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23.03.2008: Primera Division | Real Madrid: FC Valencia 2:3 (1:1)


Wir haben Herzen aus Granit, so wie einst Real Madrid!

Dieser auch an Essens Hafenstraße immer mal wieder angestimmte Evergreen ist eine von ganz wenigen Verbindungen, die ein krisengeschüttelter Noch-Drittligist wie RWE und Spaniens mythenumworbener Hauptstadtclub, der Trophäen internationalen Ranges noch und nöcher absahnte, besitzen.

Während eines österlichen Urlaub-Tripps nach Kastilien gab es am Samstag zunächst mal die wie gewohnt ernüchternde Nachricht von der rot-weissen Schlappe gegen Babelsberg, die das Schreckgespenst Vierte Liga immer realistischer erscheinen lässt. Zur Entschädigung dafür winkte dann am Ostersonntag die Stippvisite in einer der berühmtesten Spielstätten Europas, dem Estadio Santiago Bernabeu, Heimstatt der Königlichen von Real Madrid.

Die aufgrund der Ansammlung internationaler Superstars in den berühmten weißen Trikots auch schon die Galaktischen genannten Madridistas, wie der spanische Hauptstädter zu sagen pflegt, sind die vielleicht sogar weltweit renommierteste Truppe von Balltretern. Entsprechend hoch sind die Ansprüche der Anhänger, entsprechend hoch auch die Eintrittspreise in den Fußball-Tempel Santiago Bernabeu, dessen Name auf den Real-Präsidenten mit der längsten Amtszeit der Vereinsgeschichte zurückgeht. Ganze 35 Jahre lang, von 1943 bis 1978, lenkte dieser den Verein. In diese Phase fiel die Grundsteinlegung zum 1947 fertig gestellten Stadionbau und eine bis heute und wohl auch auf Ewigkeit nicht erreichbare Bestmarke von fünf aufeinanderfolgenden Triumphen im Europapokal der Landesmeister, Vorläufer der Champions League. Von seiner ersten Austragung in der Saison 1955/56 an, deutscher Vertreter übrigens ein gewisses RWE, womit die zweite und auch vorletzte Verbindung der beiden Klubs aufgezeigt wurde, bis zur fünften Auflage in der Spielzeit 1959/60 hieß der Sieger des Wettbewerbs ausnahmslos Real Madrid. Bis heute sind weitere vier europäische Landesmeister bzw. CL-Titel hinzu gekommen, dazu auch Siege im Uefa-Cup, insgesamt stehen 30 nationale Meisterschaften, spanischer Landesrekord, und 17 Triumphe in der Copa del Rey, dem spanischen Pokalwettbewerb, zu Buche.

Da wird einem schnell klar, dass man sich hier im Mekka des europäischen Fußballs befindet, wenn man die Metro-Station, welche den Namen des Stadions trägt, verlässt und an der Straßenkreuzung zwischen der Calle Padre Damian und der Avenida Concha Espina entlang flaniert und das berühmte Stadion entdeckt. Der spanische Fußballfan, auch das wird schnell klar, hat noch immer eine Vorliebe für Fanfaren aller Art, so dass der Stadionvorplatz in ein ohrenbetäubendes Spektakel gehüllt wird. Diese in Deutschland fast ausgestorbene Sitte weckt Erinnerungen an die 80er Jahre. Das Stadion hat von außen wenig gemein mit den futuristischen Neubauten der Fußballmoderne, dass es seit gut 60 Jahren hier steht, ist dem uncharmant wirkenden Betonklotz zumindest von Außen anzumerken.

Zu diesem Zeitpunkt ist noch nicht klar, ob es an diesem Abend überhaupt eine Begegnung mit dem Stadioninneren geben wird, denn die aus insgesamt vier Fußballanhängern bestehende Reisegruppe ist ohne Eintrittskarte angereist. Eine finanzielle Schmerzgrenze von 50 € sollte jedenfalls für den Ticketerwerb nicht überschritten werden, eine erste positive Nachricht dazu gibt uns ein Ordner, der mitteilt, dass auch noch Karten an den Stadionkassen erworben werden können, so dass keine Notwendigkeit besteht, den Schwarzmarkt mit seinen furchterregenden Preisen aufsuchen zu müssen. Der Gegner Valencia ist in dieser Spielzeit halt nur potenziell eine Spitzenmannschaft, vor dieser Partie befindet sich der sonst regelmäßig auf den CL-Quali-Plätzen angesiedelte Club lediglich auf Platz 11 der Primera Division.

Doch schon der erste Anlauf aufs Kassenhäuschen sorgt für Ernüchterung, der gemütliche Herr mit dem schwarzen und weit geschwungenen Schnurrbart teilt trocken aus der Hüfte geschossen mit, dass das wohlgemerkt billigste Ticket für schlappe 95 € zu haben sei. Für eine Karte, keineswegs für vier! Anlauf Nummer 2 auf die nächste Verkaufsstelle bringt Hoffnung, hier stehen "lediglich" 65 € im Raum, wie uns die resolute Dame im dunkelblauen Sweater mit dem harten spanischen Akzent in der Stimme auf Englisch mitteilt. Obwohl wir uns im offiziellen Kartenverkauf bewegen, scheint hier Einiges dem Zufall überlassen, ganz so, als sei man doch auf dem Schwarzmarkt unterwegs. Getreu dem Motto, aller guten Dinge sind drei, stellen wir dann doch noch eine Regelmäßigkeit fest. Am nächsten Schalter sind es weitere 25 € weniger, so dass der Kartenpreis nun 40 € beträgt. Mit dem Eindruck, unser Glück genug strapaziert zu haben, erteilen wir dem Verkäufer, einem studentenhaft wirkenden Mann Mitte Zwanzig, den Zuschlag. Hossa, das Abenteuer Bernabeu kann beginnen!

Leibesvisitationen wie in deutschen Stadion kennt der spanische Fußball nicht, wie nicht nur der erst kürzlich erfolgte Wasserflaschenwurf während eines Ligaspiels zeigte. Denn lediglich die elektronischen Sperren muss man unter Zuhilfenahme nett lächelnder Senioritas mit Ordner-Westen passieren, schon ist man drin im Vergnügen und bekommt immerhin gratis die Stadionzeitung "Grada Blanca", deren Cover am heutigen Jornada, schlicht übersetzt mit Spieltag, der in Madrider Diensten befindliche Sergio Ramos schmückt. Catering-Bereiche im Stadioninneren sind denen in anderen Stadien grundähnlich, noch haben wir nichts Königliches entdecken können.

Aber das Betreten der Aufgänge zu den Zuschauerrängen sorgt dann doch für einen kleinen Schauer auf dem Rücken. Das durchgängig modernisierte und komplett bestuhlte Stadion verfügt über nicht weniger als vier übereinanderfolgende Ebenen, in denen gut 80.000 Besucher Platz finden können. Bedenkt man dabei, dass man genau wie im Guiseppe-Meazza-Stadion in Mailand diese Kapazität trotz komplettem Verzicht auf Stehplätze erreicht, bekommt man einen Eindruck der hier vorliegenden Dimensionen. So ist es auch alles andere als ein leichtes, alle Infos auf den recht spartanisch wirkenden Eintrittskarten richtig zu verarbeiten und sein Plätzchen mitten in der Riesenschüssel zu finden. Doch auch hier gibt es nette Mädchen, die dem desorientierten deutschen Schlachtenbummler das Leben erleichtern und Plätze anweisen. Klar ist, dass man für die "Billiglösung 40 €" auf die höchste und dem Spielfeld am weitesten ferne Ebene des Stadions verwiesen wird. Beim Blick ins weite Rund wird wiederum deutlich, dass das Estadio Santiago Bernabeu in seiner Grundkonstellation eine traditionsreiche Spielstätte ist, denn die Anzeigetafel ist nur überschaubar groß und unter Zuhilfenahme einiger Kompromisse bei der Stadionsanierung noch irgendwie am ganz oberen Rand des höchsten Ranges installiert worden. Obwohl die Außentemperaturen empfindlich kühl sind, wird man von einer seltsam anmutenden Wärme empfangen, die jedoch weder vom eifrigen Rauchen der Fans, noch von deren südländischen Temperament erzeugt wird, sondern von einer Kette von Heizstrahlern unter dem Dach, die auch Ikarus Respekt eingeflößt hätten. Ansonsten aber erscheint hier nichts einzigartig oder gar königlich, jedes neu gebaute deutsche Erstligastadion nimmt es an Komfort und Sichtqualität locker mit der hiesigen Schüssel auf.

Doch das Besondere liefert dann der Blick auf den Rasen und das Warm Up der Teams. Denn Madrid hat nicht nur im weltberühmten Prado legendäre Kunstwerke en masse zu bieten, sondern auch im Estadio Bernabeu gibt es Sehenswürdigkeiten. Hier tummeln sie sich, die Weltstars des Fußballs, Italiens WM-Kapitän Cannavaro, die lebende und noch aktive Sturmlegende Raul Gonzales, der hier nur bei seinem Vornamen gerufen wird, Spaniens Nationalkeeper Iker Casillas, Brasiliens Meister des Übersteigers Rubinho und sein Landsmann Julio Baptista, die Niederländer Robben und Sneijder, die Argentiner Saviola und Heinze, J.M. Gutierrez, der sich nur Guti nennt. Der deutsche Nationalverteidiger Christoph Metzelder und der holländische Sturmtank Ruud van Nistelrooy sind verletzt. Und selbst die nun nicht aufgezählten Mitglieder des Real-Kaders sind meist noch aktive Auswahlspieler ihres jeweiligen Landes und wären wohl noch locker Stammspieler in den meisten Bundesligavereinen. Aber auch Valencia hat so manchen exzellenten Kicker in seinen Reihen, was die favorisierten Gastgeber an diesem Abend noch zu spüren bekommen werden. Darunter der spanische Nationalstürmer Villa, sein serbisches Pendant Zigic, Ex-Real-Angreifer Fernando Morientes, Mittelfeldregisseur Joaquin und die deutsche Nummer 2 im Tor, Timo Hildebrand, der, das sei vorweg genommen, an diesem Abend eine echte Nummer 1 sein sollte.

Noch eine letzte Parallele zu den Niederungen des Fußballs gibt es auch hier: Nach dem Aufwärmen verschwindet dieses Potpourri aus Weltstars und aufstrebenden Kickern kurz in die Kabinen, ganz so wie bei einem Drittligamatch, um kurz vor 19.00 MEZ unter den Klängen der Real-Hymne, diese kann ganz subjektiv nicht mit Adiole mithalten, wieder den Rasen zu betreten. Das Stadion dürfte mittlerweile mit gut 75.000 Besuchern hervorragend gefüllt sein, die Bühne für einen großen Fußballabend scheint bereitet.

Nach dem Anstoß plätschert das Geschehen jedoch zunächst etwa 20 Minuten nur dahin. Die Aufmerksamkeit gilt erstmal fast nur den Ergebnissen der bereits beendeten Spiele der Konkurrenz, welche mit Begleitung eines aufdringlichen Getutes von der Anzeigetafel ins weite Rund transferiert werden. Den Anhänger eines noch souveränen Tabellenführers wie Real Madrid lassen die meisten Resultate kalt. Als jedoch der 4:1 Erfolg des Erzfeindes und wieder mal Hauptkonkurrenten um den Titel Barcelona verkündet wird, kommen lautstarke Unmutsbekundungen zum Vorschein.

Ansonsten macht sich zunächst nur die berüchtigte und den gesamten Unterrang hinter dem Tor einnehmende Ultra-Gruppierung Reals, die Ultras Sur, akustisch deutlich bemerkbar. Dirigiert von ihrem Capo, der von einer ganzen Reihe von Leuten auf dem Zaun neben ihm unterstützt wird, bringen sie das madrilenische Liedgut zum Erklingen. Dieses ist von der Melodie her identisch mit den auch in Deutschland bekannten Fußballschlagern. Man muss des Spanischen nicht mächtig sein, um dann hier und da auch eine deftige Fäkalklatsche Richtung des tapferen Häufleins der gegnerischen Anhänger gewahr zu werden. Diese sind ausgesprochen ungastlich in der äußersten oberen Ecke der Gegengerade auf größtmöglichster Distanz zu den heimischen Ultras untergebracht.

Wer heißblütige südländische Fans erwartet hatte, wurde ansonsten zunächst enttäuscht. Nicht wenige Anhänger der Madridistas nutzten die laschen Eingangskontrollen um ein regelrechtes Picknick mit allerlei Naturalien abzuhalten und erstmals bin ich dankbar dafür, recht weit oben zu sitzen, denn die komfortableren unteren Sitzränge müssen in Kauf nehmen, dass auch mal ganz unfein einige Oliven- oder Kürbiskerne und Reste sonstiger Stadion-Tappas nach dem Verzehr oral direkt nach unten befördert werden.

Doch als Mitte der ersten Hälfte das Spiel besser wird, bessert sich wie in jedem Fußballstadion der Welt auch die Stimmung. Real hat das Match nach zähem Auftakt nun im Griff, besonders Guti, der nach schlechtem Beginn einige Pfiffe geerntet hatte, spielte nun den ein oder anderen blitzsauberen Pass in Richtung Raul und Co, doch noch sind die Chancen nicht zwingend genug, um einen Hildebrand in Verlegenheit zu bringen. Auf der anderen Seite dringt Valencia aus einer kompakten Deckung heraus immer mal mit gefährlichen Kontern durchs Mittelfeld. Dieses ist bei Real unter dem deutschen Trainer Bernd Schuster sehr offensiv denkend eingestellt und nach einem überflüssigen Ballverlust von Wesley Sneijder zentral vor dem eigenen Tor wird das Spielgerät von Silva genau in die Nahtstelle der madrilenischen Deckung gespielt, die trotz Cannavaro arg verwundbar ist, und Valencias Tor-Rero Villa lässt Casillas nach 33. Spielminuten nicht den Hauch einer Abwehrchance. Das 0:1! Das Häuflein Gästefans schwenkt aufgeregt die Fahnen, der Rest reagiert nur mit Raunen.

Doch wer den kastilischen Bären reizt, muss mit einer Reaktion rechnen. Und wirklich, kaum ist das Spiel wieder angestoßen, fliegt ein weiter Flankenball von halblinks in den Strafraum und der Halbgott der Madrid-Fans Raul kommt seinem Bewacher zuvor und befördert die Kugel per Kopf und unhaltbar in die Maschen. 1:1 im Gegenzug, das Match nimmt Fahrt auf! Real profitierte dabei von der verletzungsbedingten Auswechslung des Abwehrchefs Albiol, der kurz zuvor von einem Guti-Freistoß mitten ins Gesicht niedergestreckt wurde, wie ein unterlegener Gegner von Boxweltmeister Klitschko. Er musste durch Ivan Helguera ersetzt werden. Obwohl dieser für die Gäste am Ball war, erhielt er bei seiner Einwechslung tosenden Applaus von allen Fans im Stadion, was sich dadurch erklärt, dass er zuvor lange Jahre erfolgreich für Real tätig war. Eine erstaunliche Geste. Bis zur Pause tat sich nichts mehr. Das Spiel war sicherlich nicht schlecht, aber deutlich steigerungsfähig.

Und diese Steigerung sollte kommen, und zwar gewaltig, denn die zweite Spielhälfte bot exzellenten und tempogeladenen Fußball der feinsten Sorte. Real drückte nun von der ersten Sekunde nach Wiederanpfiff gewaltig aufs Tempo und die bislang recht sichere Gästeabwehr geriet gewaltig ins Schwitzen, während der Zuschauer mit atemberaubend schnell vorgetragenen Kombinationen der Gastgeber verwöhnt wurde. Nur ganze zehn Minuten hielt Valencia diesem Druck unbeschadet stand, dann setzte Guti Raul in Szene und der zeigte seine ganze Klasse und beförderte die Kugel aus der Drehung heraus ins vom Schützen aus gesehene untere rechte Toreck, erneut gab es keine Abwehrchance für Hildebrand. Nach dem noch recht verhaltenen Jubel über den Ausgleich zelebrierte Real nun den Torjubel vor der ekstatisch jubelnden Fankurve. Der Stadionsprecher performierte unterstützt von 75.000 Kehlen das ultimative rollende R im Namen des Doppeltorschützen und auch der letzte hatte sich nun erhoben, sei es auch nur, um das Geschehen auf dem Rasen noch verfolgen zu können.

Apropos erheben, ein Bernd Schuster würde an Essens Hafenstraße nicht gut ankommen, denn der Coach ist während des Spiels kaum geneigt, die Trainerbank zu verlassen und in die Coaching-Zone zu treten, was in den Augen einiger RWE-Fans ja bekanntlich von Emotionslosigkeit und Inkompetenz zeugt. Valencias niederländischer Trainer Roland Koeman wäre da aufgrund stetiger Präsenz am Spielfeldrand wohl besser gelitten.

Die Vorentscheidung schien gefallen, Madrid zeigte nun formschönen Fußball, der, wie es schien, zwangsläufig auf das 3:1 hinauslaufen musste, im gönnerhaftem Überschwang wurde von den Real-Fans nun auch noch die zweite Einwechslung eines ehemaligen Real-Spielers auf Valencia-Seite mit Standing Ovations gefeiert, als Fernando Morientes das nun lahm liegende Angriffsspiel der Gäste neu beleben sollte. Doch diese Herrlichkeit währte nur 8 Minuten nach der Führung. Da kam Arizmendi nach einem Zweikampf mit Weltmeister Cannavaro im Real-Strafraum zu Fall, so dass Valencias erste Strafraumbegehung in Hälfte Zwei von Arbitro, zu deutsch Schiedsrichter, Carlos Gomez aus Aragones sogleich mit Elfmeter belohnt wurde. Zweifelhaft, aber auch ungewohnt unclever vom Verursacher. Das gellende Pfeifkonzert irritierte Schütze David Villa nicht, der Iker Casillas leicht und locker verlud und zum 2:2 einschob, so dass beide Sturmführer, die übrigens auch beide die Nr. 7 auf dem Trikot tragen, nun einen Doppelpack ihr eigen nennen konnten.

Real reagierte mit wütenden Angriffen, die keinen Zweifel aufkommen ließen, dass ein Remis nicht den Ansprüchen der Gastgeber genügte. Bemerkenswert dabei war, dass fast zu jedem Zeitpunkt des Matches rein spielerische Mittel in die Waagschale geworfen wurden, um die Abwehrreihe zu knacken. Nahezu kein einziger langer Ball ins Sturmzentrum folgte, sondern schneller und technisch brillanter Kombinationsfußball. Dabei waren die Brasilianer Rubinho und Baptista schon vom Feld genommen worden, ersterer agierte uneffektiv, letzterer unglücklich. In der letzten halben Stunde des Spiels wurde einer zum Mann des Abends, Timo Hildebrand brachte Madrid mit unglaublichen Reflexen in Serie zur Verzweiflung und seinen Namen wohl ganz dick ins EM-Notizbuch von Bundestrainer Löw. Manch Chance, die der blonde Keeper vereitelte, war so groß, dass sich nicht wenige Zuschauer schon feiernd in den Armen lagen, bevor dann doch wieder ein Fuß oder Arm des Ex-Stuttgarters rettend hervorschnellte. Jedenfalls gab es nun endlich die berühmte spanische Stierkampfatmosphäre und die Zuschauer legten ihre vornehme Zurückhaltung ab, um entweder ihr Team nach vorne zu peitschen oder Referee Gomez, der an diesem Abend ganz sicher kein Heimschiedsrichter war, für eine mal wieder nicht genehme Entscheidung lautstark zu tadeln. Zum Einsatz kamen auch die symbolträchtigen weißen Taschentücher, in Spanien Zeichen für die Feigheit eines Toreros beim Stierkampf oder eben der Verurteilung einer schwachen Leistung beim Fußball, was hier allein dem Schiedsrichter galt.

Eigentlich schien es wieder nur eine Frage der Zeit, wann Real die erneute Führung doch gelingen sollte, doch während die Uhr herunter tickte, traute sich Valencia den ein oder anderen Konter zu. Das nun bedingungslose Offensivspiel der Königlichen sorgte dabei natürlich auch für entsprechende Freiräume für die gewiss guten Angreifer der Gäste. Einer davon sollte dann in der 87. Minute tatsächlich dafür sorgen, dass der Spielverlauf der zweiten Hälfte auf den Kopf gestellt wurde. Arizmendi setzte sich nach einem öffnenden Diagonalpass auf den rechten Flügel dort gegen Cannavaro durch, der ohne seine aus der italienischen Nationalelf gewohnten Absicherer aus dem Mittelfeld doch sehr blass aussah, und eilte unbehelligt mit der Kugel in den Strafraum. Iker Casillas unterlief nun ein verhängnisvoller Fehler, denn obwohl der einzige mitgelaufene Gästespieler im Zentrum markiert war, öffnete er dem Schützen das kurze Eck, um einen potenziellen aber sinnlosen Querpass zu unterbinden. Arizmendi sagte "Gracias" und schob die Kugel einfach im unbewachten Eck ein. 3:2 für Valencia, was fast nur mit dem Rücken zur Wand gestanden hatte.

Fußball ist verrückt und manchmal ungerecht, aber eben das macht ihn ja so reizvoll. Wie konsequent die Gastgeber die Entscheidung gesucht hatten konnte dabei durchaus imponieren und auch wenn Real am Ende mit ganz leeren Händen dastand, so wusste die taktische Grundausrichtung von Bernd Schuster ganz objektiv wirklich zu gefallen. Unter Vorgänger Capello wäre der eine Punkt wohl nicht mehr riskiert worden, die Gaudi aber auch eine Nummer kleiner ausgefallen.

Die Fans der Once Blanca nahmen das mit einer Mischung aus Fassungslosigkeit und sarkastischem Amüsement hin, allein eine etwas korpulent wirkende junge Dame, bei der man sich gut vorstellen kann, dass ihr Schlafzimmer gespickt ist mit Bravo-Postern der Real-Stars, schickt verzweifelte Stoßgebete in den Abendhimmel. Diese werden zumindest in der Form von fünf langen Nachspielminuten belohnt, da die Gäste dass Spiel zwischenzeitlich doch arg verschleppt hatten. Eine weitere Riesenchance für Raul steht noch zu Buche, doch den Hattrick des Angriffsführers bei einem Kopfstoß aus etwa sechs Metern Torentfernung vereitelt erneut der glänzend aufgelegte Hildebrand. Selbst die Freunde des Feinschmeckerfußballs greifen jetzt aber auch mal zur Brechstange und schicken in der Schlussminute lange Bälle nach vorne, deren Wirkung jedoch verpufft. Dann bläst Herr Gomez aus Aragones final in sein Arbeitsgerät, begleitet von einem milden Pfeifkonzert der Zuschauer, die ihrem Team nicht wirklich etwas vorwerfen können, sieht man von der Chancenverwertung ab. Nach respektvollen Shakehands im Mittelkreis verabschieden sich die Mannschaften in die Kabinen, auch die siegreichen Valencianer begnügen sich mir höflichem Klatschen in ihre kleine, aber feine Fanecke.

Wer eine Humba zur Feier des durchaus überraschenden Sieges erwartet hatte, sah sich getäuscht. Auch die riesige Betonschüssel leert sich schnell und Dank der hervorragenden Verkehrsinfrastruktur sowohl im ÖPNV als auch in den PKW-Anbindungen erinnern auf dem Stadionvorplatz bald nur noch die Gesänge der siegestrunkenen Gästefans, die zur Sicherheit noch im Inneren festgehalten werden, an ein durchaus großes Fußballspiel. Allein die durch die hohe individuelle Klasse der auf dem Feld versammelten Elite garantierten Überraschungsmomente sorgten für hohen Unterhaltungswert und fast jederzeit an diesem Abend lag etwas hüben oder drüben vor den Toren in der Luft.

Am nächsten Tag steht noch ein kurzer Besuch am Stadion des Lokalrivalen Atletico Madrid an, erfreulich dass die Vereinsfarben hier neben dem bekanntermaßen hässlichen Blau auch das schöne Rot und Weiß beinhalten. Architektonisch fällt das ziemlich moderne Estadio Vicente Calderon vor allem dadurch auf, dass direkt unterhalb der Haupttribüne die Stadtautobahn entlang führt. Fraglich, ob die Fans von Atletico deshalb mehr Energie versprühen als die der königlichen Madridistas, die sich letztlich obwohl Anhänger des wohl berühmtesten Klubs der Welt als ganz normale Supporter zeigten. Nicht nur deshalb gilt trotz eines tollen Fußballabends natürlich auch in Zukunft der Spruch, lieber mit RWE in Liga Vier - hoffentlich nicht - als mit Real in die Königsklasse. Dort drücken wir eh dem Erzrivalen aus Barcelona demnächst gegen einen blau-weißen Stadtteilverein kräftig die Daumen.


(sm)


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