Vorbericht: 22. Spieltag | Rot-Weiss Essen - 1. FC
Köln
Letzte Chance, Teil IV
Wenn sich am Sonntag um 14 Uhr die beiden Möchtegern-
Vereine Rot-Weiss Essen und 1. FC Köln an der
Hafenstraße gegenüberstehen, geht es für
beide Clubs nicht mehr wie in den Spielen zuvor um
die letzte, sondern bereits um die allerletzte Chance
im Kampf um das Erreichen des jeweiligen Saisonzieles.
Diese könnten unterschiedlicher kaum sein. Während
der 1.FC Köln mit einem
für zweitklassige Verhältnisse unglaublichen
Etat von über 30 Millionen Euro den sofortigen
Wiederaufstieg anpeilt, geht es in Essen nur
um den Klassenerhalt. Trotz forscher Töne aus
beiden Lagern vor Saisonbeginn hinkt man den Erwartungen
jedoch weit hinterher.
Der 1. FC Köln ist nach gutem Start ins Tabellenmittelmaß,
ja fast sogar in den Abstiegsstrudel abgerutscht.
Hanspeter Latour musste daraufhin noch vor der Winterpause
seinen Hut nehmen. Nach wochenlangen Verhandlungen
konnte schließlich der Kölner Wunschkandidat
Christoph Daum als Nachfolger präsentiert werden.
Dabei verpasste es Daum nicht, sich durch eine Krankenhaus-Pressekonferenz
medienwirksam in Szene zu setzen. In Köln herrschte
mit dieser Verpflichtung schon frühzeitig Karnevalsstimmung.
Über 5.000 Fans verfolgten das erste Training
unter dem vermeintlichen Messias Daum,
sogar der Nachrichtensender n-tv schaltete live zur
Trainingsanlage des Zweitligisten. Wunderdinge konnte
Daum allerdings auch nicht verrichten, nur ein Punkt
aus drei Spielen wurde unter seiner Regie vor Weihnachten
eingefahren. Als dann auch noch der Auftakt nach der
Winterpause mit dem 1:1 gegen Aufsteiger Augsburg
in die Hose ging,
war die Stimmung rund um das Geißbockheim bereits
wieder auf dem Tiefpunkt. Seitdem scheint der Karnevalsverein
sportlich aber wieder auf die Erfolgsspur zu wechseln,
drei Spiele in Folge konnte der FC zuletzt gewinnen.
Überzeugen konnte man dabei jedoch nicht. Das
Heimspiel gegen den abstiegsbedrohten FC Carl Zeiss
Jena wurde erst durch einen Foulelfmeter kurz vor
dem Abpfiff mit 1:0 gewonnen; vergangene Woche beim
Schlusslicht Eintracht Braunschweig musste gar ein
Eigentor herhalten, um erneut einen glücklichen
1:0-Erfolg feiern zu können vom verschossenen
Braunschweiger Elfmeter mal ganz zu schweigen.
Neben den sportlichen Problemen hat Top-Torjäger
Patrick Helmes, der nach einer langwierigen Verletzung
noch nicht wieder in Bestform ist, mit der Bekanntgabe
seiner Unterschrift bei Bayer Leverkusen für
einen Nebenkriegsschauplatz gesorgt. Während
sich die Macher von Leverkusen und Köln
wegen dieses Deals gegenseitig verbal attackieren,
hat Helmes nun einen sehr schweren Stand bei den eigenen
Fans. Und mit diesen muss Helmes eventuell doch länger
auskommen als geplant, denn die DFL erklärte
den mit Leverkusen abgeschlossenen Vertrag für
ungültig und bestätigte die Kölner
Auffassung, Helmes sei noch bis 2008 an den FC gebunden.
Für den Neu-Essener Epstein ist dieses Match
sicherlich keines wie jedes andere, spielte er doch
vor der Winterpause noch für den 1.FC Köln.
Das ihm bekannte Gesicht der Kölner Mannschaft
hat sich in der Winterpause allerdings stark verändert.
Gleich fünf neue Spieler
mit Erstligaerfahrung wurden verpflichtet, selbst
der lateinamerikanische Spielermarkt war im Visier
der FC-Späher. Die beiden brasilianischen Talente
Andre Oliveira (21)und Tiago Fernandes Cavalcanti
(22) erhielten dabei einen satten Fünf(!)jahresvertrag.
Blinder Aktionismus oder ein sicheres Gespür
für Talente? Die Einkaufspolitik im Sommer war
jedenfalls alles andere als von Erfolg geprägt;
wie in Essen machte der Begriff der Geldverbrennungsmaschine
die Runde freilich auf einer anderen finanziellen
Ebene als bei uns. Beide Neu-Brasilianer genießen
bislang aber das Vertrauen von Trainer Daum, und mit
den weiteren Winterneuzugängen Marius Johnson
(Start Kristiansand) und Fábio Luciano (RSC
Anderlecht) standen vor Wochenfrist in Braunschweig
erneut vier Neuzugänge in der Startelf. Christoph
Daum hat bereits seine Stammelf gefunden, so dass
die folgende Aufstellung wahrscheinlich ist:
Wessels - Haas, Fábio Luciano, Alpay, Johnsen
- Sinkiewicz, Lagerblom - Serhat, Broich, André
- Tiago
Insbesondere die Kölner Abwehr hat dabei durch
Fábio Luciano und Johnson an Qualität
gewonnen kein gutes Vorzeichen für unsere
berühmte Offensive. Nach wie vor
werden mit Younga-Mouhani (Muskelfaserriss) und Wehlage
(Adduktorenzerrung) zwei der noch offensivstärksten
Mittelfeldspieler ausfallen. Zudem werden Löbe
und Michael Lorenz verletzungsbedingt nicht ins Spielgeschehen
eingreifen können. Die angeschlagenen Zaza, Haeldermans
und Calik werden Sonntag zur Verfügung stehen.
Vermutlich wird Letztgenannter zusammen mit Boskovic,
der unter der Woche im Testmatch beim VfL Bochum zum
1:0-Endstand traf, auf Torejagd gehen. Ginge es nach
den RWE-Anhängern, dann sollte Wehlage nicht
erneut durch den zuletzt formschwachen Bemben ersetzt
werden, sondern besser durch Paulo Sergio oder Barbaros
Barut. Wahrscheinlich ist jedoch die folgende Aufstellung:
Zaza - S. Lorenz, Kläsener, Hysky, Bieler - Lorenzón,
Özbek - Bemben, Epstein - Boskovic, Calik
Zumindest zu Spielbeginn werden die Rot-Weißen
auf die Unterstützung der eigenen Fans verzichten
müssen, denn die Ereignisse der vergangenen Wochen
veranlassen zahlreiche Fanclubs dazu, eine Protestaktion
zu starten und nach Spielbeginn schweigend das Spiel
zu verfolgen. Als Alibi für die Spieler darf
das im Falle einer weiteren Niederlage natürlich
nicht gelten, sie sind nicht erst seit der Aussprache
mit dem Trainer am Montag dem Verein gegenüber
verpflichtet, alles zu versuchen, den drohenden Abstieg
noch zu vermeiden. Wenn man in Essen noch einmal Hoffnung
bezüglich des Klassenerhaltes aufkommen lassen
will, dann geht das nur über einen Dreier.
Wie auch immer das Spiel ausgehen wird, eines steht
wohl schon im Vorfeld der Partie fest: Mindestens
eine der Mannschaften wird sich Sonntag von seinem
ursprünglichen Saisonziel verabschieden können
(mj)
Bilder: 2. Bundesliga 06/07 - 1. FC Köln -
Rot-Weiss Essen 1:0 - 25.09.2006 (jwd)
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