Spielbericht: 30. Spieltag | Rot-Weiss Essen - KSV
Holstein
Ein RWE-Fan hat ja eigentlich immer das Gefühl,
dass die Mannschaft in Spitzenspielen nie was holen
würde, vor allem nicht an der Hafenstraße,
auch wenn das sicherlich nicht hundertprozentig richtig
ist. Verlorene Spiele wie zum Beispiel gegen Osnabrück
(1:3) oder Wattenscheid (0:4) haben sich einfach mehr
ins Bewusstsein gebrannt als die wichtigen Siege gegen
Braunschweig und St. Pauli (aus der Aufstiegssaison)
oder in dieser Saison gegen Jena. Und so fieberten
viele Fans dem Spiel gegen Hostein Kiel mit gemischten
Gefühlen entgegen.
Nachdem bis vor kurzem die Grundstimmung herrschte,
RWE sei schon so gut wie aufgestiegen, machte sich
in der vergangenen Woche nach der Niederlage beim
Konkurrenten in Jena Skepsis breit. Ein Sieg gegen
Kiel war also Pflicht, und unter Druck hatte RWE in
den letzten Jahren nicht nur gegen Spitzenteams gepatzt.
In der Regionalliga waren auch schon mal Vereine wie
der Dresdner SC oder Fortuna Köln zu Stolpersteinen
geworden - und Samstag wartete mit Holstein Kiel eben
kein Abstiegskandidat auf Rot-Weiss, sondern ein direkter
Konkurrent im Aufstiegsrennen und eines der besten
Auswärtsteams der Liga.
Im Gegensatz zur Vorwoche stellte Uwe Neuhaus die
Mannschaft wieder im gewohnten System mit drei offensiven
Mittelfeldspielern und zwei Spitzen auf. Und diese
machten sofort Druck auf das Kieler Tor, ohne jedoch
größere Chancen herausspielen zu können.
Erst in der neunten Spielminute kam der Ball nach
einem Haeldermans-Freistoß zum ersten Mal gefährlich
in den Kieler Strafraum, wo er prompt von Lorenzon
unter die Latte ins Tor geköpft werden konnte.
Als der Jubel gerade abebbte, zeigten sich die Kieler
erstmals nennenswert in der Essener Hälfte. Ein
weit vor dem Tor ausgeführter Freistoß
wurde im Strafraum von Andre Breitenreiter verlängert,
tupfte ein paar Mal unglücklich auf und rollte
schließlich über die Torlinie. Das etwas
unsichere Geburtstagskind Andre Maczkowiak machte
sich dort zwar lang, kam aber nicht mehr an den Ball.
Jetzt ging bei vielen Zuschauern das Zittern los.
Hatte man nicht auch damals gegen Osnabrück 1:0
geführt und die Mannschaft mit Spitzenreiter-Sprechchören
viel zu früh gefeiert? Oder vergangene Saison
beim Abstiegsendspiel in Ahlen? Und hatte man nicht
zuletzt gegen Jena stark begonnen, um am Ende mit
leeren Händen dazustehen?
Nach einer kurzen Phase, in der sich die Mannschaft
neu finden musste, wurden die Zweifel der meisten
Fans recht schnell zerstreut. In den letzten 20 Minuten
vor der Halbzeit begann RWE richtig Druck zu machen.
Doch weder Freistöße von Bemben knapp über
und an die Latte und ein spektakulärer Schuss
von Younga-Mouhani aus 20 Metern noch ein Kopfball
von Bilgin an den Innenpfosten und ein schwacher Ball
vom freistehenden Boskovic fanden ihr Ziel. Zwei Bälle
von van Lent und Bemben wurden außerdem von
Kieler Feldspielern auf der Linie abgewehrt.
So wurde die Mannschaft trotz des Gegentreffers und
der vor dem Spiel allgegenwärtigen Nervosität
verdientermaßen mit Applaus vom Publikum in
die Halbzeit verabschiedet.
Kiel hatte sich vor dem Essener Tor kaum in Szene
setzen können, während RWE mit etwas mehr
Glück durchaus hätte ein oder zwei weitere
Tore erzielen müssen.
Leider konnte RWE zu Beginn der zweiten Halbzeit zunächst
nicht an das druckvolle Ende der ersten Hälfte
anschließen, behielt aber trotzdem die Kontrolle
über das Geschehen. Eine Viertelstunde nach Wiederanpfiff
stand Boskovic nach einem sehenswerten Haeldermans-Steilpass
frei im Strafraum vor Torhüter Henzler, umspielte
diesen und passte den Ball dann zum im Fünfmeterraum
wartenden Bilgin, der von zwei Kielern zu Fall gebracht
wurde.
Zum Glück schienen sich die Kieler mehr auf Bilgin
als auf den Ball zu konzentrieren, so dass Arie van
Lent seinen Torriecher zum inzwischen vierten Mal
unter Beweis stellen konnte. Am anderen Ende des Fünfmeterraums
konnte er den an Bilgin und den Kielern vorbeigelaufenen
Ball aus spitzem Winkel im Kieler Tor versenken.
In der Schlussphase der zweiten Hälfte konnten
sich die Kieler, bei denen Trainer Neubarth mit Coiner
und Piorunek zwei frische Offensivkräfte eingewechselt
hatte, erstmals in der Essener Hälfte festsetzen,
wobei sie es aber nur selten schafften, sich gefährlich
in Position zu bringen. Lediglich einige Eckbälle
brachten Unruhe in den Essener Strafraum.
Nach zweiminütiger Nachspielzeit pfiff Schiedsrichter
Henschel, dessen Leistung zumindest von den Heimfans
als eher schwach eingeschätzt wurde, ab. RWE
hatte nach einer starken kämpferischen und spielerischen
Leistung einen wichtigen Sieg im Aufstiegsrennen eingefahren
und damit die Tabellenführung endgültig
behauptet. Auch wenn die Konkurrenz alle ihre Nachholspiele
gewinnen sollte, bliebe RWE derzeit an der Spitze
der Tabelle.
Die Fans feierten zusammen mit der Mannschaft die
überzeugende Leistung, und als die Spieler schon
wieder in der Kabine verschwanden, zeigte sich auch
erstmals Chefcoach Uwe Neuhaus den Fans auf den Tribünen,
nachdem er schon in den letzten Wochen vereinzelt
von den Zuschauern gefordert wurde. Endlich scheint
der Großteil der Fans die gute Arbeit, die Neuhaus
leistet, anzuerkennen.
Sicherlich wäre die Stimmung nach Schlusspfiff
ganz anders gewesen, wenn van Lent den Ball nur an
den Pfosten gedrückt und die Kieler noch einen
weiteren Ball ins Tor gemogelt hätten. Aber so
ist es eben nicht gekommen. Verdient wäre eine
Niederlage ohnehin nicht gewesen, selbst ein Unentschieden
hätte dem Spielverlauf bei weitem nicht entsprochen.
Die Mannschaft hat gegen Kiel den Beweis angetreten,
dass sie auch unter Druck und gegen Spitzenteams gewinnen
kann und vollkommen zu Recht an der Tabellenspitze
steht. Hat eigentlich jemand einen Gedanken daran
verschwendet, dass RWE ohne Löbe, Nikol, Thorwart
und Wehlage angetreten ist und trotzdem Spieler wie
Ristau oder Kiskanc gar nicht erst zum Einsatz gekommen
sind?
(hh)
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Tore
1:0 Victor Hugo Lorenzon (10.) / 1:1 André
Breitenreiter (12.) / 2:1 Arie van Lent (58.)
Rot-Weiss Essen
Maczkowiak - Bemben, Lorenzon, S. Lorenz, Stefulj
- M. Lorenz - Bilgin (76. Özbek), Younga-Mouhani
(71. Gorschlüter), Haeldermans - van Lent, Boskovic
(87. Pappas)
KSV Holstein
Henzler - Paulus, Molata, Boy, Rohwer - Niedrig (76.
Piorunek), Breitenreiter - Bartels, Lindemann (46.
Heithölter), Rietpietsch (66. Coiner) - Dobry
Gelbe Karten
Lorenzon (Essen) / Niedrig, Breitenreiter (Kiel)
Schiedsrichter
Holger Henschel
Zuschauer
14.081
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