zu unterstreichen, doch die Häufigkeit
dieser Aussage unterstützt diese These.
Doch woher stammen die Diskussionen um die Fanszene?
Sind die Fans zu selbstkritisch? Ob es eine zu hohe
Selbstkritik gibt oder nicht, darüber streiten
die Gelehrten. Ein gewisses Maß an Selbstkritik
tut jedem und jeder Sache gut. Doch darf dabei das
Selbstbewusstsein nicht verloren werden. Vieles was
vorher schlecht geredet wurde, entpuppte sich später
als positive Überraschung. Natürlich ist
es, wie oben beschrieben, wichtig, dass man auch an
den Leistungen der Fans zweifelt und Fragen stellt,
doch sollte dennoch das Ziel vor Augen gehalten werden.
Alle, ob Mannschaft, Fans oder sonstige Vereinsangehörige
möchten den Aufstieg. Das ist es worum wir kämpfen.
Am Ende wird kein Preis für den lautesten Fan
verteilt und ausverkaufte Arenen nicht mit Titeln
überhäuft, sondern knallhart abgerechnet.
Unsere gesamten Aktivitäten im Stadion sollten
dazu dienen, das Ziel zu erreichen. Und inwieweit
die Stimmung auf den Rängen dafür verantwortlich
ist oder nicht, diese Fragestellung sollte egal sein.
Schaden wird ein bedingungsloses, aber dennoch kritisches
Begleiten der Mannschaft in Form der Unterstützung
im Stadion auf keinen Fall. Packen wir es an, damit
wir am Ende der Saison erneut eine Welle mit dem Schiedsrichter
starten können und die Reisen der nächsten
Saison wieder bundesweit stattfinden.
(tp)
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