Spielbericht: 2. Bundesliga | FC Erzgebirge Aue -
Rot-Weiss Essen 0:0
Gullivers Reisen
Er machte sich auf, quer durch Süddeutschland
bis zum östlichen Zipfel der Zweitligalandkarte
ins Land der Zwerge nach Liliput, um zu beweisen,
dass Zwerge eigentlich Giganten sind. Augenzeuge eines
phänomenalen Zweikampfes zwischen Aues Skerdilaid
Curri (166 cm) und Essens Serkan Calik (167 cm) wollte
er sein, um Otto Waalkes These zu belegen: Ein
Zwerg, ist größer als man glaubt.
Doch Pustekuchen! Die Zwerge spielten nicht
zunächst nicht. Und als sie dann schließlich
doch eingewechselt wurden,
rieb sich Gulliver verwundert die Augen. Wie klein
doch Giganten sein können! Wobei Zwerg Curri
den fehlenden Zentimeter auf Zwerg Calik durch einen
etwas besseren Auftritt wettmachte.
Der Spielbericht vom Essener Gastspiel beim FC Erzgebirge
Aue lässt sich mit einem Satz zusammenfassen:
Es spielte Wir-haben- keine-Lust-mehr
gegen Wir-können-eh-nichts.
Nun gebietet der Anstand, das Positive zu erwähnen,
bevor Negatives ins Licht gezerrt wird. Positives
vom Spiel lässt sich beim besten Willen nicht
berichten. Stattdessen sollen einige Zeilen der Auswärtsfahrt
zum Schalke des Ostens gewidmet sein.
Eine Tour nach Aue ist schon was Besonderes. Es lohnt
sich immer, 400 Km (z. B. aus dem Schwabenland) zurückzulegen.
Für anreisende RWE Fans aus dem Ruhrgebiet waren
es sogar 550 km. Alles bestens dort im Erzgebirge.
Eine schöne Stadt, ein idyllisch gelegenes Stadion,
die neuen Umgehungsstraßen ermöglichen
inzwischen eine bequeme und rasche Zufahrt von der
Autobahn. Vor Ort im Stadionbereich trifft man als
Gästefan auf freundliche, auskunftsfreudige Menschen.
Das Ordnungspersonal ist sorgfältig und bestimmt,
aber freundlich, locker und in keiner Weise provokant.
Selbst die eingesetzte Polizeistaffel verhielt sich
trotz des Leipziger Kennzeichens auf den Einsatzfahrzeugen
zurückhaltend und umgänglich.
Kulinarische Besonderheiten dürfen nicht unerwähnt
bleiben. In welchem Stadion sonst gibt es Nudeln?
Nudeln mit Käse und Wurst, die auch noch bestens
schmecken. Auch die Bratwurst mit original Thüringer
Senf
muss man probiert haben. Und das alles serviert von
herzlichen, offenen Menschen, mit denen man auch nach
dem Spiel noch lange zusammen hocken, diskutieren
und gemeinsam die Welt bewegen kann. Alles in allem
so scheiße kann Essen gar nicht spielen,
dass sich eine Fahrt ins Erzgebirge nicht trotzdem
lohnt.
Doch beugen wir uns dem Unvermeidlichen und berichten
über das Spiel. Vom Anpfiff weg bemühten
sich die Erzgebirgler, das Spiel in die Hand zu bekommen
und Druck aufzubauen. Doch die Essener hielten gleich
dagegen. Allerdings wirkten die Aktionen auf beiden
Seiten unbeholfen und dilettantisch. Nach sechs Minuten
und zwei Eckbällen für RWE fragte man sich
als Zuschauer: Warum schießt der Kiskanc
eigentlich die Standards? Von da an ließen
sich bei seinen Ecken und Freistößen die
uneffektiven Aufschlagpunkte des Balles exakt voraussagen.
Das ratende Publikum kam auf eine Trefferquote von
nahezu 100%. Ansonsten war das Spiel geprägt
von Fehlpässen in den leeren Raum, von vertändelten
Bällen, von fehlerhaften Ballannahmen und ungenauen
Zuspielen, die in der Regel vor den Füßen
des Gegners landeten.
Beim FC Erzgebirge war nach den zuletzt verpatzten
Spielen die Luft raus. Man merkte es der Mannschaft
an. Man merkte es am Publikum, an der Stimmung und
am Besuch. Nur 8700 Zuschauer sahen das Spiel. Zuletzt
war man in Aue mehr gewohnt. Fazit, die Schädlich
Elf tat nicht viel, um die Spielzeit ehrenvoll und
attraktiv zu Ende zu bringen. Man hatte einfach keine
Lust mehr. Ein Umstand, den RWE hätte nutzen
können. Hier hätten unsere Jungs gewinnen
können, wenn sie gewollt hätten. Oder muss
es heißen, wenn sie gekonnt hätten? Man
hatte den Eindruck, die Mannschaft traut sich nicht
viel zu. Sie
kämpfte, sie rannte, aber alles sehr verhalten,
übervorsichtig, verkrampft. Aus Angst, einen
Ballverlust zu riskieren und einen Konter einzufangen,
agierten Köstners Schützlinge übervorsichtig
und vertändelten ein ums andere Mal den Ball.
Dabei war RWE nicht chancenlos. Nach einer Ecke in
der 15. Minute zog Kiskanc volley ab, setzte den Ball
aber weit neben das Tor. In der 36. Minute hatte Okoronkwo
die beste Möglichkeit des Spiels. Völlig
freistehend köpfte er den Ball knapp neben den
linken Pfosten. Das hätte es sein müssen.
Die Chancen der Auer waren zahlreicher und gefährlicher.
Ein Freistoß von Geissler zog knapp am Tor vorbei.
Anschließend testete Demir die Reaktionsfähigkeit
von Keeper Zaza. Karim Zaza stand heute übrigens
sicher zwischen den Pfosten. Fangsicher strahlte er
Ruhe aus und brachte dadurch etwas Ordnung in die
ansonsten verunsichert wirkende Abwehr.
Nach der Pause wurde das Spiel nicht viel besser.
RWE agierte etwas druckvoller, bekam sogar ein wenig
mehr Spielanteile. Doch damit war es bis zur Schlussviertelstunde
wieder vorbei. Danach schwamm die Mannschaft und musste
froh sein, die letzten 15 Minuten unbeschadet zu überstehen.
Hier wurde besonders offenbar, dass Stefan Lorenz
als Außenverteidiger auf der falschen Position
spielt. Ständig ließ er sich vom Gegner
überlaufen, fing ihn erst kurz vor dem Strafraum
wieder ab oder ließ es zu, dass der Außenstürmer
bis zur Torauslinie vordringen und flanken konnte.
In
der Abwehr stand die Innenverteidigung um Thomas Kläsener
ganz ordentlich, wenn auch nicht so sicher wie sonst.
Von Pascal Bieler war nicht viel zu sehen. Ebenso
wenig wie von Danko Boskovic im Angriff. War der überhaupt
auf dem Platz? Okoronkwo bemüht, aber nicht durchschlagend.
Im Angriff gab es einfach keinen Druck. Das Mittelfeld
war desolat. Hier wurde in Ball um den anderen vertändelt.
Zuverlässigster Posten wieder einmal Viktor Hugo
Lorenzon. Leider kassierte er nach einem Foul vor
dem eigenen Strafraum die fünfte gelbe Karte
und muss im Spiel gegen Hansa Rostock pausieren. Auch
Wehlage setzte sich ein. Man merkte ihm aber an, dass
er noch nicht ganz fit ist. Als Calik für
ihn eingewechselt den Platz betrat, wurde im
Angriff mehr gerannt. Aber er hätte auch stehen
bleiben können. Das wäre genau so wenig
effektiv gewesen.
Vergessen wir das Spiel, so schnell wie möglich.
Die gezählten 150 Essener Fans feierten zwar
den Punktgewinn, aber die Mannschaft sah beim anschließenden
Abklatschen nicht glücklich, sondern sehr angespannt
aus. Immer noch steht Essen auf einem Nichtabstiegsplatz.
Aber es gelingt einfach nicht, den Abstand zu den
Verfolgern zu vergrößern.
Gulliver ist wieder nach Hause gereist. Nun wartet
er darauf, ob am 30. April mit Hansa Rostock wirkliche
Giganten nach Essen kommen und als Zwerge wieder heimgeschickt
werden.
(ks)
Besten Dank für die Bilder von Veilchenpower.de
.
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Erzgebirge Aue
Keller Adamski, Ehlers, Loose, Trehkopf
Lenze (71. Schäfer), Dostalek, Geißler
Klinka, Juskowiak (71. Curri), Demir (60. Hampf)
Rot-Weiss Essen
Zaza S. Lorenz, Kläsener, M. Lorenz, Bieler
Özbek, Lorenzon Wehlage (63. Calik),
Kiskanc Boskovic, Okoronkwo
Tore
Fehlanzeige
Zuschauer
8.700
Schiedsrichter
Schriever (Otterndorf)
Gelbe Karten
Demir Kläsener, Okoronkwo, Lorenzon
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..... |
Spieler des Spiels
Jawattdenn Spielerbewertung
Zaza |
3+
|
S. Lorenz |
4- |
Kläsener |
3- |
M. Lorenz |
4+ |
Bieler |
5+ |
Lorenzon |
4 |
Özbek |
4- |
Wehlage |
4 |
Kiskanc |
4 |
Boskovic |
5+ |
Okoronkwo |
4- |
Calik |
4- |
|