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Eine fußballdeutsche Utopie


Teil 5 – Ein Leben in der Kampfzone

Reinhold und ich kamen unserem Ziel immer näher. Schritt für Schritt. Meter um Meter. Umgestürzte Autos säumten unseren Weg; aus einem Müllcontainer loderten bläuliche Flammen. Wir waren mucksmäuschenstill, lauschten in die Finsternis, um uns besser orientieren zu können. Da die Staatsgewalt die Stromversorgung lahm gelegt hatte, mussten wir uns wieder vielmehr auf unsere Sinne verlassen, was erstaunlich gut funktionierte. Ich schloss die Augen und sog die Luft in meine Lungen. Es war auf einmal alles so einfach, meine Existenz auf das Wesentliche reduziert. Mich verlangte es einzig und allein, unbeschadet in die Arena zu kommen und meinen Brüdern und Schwestern bei ihrem Kampf gegen die Uniformierten beizustehen. Über alles andere würde ich mir dann Gedanken machen, wenn es soweit war.

Nachdem wir einen kleinen Hügel erklettert hatten, bot sich uns ein gleichermaßen imposantes und bedrohliches Schauspiel. Am nächtlichen Himmel schwirrte ein halbes Dutzend Helikopter; mehrere Suchscheinwerfer huschten über das Areal und rissen hässliche Löcher in die Dunkelheit. Immer wieder fielen Schüsse. Sogar die Detonation einer Handgranate glaubte ich zu vernehmen. Eine Weile verharrten wir auf der Anhöhe und beobachteten das Geschehen. Überall herrschte emsige Betriebsamkeit. Zahlreiche Schwestern und Brüder trugen Absperrgitter, ganze Betoneinheiten und weiteres Inventar aus der Arena und errichteten daraus Barrikaden. Die verglasten Galerien, die an den Außenwänden entlang liefen, wurden behelfsmäßig mit Zeitungspapier abgeklebt. Auch über die Kuppelkonstruktion schlichen einige Gestalten und machten sich an der Landestelle zu schaffen. Es hatte den Eindruck, als bereitete man sich tatsächlich auf eine längere Belagerung vor.

„Siehst Du das?“, flüsterte mir Reinhold zu. „Die haben sich inzwischen organisiert; die überlassen nichts dem Zufall. Und das nach so kurzer Zeit. Unfassbar! Erinnert mich irgendwie an früher, als wir noch regelmäßig mit den Bullen aneinander geraten sind. Haben uns seinerzeit ein paar ordentliche Scharmützel mit denen geliefert, manchmal tagelang, wobei das natürlich nichts gegen das ist, was hier gerade stattfindet.“ Der Mond schob sich hinter der Wolkendecke hervor und tauchte die Landschaft in fahles Licht. „Unsere Jungs und Mädels sind ganz schön angepisst; da hat sich einiges angestaut. Aber musste wohl mal sein. Sind ja schließlich Menschen und keine Maschinen, die man nur zu programmieren braucht.“ Mein Gefährte aus Berlin hatte Recht, Maschinen waren wir keine. Dies bedeutete aber nicht zwangsläufig, dass wir noch als vollwertige Menschen durchgingen. Schon vor langer Zeit hatten wir dem Teufel unsere Seelen verkauft. Warum wir von dem Handel auf einmal nichts mehr wissen wollten, darüber lässt sich bloß spekulieren.

Als wir da so saßen und das Treiben auf der Straße gespannt verfolgten, fragte ich mich, ob die abgelaufene Saison genauso erfolgreich verlaufen wäre, wenn wir nicht den Deal mit GenNetIndia – unserem neuen Hauptsponsor – abgeschlossen hätten. Anfangs hatten sich mir bei dem Gedanken die Nackenhaare gesträubt, ein Unternehmen zu repräsentieren, das mit menschlichem Zuchtmaterial handelte. Später leuchteten mir die Vorteile durchaus ein. Nicht nur, dass wir am enormen Reichtum des asiatischen Branchenführers direkt partizipierten, nein, auch unser Kader profitierte davon, indem er kostengünstig runderneuert wurde, ohne dass er dafür ausgetauscht werden musste. Eine Welle der Empörung brach über das Land. Eine internationale Bürgerbewegung forderte lautstark, dass menschliche Ersatzteile ausschließlich in lebensbedrohlichen und somit ethisch vertretbaren Situationen Verwendung finden dürften. Erst als die Moralapostel erkannten, dass für kleines Geld nicht nur die eigene Leistungsfähigkeit gesteigert, sondern vor allem die Lebenserwartung erheblich verlängert werden konnte, ebbte der Protest merklich ab.

Reinhold zögerte etwas, als ich darauf drängte, endlich die Böschung hinab zu steigen und sich unseren Brüdern und Schwestern anzuschließen. „Du bist tatsächlich bereit, Dein gesamtes bisheriges Leben hinter Dir zu lassen, hä?“ Er sprach die Worte merkwürdig langsam aus, so als sollten sie sich auf ewig in mein Gehirn brennen. „Bereit bin ich wohl“, antwortete ich. „Dennoch habe ich nicht die geringste Idee, was auf uns zukommen wird. So etwas erlebe ich zum ersten Mal. Selbst im letzten Jahrtausend ist mir nichts Vergleichbares widerfahren.“ Reinhold musterte mich mit funkelnden Augen. „Du hast keine Ahnung, womit Du es zu tun hast. Und dennoch meinst Du, für das hier bereit zu sein. Bedenke, dass es zwar einen Weg hinein, nicht aber wieder hinaus gibt. Noch ist es möglich, umzukehren und einen auf reumütig zu machen. Schlagen wir uns einmal auf die Seite des Mobs, sind wir gesellschaftlich für immer unten durch.

Es stand völlig außer Frage, jetzt noch einen Rückzieher zu machen. Ein Leben zwischen Apartment, Büro, Stadionkneipe und Arena konnte ich mir beim besten Willen nicht mehr vorstellen. Ich wollte dies alles bis zum letzten Augenblick auskosten, ganz egal, welchen Preis ich dafür zu zahlen hatte. „Nun gut, Du hast eine Entscheidung getroffen. Das ist doch schon mal was. Es ist zweifellos vernünftig, sich in den Abgrund zu stürzen. Wir müssen sterben, damit wir endlich leben können.“ Während ich noch über Reinholds kryptische Worte nachdachte, bugsierte mein Freund seinen ungelenken Körper den Abhang hinunter. Ich ließ meinen Kopf in den Nacken fallen, genoss diesen Augenblick der Einsamkeit und Ruhe. Erst als Reinhold ungeduldig meinen Namen rief, schreckte ich aus meinen Träumereien auf und setzte mich ebenfalls in Bewegung.

Wir wurden freundlich von unseren Brüdern und Schwestern empfangen. Eine junge Frau mit kahlrasiertem Schädel hielt uns ein Flasche mit einer gelblichen Flüssigkeit entgegen. „Sie nennen es Die Taufe.“, rief sie uns zu. „Ich musste da auch durch.“ Ein stechender Geruch stieg mir in die Nase, als ich das Gesöff an meine Lippen führte. Obwohl ich nur einen winzigen Schluck nahm, hatte ich das Gefühl, flüssiges Eisen zu verschlucken. Ich spürte, wie mein Gesicht rot anlief. Meine Kehle brannte höllisch, und ich verlangte lautstark nach einem Krug Wasser. Reinhold grinste wie blöd. „Was bist Du nur für eine Memme! Reich’ das Zeug mal rüber. Hatte schon seit Ewigkeiten nicht mehr das Vergnügen, Selbstgebrannten zu kosten.“ Freudestrahlend nahm Reinhold einen ordentlichen Schluck aus der Flasche. Sein rechter Mundwinkel zuckte ganz leicht. Ansonsten hielt er sich tapfer. „Nicht schlecht!“, sprach er nach einer Weile. „Kratzt allerdings etwas im Hals.“

Wir traten ins Innere der Arena und schauten uns um. Unsere Brüder und Schwestern leisteten ganze Arbeit. Die Mehrheit von ihnen befand sich auf den Rängen und brach die Sitzschalen aus ihren Verankerungen. Andere waren gerade im Begriff, mitten auf dem Spielfeld ein Feuer zu entzünden. Zwischendurch wurde gesoffen und gelacht; keinerlei Anzeichen von Nervosität oder gar Angst. „Wir hörten von einer Auseinandersetzung mit einer Polizeieinheit.“ Reinhold hatte einen übergewichtigen Herrn in voller Ruhrstadt-Montur abgepasst. „Blut soll geflossen sein, sehr viel Blut sogar. Wo müssen wir hin, um ein bisschen mitzumischen? Oder ist der Spaß bereits vorbei?“ „Da seid ihr etwas spät dran.“, lallte der Dicke. „Die paar Witzfiguren wurden schon gleich in der ersten Nacht fertig gemacht und irgendwo eingesperrt. Aber keine Sorge! Ihr habt nichts verpasst; das Beste kommt erst noch. Wenn die da draußen nicht mitspielen, wird morgen der erste Kopf rollen. Ich bin schon ganz aufgeregt.“ „Wie meinst Du das?“, hakte ich ein. „Wessen Kopf soll morgen rollen?“ Der Dicke glotzte mich erstaunt an. „Natürlich der Kopf des Bullen, oder meinst Du etwa Deiner. Vor ein paar Stunden gingen unsere Forderungen raus – mitsamt dem Ultimatum. Die sollen wissen, dass wir es ernst meinen.“


(mp)


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